Mülheim. Das alte Tengelmann-Areal in Mülheim soll sich zur grünen „Parkstadt“ mit Wohnen, Gewerbe und Freizeit mausern. Hier sind die Ideen der Planer.

„Es war Liebe auf den ersten Blick“, sagt Bernd Vlay, einer der Sieger im städtebaulichen Wettbewerb zur Entwicklung der ehemaligen Tengelmann-Fläche in Speldorf. Sein „Studio Vlay Steeruwitz“ und die Landschaftsarchitekten von „PlanSinn“ haben am Donnerstag erläutert, warum sie von „der Kraft und dem Potenzial“ des innerstädtischen Entwicklungsraums „überwältigt“ sind, welche Ideen sie haben.

Ihr Konzept lehnt sich an dem an, für das das alte Tengelmann-Areal auch verrufen war: eine „verbotene Stadt“ zu sein, abgeschottet von den Wohnquartieren im Umfeld. „Bühne frei“ ist nun der Titel für den Entwurf der Wiener Planer, die die Idee einer neuen Parkstadt aufgreift, die sich offen zeigt für Begegnung der Menschen im Stadtteil und darüber hinaus. Für eine Parkstadt, wie Investor Erwin Soravia bekräftigt, die all das bieten soll, was ein modernes Quartier mit Gewerbe, Wohnen und Freizeit „spannend und attraktiv“ mache.

Auch interessant

Der zentrale Park mit See, Gastronomie und Wohlfühloasen

Zentrales Element der Parkstadt soll ein 100 Meter breiter Grünstreifen zwischen Veilchenweg und Ulmenallee werden, der von allen möglichen Himmelsrichtungen für Bürger zugänglich sein soll. 6000 Quadratmeter groß, soll in der Mitte des Areals ein See entstehen. Grundsätzlich wünsche man sich einen Badesee, so Investor Soravia. OB Marc Buchholz ist aber skeptisch mit Blick darauf, dass Schwimmen im öffentlichen Bereich immer auch an Rahmenbedingungen geknüpft sei, etwa eine Schwimmaufsicht.

Großes Lob ernten die Planer dafür, dass sie den alten, schattenspendenden Baumbestand auf dem Areal weitestmöglich erhalten wollen, Soravia sagte am Donnerstag gar: „Wir müssten die Anzahl der Bäume verdoppeln.“

Auch interessant

Investor Soravia: Wir wollen ein sozial-ökologisches Musterprojekt bauen

Die Parkstadt soll laut Investor höchsten Ansprüchen an moderne Stadtentwicklung, etwa auch in Sachen Mobilität und Klimawende, genügen. „Wir wollen ein sozial-ökologisches Musterprojekt bauen“, sagt Soravia. Dem Sieger-Entwurf sei es gelungen, Freiraum zu schaffen und trotzdem die (aus wirtschaftlicher Sicht) gewünschte Verdichtung zu ermöglichen.

Der städtebauliche Entwurf zeigt die „Parkstadt Mülheim“ aus der Vogelperspektive. In der Mitte zwischen Neubebauung (oben) und alter Tengelmann-Zentrale der 6000 Quadratmeter große See inmitten eines Grünzuges.
Der städtebauliche Entwurf zeigt die „Parkstadt Mülheim“ aus der Vogelperspektive. In der Mitte zwischen Neubebauung (oben) und alter Tengelmann-Zentrale der 6000 Quadratmeter große See inmitten eines Grünzuges. © Soravia/Studio Vlay Streeruwitz

Beifall vom OB bekommt Soravia für seine Ankündigung, nicht erst Geld mit Neubauten im Quartier verdienen zu wollen, sondern direkt mit Beginn der für Mitte 2023 angesetzten ersten Bauarbeiten den Park samt See gestalten lassen zu wollen, „das Herz der Parkstadt“, wie er es nennt.

Der OB nimmt die Planungen – „interessant und mutig“ seien sie – mit großen Hoffnungen nun am Wochenende mit zur Immobilienmesse Expo Real nach München. Er glaubt, dort womöglich mit der „intelligenten Mischnutzung aus Wohnen, Gewerbe und Freizeit“ auch Ansiedlungsinteresse bei Unternehmen zu wecken. „Eine Toplage“ attestiert jedenfalls der Jury-Vorsitzende Prof. Kunibert Wachten dem Projekt.

Auch interessant

Wohnen und Co.: So könnte laut Sieger-Entwurf eine Bebauung aussehen

Die geplante neue Bebauung nördlich der ehrwürdigen alten Tengelmann-Zentrale rücken die Planer 100 Meter von dieser ab: „Das Schloss braucht Raum und muss atmen“, heißt es dazu. Dem „fantastischen Erbe“ wollen sie Respekt zollen, im See davor soll sich auf der Wasseroberfläche das Gebäude spiegeln.

