Mülheim. Der Autodidakt und Historiker Rudolf Op Ten Höfel verstarb vor 50 Jahren. Der Stadt Mülheim hinterließ er aber einen großen historischen Schatz.

Stellen Sie sich vor, man würde das Schloß Broich abreißen, um mehr Platz für den Autoverkehr zu schaffen. Unvorstellbar! Unvorstellbar waren diese Pläne, die in den 1960er Jahren tatsächlich erwogen wurden. Auch für den Mülheimer Heimatforscher Rudolf Op Ten Höfel, der vor 50 Jahren gestorben ist.

Der gelernte Reifenmechaniker, der sich als Autodidakt zum führenden Heimatforscher seiner Heimatstadt entwickelte, wurde zusammen mit dem Mülheimer Geschichtsverein und dem damaligen Landeskonservator Professor Günther Binding sowie dem damaligen Leiter des Niederrheinischen Museums, Professor Dr. Fritz Tischler, in den 1960er Jahren zu den Rettern der spätkarolingischen Burg Broich, die im 17. Jahrhundert vom Broicher Grafen Wilhelm Wirich zum Schloss umgebaut wurde.

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Indem Rudolf Op Ten Höfel durch stadtgeschichtliche Führungen und Zeitungsberichte auf die historische Einzigartigkeit der im späten neunten Jahrhundert entstandenen Sperrburg an der Ruhr hinwies, trat er eine Bürgerbewegung los, an deren Ende Probegrabungen standen. Sie untermauerten seine Forderung nach einem Erhalt dieses besonderen Baudenkmals.

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Schloß Broich schlummerte vor 60 Jahren in einem Dornröschenschlaf. Es diente als Notunterkunft für Obdachlose und als Quartier für einen Schuhmachermeister. Rudolf Op Ten Höfel rückte Burg und Schloß Broich wieder in den Blick der Stadtgesellschaft. Die Mülheimer erkannten, welchen architektonischen und historischen Schatz sie in ihrer Stadt hatten. Das Schloss wurde nicht abgerissen, sondern erfuhr eine Renaissance. Wo einst die Normannen abgewehrt wurden, die Broicher Grafen residiert hatten und im 19. Jahrhundert die Villa Stöcker errichtet worden war, zog jetzt die Volkshochschule ein. Später wurde Schloß Broich zum repräsentativen Ort, an dem die Stadt ihre verdienten Bürger auszeichnete oder ihre Gäste offiziell willkommen hieß. Heute ist Schloß Broich nicht nur ein Museumsort, sondern auch Arbeitsplatz der Mülheimer Stadtmarketing- und Tourismus Gesellschaft und seit 1992 auch Teil der Müga.

Der Heimatforscher Rudolf Op Ten Höfel 1971 bei der Vorbereitung auf ein Interview.
Der Heimatforscher Rudolf Op Ten Höfel 1971 bei der Vorbereitung auf ein Interview. © oh | Mülheimer Geschichtsverein

Wer war der Mann, der dieses Schloss vor dem Abriss rettete? Rudolf Op Ten Höfel war kein Historiker, kein Wissenschaftler. Er war ein brillanter Autodidakt und ein leidenschaftlicher Mülheimer. 1908 wurde er in eine Mülheimer Kaufmannsfamilie hinein geboren. Nachdem sein Vater früh verstorben war, musste Rudolf Op Ten Höfel der Not gehorchen und im großelterlichen Betrieb eine Handwerksausbildung absolvieren. Danach arbeitete er als Reifenmechaniker und das nicht nur in Mühlheim, sondern auch in Kiel. Das Interesse an der Mülheimer Geschichte ging für Rudolf Op Ten Höfel auf seinem Familiennamen zurück. 1925 begann er mit der Familienforschung und fand heraus, dass seine Familie aus Flandern stammte und dass ihr Name so viel wie „auf dem Hügel“ bedeutete. Ausgehend von der eigenen Familiengesichte erstellte Rudolf Op Ten Höfel auf der Quellengrundlage der örtlichen Kirchenbücher Stammbäume alteingesessener Familien.

Mülheimer Familienforschung in NS-Zeit besonders gefragt

Bittere Ironie der Geschichte: Ausgerechnet der Nationalsozialismus verschaffte der von Op Ten Höfel betriebenen Familienforschung eine große öffentliche Beachtung. Denn nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten musste, wer im öffentlichen Dienst angestellt werden wollte, einen sogenannten Arier-Nachweis erbringen. Das bedeutete: Man musste nachweisen, keine jüdischen Vorfahren zu haben.

