Mülheim. In der Serie „Berühmte Mülheimer“ stellen wir Hermann Adam von Kamp vor. Der Literat kam zu späten Ehren. Was eine Kinderheldin damit zu tun hat.

Kennen Sie Hermann Adam von Kamp? Nein? Aber sein Gedicht „Alles neu macht der Mai“ haben Sie mit Sicherheit schon einmal gelesen, gehört oder gesungen. Dieses Lied hat der 1796 in Duisburg-Ruhrort geborene und ab 1813 in Mülheim lebende und arbeitende Dichter und Volksschullehrer 1818 geschrieben und 1829 veröffentlicht.

100 Jahre später ehrte der Geschichtsverein den Lehrer und Literaten, der 1867 in seiner Wahlheimat Mülheim verstorben war, im Witthausbusch mit einem Denkmal. Hermann Adam von Kamp schrieb sich nicht nur mit seinen Gedichten, Erzählungen und heimatgeschichtlichen Abhandlungen, etwa über das Schloss und die Herrschaft Broich, in die Herzen seiner Mülheimer Mitmenschen. Als Volksschullehrer in Broich und auf dem Kirchenhügel – zuletzt unterrichtete und wohnte er in der Rahmenschule an der Kettwiger Straße 62 – prägte er über 53 Berufsjahre ganze Generationen von Mülheimern.

Berühmter Mülheimer schrieb als Kind seiner Zeit fromm, erbaulich und patriotisch

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Dass er nicht nur unterrichtete, sondern auch schrieb und für die Bergleute der Zeche Wiesche einen Knappenchor gründete und leitete, hatte mit seiner eigenen Bildungsbiografie zu tun. Es waren Lehrer wie Gisbert Wens und Pfarrer wie Gerhard Paul Engels oder die Lektüre von Reformpädagogen wie Adolph Diesterweg, die den Sohn eines Malermeisters neugierig auf die Welt des Wissens machten, die seinen eignen Wissensdurst und den Wunsch, Wissen weiterzugeben, erweckten.

Ab den 1820er Jahren wurde aus dem Lehrer auch der Literat von Kamp. Er schrieb als Kind seiner Zeit fromm, erbaulich und patriotisch. Einer breiteren interessierten Öffentlichkeit wurde der Dichter und Pädagoge aus Mülheim posthum bekannt, als der Geschichtsverein 1966 einen Nachdruck seiner heimatkundlichen Schriften herausgab, in denen der Heimatforscher von Kamp auf den karolingischen Ursprung von Schloß Broich hingewiesen hatte.

Hermann Adam von Kamp gilt als „Heidis deutscher Vater“

Heimatdichter Hermann Adam von Kamp soll die Vorlage für den Kinderbuch-Klassiker Heidi geschaffen haben.
Heimatdichter Hermann Adam von Kamp soll die Vorlage für den Kinderbuch-Klassiker Heidi geschaffen haben. © Ingo Plaschke | Ingo Plaschke

Noch mehr Schlagzeilen machte der Poet aus dem Pott in den Jahren 2010 und 2011 als „Heidis deutscher Vater“, als der Germanist Peter Otto Büttner feststellte, von Kamps 1830 geschriebene Erzählung „Adelaide – Das Mädchen aus dem Alpengebirge“ habe der Autorin Johanna Spyri 1879 als Vorlage für ihren zum Welterfolg gewordenen Heidi-Roman gedient.

Aus unserer Serie „Berühmte Mülheimer“:

Hermann Adam von Kamp war von Reichtum und Welterfolg weit entfernt. Als Vater von zehn Kindern sah er sich finanziell dazu gezwungen, bei Geistlichen, Kaufleuten und Rechtsanwälten seiner Heimatstadt immer wieder um eine Druckkostenunterstützung für seine Bücher zu bitten und neben seinem Lehramt auch als Kantor der Petrikirche Geld hinzuzuverdienen. So musste der 1864 mit einem großen Volksfest und der Verleihung des preußischen Adlerordens geehrte Pädagoge und Poet bis zum letzten Atemzug seinem Beruf und seiner Berufung nachgehen.

Literat war als Lehrer tätig und beklagte übervolle Klassenräume und „Zügellosigkeit“

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71 Jahre alt, starb von Kamp am 26. November 1867, kurz nach Unterrichtsschluss, im Schulhaus an der Ecke Kettwiger Straße/Rahmenstraße. Seine Schüler hatten ihren Lehrer an seinem letzten Tag mit dem Lied „Wer weiß, wie nah mir mein Ende“ verabschiedet. In einem Nachruf des Schulvorstandes auf den am 29. November 1867 beigesetzten Hermann Adam von Kamp hieß es: „Bis zum letzten Atemzug seines Mundes lebte er seinen Beruf und war ihm die Schule Herzenssache.“

Von Kamp selbst hatte bereits zu Beginn seiner Mülheimer Lehrtätigkeit über seine Erfahrungen als Lehrer geschrieben: „Welch ein Unterschied in Hinsicht des Standpunktes der Schulen zwischen der von mir als Schüler erfahrenen und der nun als Lehrer angetretenen: Eine Überzahl von Kindern im engen Raum, eine Zügellosigkeit der Jugend ohnegleichen und nach der Tagesschule eine sehr stark besuchte Abendschule, dabei noch mehrere täglich abzuhaltende Privatstunden. Das hätte mich bei einer anderen inneren Einstellung bald vom Schulfache zurückschrecken lassen können, hätte ich bei meinem treuen Lehrer nicht die Elementarkenntnisse und Schriften kennengelernt, die mehr das Reale umfassten.“

Als Mülheimer Lehrer „in allen Familien bald Hausfreund“

Mülheims Stadtarchiv verwaltet den Nachlass des Schriftstellers Hermann Adam von Kamp.
Mülheims Stadtarchiv verwaltet den Nachlass des Schriftstellers Hermann Adam von Kamp. © WAZ FotoPool | Lars Fröhlich/Froehlich

Viel positiver und geradezu begeistert hatte der junge Lehrer von Kamp wenig später aber auch geurteilt: „Mir ging ein schönes neues Leben für mich auf. Mit Liebe kamen mir Eltern und Kinder entgegen. Von den Eltern wurde ich in der Autorität so unterstützt, dass die Kinder mir willentlich Gehorsam leisteten. In allen Familien wurde ich bald Hausfreund. Und welche angenehmen lehrreichen Unterhaltungen ich in vielen derselben genossen habe, dafür fühle ich mich noch zum herzlichen Dank verpflichtet.“

>> Hermann Adam von Kamp – „Alles neu macht der Mai“

Alles neu macht der Mai
macht die Seele frisch und frei
Lasst das Haus, kommt hinaus,
windet einen Strauß!
Rings erglänzet Sonnenschein
duftend pranget Flur und Hain
Vogelsang, Hörner
klangtönt den Wald entlang

Wir durchziehen Saaten grün
Haine, die ergötzend blüh’n
Waldespracht - neu gemacht
nach des Winters Nacht.
Dort im Schatten an dem Quell
rieselnd munter, silberhell
Klein und Groß ruht im Moos
wie im weichen Schoß

Hier und dort, fort und fort
wo wir ziehen Ort für Ort
Alles freut sich der Zeit
die verjüngt, erneut
Widerschein der Schöpfung blüht
uns erneuernd im Gemüt
Alles neu, frisch und frei
Macht der holde Mai.