Mülheim. In der Serie „Berühmte Mülheimer“ stellen wir Hugo Stinnes vor, einer der mächtigsten Industriellen seiner Zeit. Beginn und Ende eines Imperiums.

Hugo Stinnes bezeichnete sich gern als Kaufmann aus Mülheim. Seine Zeitgenossen sagten von ihm, er sammle Unternehmen wie andere Leute Briefmarken und sei der König von der Ruhr. Neben August Thyssen war der am 12. Februar 1870 in Mülheim geborene Enkel von Mathias Stinnes der berühmteste und erfolgreichste Mülheimer Industrielle seiner Zeit. Innerhalb weniger Jahre machte er aus einem kleinen Unternehmen mit einem Angestellten einen internationalen Konzern.

Nach seinem Abitur an der heutigen Karl-Ziegler-Schule wäre Stinnes gern Chemiker geworden, absolvierte aber pragmatisch eine kaufmännische Ausbildung und studierte Bergbauwesen. Als Student fuhr er selbst mit den Kumpeln auf der Heißener Zeche Wiesche ein. Damals arbeiteten 3000 Mülheimer im Bergbau. Nach dem Tod seines Vaters Hermann (1887) brach Hugo Stinnes seine Ausbildung ab und übernahm die Leitung des im Bergbau und im Kohlenhandel aktiven Familienunternehmens. Doch schon 1892 machte er sich mit der Gründung der Stinnes GmbH selbstständig.

Stinnes gab 600.000 Menschen Arbeit

Sein rascher wirtschaftlicher Erfolg in Deutschland und Europa wurde durch die finanzielle Unterstützung seiner Familie und eine industrielle Hochkonjunktur befördert. Die Stinnes GmbH wurde zu einem Konzern mit mehr als 1500 Unternehmensbeteiligungen und fast 3000 Standorten. In seinem Todesjahr 1924 arbeiteten 600.000 Menschen für Stinnes.

Die Zeche Wiesche: Hier war Hugo Stinnes als Bergbaustudent um 1890 selbst als Bergmann eingefahren. Später gründete er gemeinsam mit August Thyssen und  dem Bankier Gustav Hanau den Mülheimer Bergwerksverein und ließ mit der Colonie Wiesche in Heißen eine Bergmannssiedlung errichten.
Die Zeche Wiesche: Hier war Hugo Stinnes als Bergbaustudent um 1890 selbst als Bergmann eingefahren. Später gründete er gemeinsam mit August Thyssen und dem Bankier Gustav Hanau den Mülheimer Bergwerksverein und ließ mit der Colonie Wiesche in Heißen eine Bergmannssiedlung errichten. © Stadtarchiv Mülheim

Stinnes verdiente sein Vermögen mit Kohle und Stahl, im Handel, in der Bauwirtschaft, in der chemischen Industrie, im Transport- und Verkehrswesen, in der Ölindustrie und in der Hotelerie, als Verleger der Deutschen Allgemeinen Zeitung, mit der Produktion von Papier und Zucker und im Erzbergbau.

Stinnes zog auch in der Politik Fäden

Um 1900 gründete er mit August Thyssen den Mülheimer Bergwerksverein und das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk. Auch als Gründer der Montankonzerne Deutsch Luxemburg und Rheinelbeunion spielte der Kaufmann aus Mülheim in der ersten Liga der deutschen und europäischen Industriellen mit. Politisch war er ein wirtschaftsliberaler und konservativer Pragmatiker. Obwohl er der Republik kritisch gegenüberstand, handelte Stinnes nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Untergang der Hohenzollern-Monarchie mit den Gewerkschaften einen Tarifvertrag aus, der die Gewerkschaften legalisierte, den Achtstundentag einführte und das unternehmerische Privateigentum garantierte.

Stinnes hatte einmal gesagt: „Wäre ich als Arbeitersohn geboren worden, wäre ich sicher zum Arbeiterführer geworden.“ Doch der Unternehmer Stinnes zog als Abgeordneter 1920 für die von Gustav Stresemann angeführte Deutsche Volkspartei in den Reichstag ein. Außerdem gehörte er zur deutschen Delegation, die mit den Siegermächten des Ersten Weltkrieges die Reparationen Deutschlands verhandelte.

Der unerwartete Tod von Hugo Stinnes brachte den Konzern ins Schlingern

Viele Feinde machte sich der Unternehmer aus Mülheim, als er mit Rücksicht auf seine internationalen Kredite gegen die Reichsmark spekulierte und damit die Inflation ankurbelte. Im politischen Konsens bewegte sich Stinnes dagegen mit seiner Unterstützung des passiven Widerstandes gegen die französische und belgische Besetzung des Ruhrgebietes im Januar 1923.

Neben August Thyssen war Hugo Stinnes der berühmteste und erfolgreichste Mülheimer Industrielle seiner Zeit.
Neben August Thyssen war Hugo Stinnes der berühmteste und erfolgreichste Mülheimer Industrielle seiner Zeit. © Stadtarchiv Mülheim

Nachdem Hugo Stinnes am 10. April 1924 in Berlin an den Folgen einer missglückten Gallenblasenoperation mit 54 Jahren und damit im gleichen Alter wie sein Großvater Matthias, gestorben war, geriet sein Konzern schnell ins Schlingern. Teile des Unternehmens mussten an die Kreditgeber in den USA überschrieben werden. Auch wenn ein westdeutsches Bankenkonsortium unter Federführung der Kreditanstalt für Wiederaufbau die amerikanischen Firmenanteile nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zurückkaufte, konnten die Söhne des Hugo Stinnes nie wieder an den unternehmerischen Erfolg ihres Vaters anknüpfen.

Das Grab der Familie Hugo Stinnes auf dem Altstadtfriedhof in Mülheim.
Das Grab der Familie Hugo Stinnes auf dem Altstadtfriedhof in Mülheim. © WAZ | HÖPPING, Ilja

Aus unserer Serie „Berühmte Mülheimer“:

>>> Stinnes im Dritten Reich bis heute

  • 1965 wurde Stinnes ein Teil der Veba, die heute Teil des Energieversorgers EON ist. Seit 2003 gehört die Stinnes AG zur Logistiksparte der Deutschen Bahn.
  • Hugo Stinnes‘ Sohn Hugo Hermann (1897-1982) war mit seinen Unternehmungen nur zeitweise erfolgreich. Er gehörte zu den Industriellen, die im Februar 1933 einen drei-Millionen-Reichsmark-Fonds zur Unterstützung des NSDAP-Reichstagswahlkampfes auflegte.
  • 1952 stellte er den ehemaligen NS-Politiker und Juristen Werner Best als seinen Justiziar ein. Best, der während des Zweiten Weltkrieges unter anderem Reichsstatthalter im besetzten Dänemark gewesen war, setzte sich in der frühen Bundesrepublik für die Rehabilitierung ehemaliger Nationalsozialisten und für einen nationalliberalen Kurs der FDP ein.