Op Ten Höfels historischer Spürsinn verschaffte ihm jetzt Anstellungen bei der Stadt und in Kirchengemeinden, aber auch private Familienforschungsaufträge. Doch der Zweite Weltkrieg riss ihn aus seiner Arbeit. 1941 wurde aus dem Zivilisten ein Soldat der deutschen Wehrmacht. Doch Rudolf Op Ten Höfel hatte Glück im Unglück. Seine kranken Bronchien verhinderten seinen Fronteinsatz. Stattdessen musste er für die Militärverwaltung arbeiten.

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Nach dem Krieg kehrte er zurück in die Stadtverwaltung und wurde dort ins Beamtenverhältnis übernommen. Dort arbeitete Op Ten Höfel unter anderem für das Sozial- und für das Grünflächenamt. Außerdem redigierte er das Mülheimer Jahrbuch. Nebenberuflich brachte er seine Leidenschaft in der Erforschung der Mülheimer Geschichte in zahlreichen Presseberichten zur Geltung. Außerdem hielt er stadtgeschichtliche Vorträge, lud zu stadtgeschichtlichen Spaziergängen ein und redigierte als stellvertretender Vorsitzender des 1906 gegründeten Geschichtsvereins dessen Zeitschrift. Außerdem gewann er für dessen monatlichen Vorträge zahlreiche Referenten.

Mülheimer Rudolf Op Ten Höfel : Lobbyist der Erinnerungskultur

Für diese Zeitung schrieb Rudolf Op Ten Höfel in den 1950er Jahren die Artikelserien „Mülheim Früher und Heute“ und „Uss Mölm“. Seine stadtgeschichtliche Öffentlichkeitsarbeit schuf die Grundlage für die Broicher Schloss-Rettung, die Mitte der 1960er Jahre Fahrt aufnahm. Als Lobbyist einer lebendigen Erinnerungskultur trotzte der 1968 von der Bürgergesellschaft Mausefalle mit dem Jobs ausgezeichnete und 1972 als Mitglied in die Gesellschaft für Rheinische Geschichte aufgenommene Heimatforscher dem geschichtsvergessenen Zeitgeist im Nachkriegsdeutschland, in dem viele nur an heute und morgen, aber nicht an gestern denken wollten.

In der Nazi-Zeit war Op Ten Höfels Ahnenforschung besonders gefragt,
In der Nazi-Zeit war Op Ten Höfels Ahnenforschung besonders gefragt, © oh | Mülheimer Geschichtsverein

Auch die Restaurierung des Saarner Klosters, dessen Geschichte bis ins Jahr 1214 zurückreicht, hatte Rudolf Op Ten Höfel schon im Blick. Doch an dieser von den Saarner Klosterfreunden in den Jahren 1979 bis 1989 geleistete Erinnerungsarbeit konnte der am 14. August 1972 verstorbene Rudolf Op Ten Höfel nicht mehr teilnehmen. Und auch das war eine Ironie seines zu kurzen Lebens. Erst in seinem Todesjahr leistete sich seine Heimatstadt ein Stadtarchiv.

Vieles von dem, was Rudolf Op Ten Höfel über Jahrzehnte in Wort und Bild über die Geschichte seiner Heimatstadt zusammengetragen hatte, machte sein Sohn, der Journalist Klaus Op Ten Höfel (1939-1981) in den 1970er-Jahren der stadtgeschichtlich interessierten Öffentlichkeit in den Bildbänden „Mülheim, wie es war“ und als „Kleine Geschichte Mülheims“ in einem Heft des Geschichtsvereins zugänglich.

Der damalige Vorsitzende des Geschichtsvereins, Dr. Horst Arnold, würdigte seinen vor 50 Jahren verstorbenen Stellvertreter, in dem er in einem Nachruf auf Rudolf Op Ten Höfel schrieb: „In herzlicher Dankbarkeit sei dem nimmermüden Einsatz Rudolf Op Ten Höfels gedacht. Ihm war kein Weg zu weit. Uneigennützig hat er seine Zeit in den Dienst der heimatkundlichen Sache gestellt. Lebendig hat er die Geschichte unserer Heimat erforscht und das Wissen darüber breiten Schichten der Bevölkerung vermittelt. Er fehlt uns, den heimatkundlichen interessierten Bürgern unserer Stadt. Er hinterlässt eine Lücke, die nicht zu schließen ist. Mit dem Tod Rudolf Op Ten Höfels endet für den Geschichtsverein eine seiner fruchtbarsten Zeiten.“

>>> Führung im Schloss Broich

„Rudolf Op Ten Höfel und die tausendjährigen Mauern: Schloss Broich - wiederentdeckt, ausgegraben, neuerrichtet - ein gerettetes Baudenkmal von überregionaler Bedeutung“. Unter diesem Motto laden Günther Frassunke und der Mülheimer Geschichtsverein am 50. Todestag Rudolf Op Ten Höfels, Sonntag, 14. August, um 11 Uhr zur Führung durch das Historische Museum auf Schloss Broich (Von-Graefe-Straße 37)