Mülheim. Als Fürsprecherin eines modernen Frauenbildes setzte sich die Mülheimerin Helga Wex für Geschlechtergleichheit ein, auch über Mülheim hinaus.

Als die Mülheimer CDU-Stadträtin Helga Wex im April 1967 für den verstorbenen Alt-Bundeskanzler Konrad Adenauer in den Deutschen Bundestag einzog, sagte sie in einem Gespräch mit der Wochenzeitung Die Zeit: „Gleichberechtigung als Privileg ist ohne Belang. Sie hilft einer Frau nicht weiter, wenn sie sich nicht durch Leistung gegenüber den Männern durchsetzen kann. Ich bin in der Politik mit Männern immer dann am besten zurechtgekommen, wenn ich sie meine Vorstellungen und meine Unabhängigkeit unmissverständlich spüren ließ.“

Die Zeit vermutete, die damals 42-jährige Abgeordnete werde sich im Bundestag nicht mit der Rolle einer parlamentarischen Hinterbänklerin begnügen. Sie vermutete richtig. Die promovierte Geistes, Rechts- und Gesellschaftswissenschaftlerin, die ihre politische Karriere in den 1950er Jahren als Ministerialreferentin in der NRW-Landesvertretung beim Bund in Bonn begonnen hatte und 1961 für die CDU in den Mülheimer Stadtrat eingezogen war, sollte zu einer Spitzenpolitikerin ihrer Partei aufstiegen, als davon noch selten die Rede war.

Mülheimerin Helga Wex setzte neue Maßstäbe für Frauenrechte

Ende der 1960er Jahre und damit 50 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechtes und 20 Jahre nach dem Gleichberechtigungsversprechen des Grundgesetzes war es noch geltendes Recht, dass verheiratete Frauen, ohne die Zustimmung ihres Ehemannes weder einen Arbeitsvertrag unterschreiben, noch ein eigenes Konto eröffnen durften. Erst 1961 war mit Wex‘ Parteifreundin Elisabeth Schwarzhaupt erstmals eine Frau zur Bundesministerin ernannt worden. Eine Bundeskanzlerin oder Ministerpräsidentin war damals noch Zukunftsmusik.

Mit ihren Parlaments- und Parteitagsanträgen kämpfte Helga Wex für eine „partnerschaftliche Gesellschaft“.
Mit ihren Parlaments- und Parteitagsanträgen kämpfte Helga Wex für eine „partnerschaftliche Gesellschaft“. © Privat | Archiv

Die Zeit für Helga Wex war auf der Bundesebene insofern günstig, als dass ihre Partei nach 20 Jahren als Regierungspartei abgewählt worden war und sich in der Opposition erneuern musste. In der Zeit der Frauenbewegung war die Mülheimer Bundestagsabgeordnete als Bundesvorsitzende der Frauenunion sowie als stellvertretende Bundes- und Fraktionsvorsitzende für ihre Partei im besten Sinne des Wortes eine Frontfrau und Vordenkerin.

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Mit ihren Parlaments- und Parteitagsanträgen kämpfte sie für eine „partnerschaftliche Gesellschaft“, in der sich Frauen und Männer selbstverständlich und gleichberechtigt im Berufs- und Familienleben unterstützen und verwirklichen sollten. Auf ihre Initiative hin setzte der Deutsche Bundestag eine Enquete-Kommission ein und beschloss die Gründung eines Forschungsinstitutes, die Rolle und Rechte der Frauen in der modernen Gesellschaft dokumentieren und daraus gesellschaftspolitische und juristische Konsequenzen ableiten sollte.

Mit Jobsharing und Arbeitszeitmodellen ihrer Zeit voraus

Vieles von dem, was Wex vordachte, wie etwa das Erziehungsgeld, die Einrichtung von Gleichstellungsstellen, familienfreundlichen Jobsharing- und Arbeitszeitmodellen sowie die Einführung einer Partnerschaftsrente, die Familien- und Erwerbsarbeit gleich gewichtete und weiblich Altersarmut verhindern sollte, die Einrichtung eines Familienkabinetts und eines Gleichberechtigungsforums, um Deutschland frauen- und familienfreundlicher zu machen, wurde nur zum Teil und erst nach ihrem Krebstod am 9. Januar 1986 Wirklichkeit.

Obwohl die zweifache Mutter und dreifache Schattenministerin Helga Wex mit ihrer politischen Arbeit und mit ihrem Lebensbeispiel ihre Partei auch in der weiblichen Mitte der Gesellschaft ankommen ließ, verweigerte ihr der christdemokratische Bundeskanzler Helmut Kohl 1982 ein Ministeramt in seiner Regierung und berief sie stattdessen zur Koordinatorin für die deutsch-französischen Beziehungen. Als Staatssekretärin in die Bundesregierung einzutreten, lehnte sie ab, weil sie als Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion mehr Handlungsfreiheit für sich sah.