Am Donnerstag bei der Bekanntgabe des Sieger-Entwurfs aus dem städtebaulichen Wettbewerb zur „Parkstadt Mülheim“): v.l. OB Marc Buchholz, der Jury-Vorsitzende Prof. Kunibert Wachten und Investor Erwin Soravia.
Am Donnerstag bei der Bekanntgabe des Sieger-Entwurfs aus dem städtebaulichen Wettbewerb zur „Parkstadt Mülheim“): v.l. OB Marc Buchholz, der Jury-Vorsitzende Prof. Kunibert Wachten und Investor Erwin Soravia. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Neubebauung skizzieren die Planer in einem Gürtel, der sich von West nach Ost auf Baufeldern entlang des Veilchenweges, der Wissoll- und Liebigstraße bis hin zur Ulmenallee erstreckt. Um die Parkstadt frei von Autos zu halten, sind Tiefgaragen angedacht. Der Standort für eine Kita ist an der Koloniestraße, Ecke Veilchenweg verortet, ebenfalls an der Koloniestraße ist ein solitär stehendes Gebäude namens „Zauberpavillon“ skizziert, das am Rande des Rosengartens Platz finden könnte.

Auch interessant

Technikum soll für See und neue Punkt-Hochhäuser abgerissen werden

Entlang des Veilchenweges zeigt der Plan (Wohn-)höfe, ein Baufeld davon könnte aber auch Standort einer neuen weiterführenden Schule werden. Auf einem Teil der alten Sportplatz-Fläche bis zur Einmündung der Wissollstraße auf den ehemaligen Tengelmann-Parkplatz sind Wohnhäuser als „Parkfinger“ mit breiten Grünschneisen dazwischen und Innenhöfen angedacht.

Im weiteren Verlauf sollen anstelle von Technikum und auf dem Baufeld bis zur Liebigstraße Gebäude entstehen, die laut Soravia rund ein Drittel höher in die Luft ragen sollten als die alte Konzernzentrale. Quasi als Kontrapart zur historischen Architektur sollten sie seiner Meinung nach 35 bis gar 50 Meter hoch gebaut werden – das wären im Maximum mehr als 15 Stockwerke. Eine Angelegenheit, die Mülheims Politik ebenso wie etwa ökologische und soziale Standards oder Verdichtungsgrade im Bebauungsplan zu verankern hätte.

400 oder 700 neue Wohnungen? Das muss sich jetzt noch klären

Auf alter Parkplatzfläche zwischen Liebigstraße und Ulmenallee sind nochmals Gebäude anders angeordnet. Wohnen ist auch hier Thema, doch auch eine Erweiterung der Hochschule Ruhr West. Wie viele Wohnungen es insgesamt werden sollen, ob „400 oder 700“ – das vermochte Investor Soravia am Donnerstag noch nicht zu sagen. Das werde sich in sechs bis zwölf Monaten wohl herauskristallisieren in Planungen mit Stadtverwaltung und Politik; Bürgerbeteiligungen wird es natürlich auch geben.

Die Planer sehen in Nähe zum Radschnellweg Möglichkeiten für ein Fahrradhotel, auch für Studenten- oder „autofreies Wohnen“. Auch Sonderwohnformen (Ateliers, WGs, Cluster- oder schlank geschnittene Familienwohnungen) sind als Idee geäußert. Vieles soll noch möglich sein, versprechen sie zu ihrem Entwurf. Auch Platz für die Nahversorgung, für Einzelhandel und Gastronomie haben sie im Auge.

Auch interessant

Tengelmanns alte Konzernzentrale: Ende des Jahres 30.000 Quadratmeter vermietet?

Das Bestandsgebäude der alten Tengelmann-Zentrale haben die Planer wertschätzend ihrer Historie gegenüber „Schloss der Arbeit“ getauft. Es wird Schritt für Schritt und angepasst an die Wünsche der Mieter schon jetzt modernisiert. Mitte 2022 würden im Bestandsgebäude sicher schon 500 bis 600 Menschen ihren Jobs nachgehen, sagt Soravia.

Projektleiter Lorenz Tragtschnig und Makler Eckhard Brockhoff zeigen sich sehr zufrieden mit den bisherigen Vermarktungserfolgen. Bis Ende dieses Jahres rechne man damit, 25- bis 30.000 der 65.000 Quadratmeter Mietfläche im Gebäude vergeben zu haben.

In Endverhandlungen sei man etwa zurzeit mit künftigen Mietern für Flächen mit jeweils rund 5000 Quadratmetern. Auch die Stadt ist kurz vor der Vertragsunterschrift für zusätzliche Schulungsräume für eine Rettungssanitäter-Ausbildung bei der Feuerwehr. Das Interesse an der Parkstadt sei groß, sagt Tragatschnig. Dass nun der städtebauliche Entwurf gekürt sei, werde dem Ganzen sicher noch einen zusätzlichen Schub geben.