Mülheim. Mülheims Medl hat 50.000-fach neue Abschläge für Gas und Strom verkündet. Viele Kunden sind erschrocken. Was Wettbewerber für Tarife bieten.
Zum April hat Mülheims Gas- und Stromversorger Medl seinen Kundinnen und Kunden auf Euro und Cent genau mitgeteilt, was die exorbitant gestiegenen Energiepreise und die von der Bundesregierung entgegengestellten Preisbremsen ab sofort für monatliche Abschläge bedeuten. Die Verbraucherzentrale rät, auch wieder nach alternativen Tarifen Ausschau zu halten. Denn so ließen sich mitunter wieder mehrere hundert Euro im Jahr sparen.
Das Beispiel eines Medl-Kunden von der Heimaterde zeigt, dass spätestens jetzt Ernst ist mit der Energiepreisexplosion. Sie drückt aufs monatliche Budget der Verbraucher. Jener Bürger bewohnt mit seiner vierköpfigen Familie eine Doppelhaushälfte am Humboldthain. Für das Beheizen und die Warmwasseraufbereitung seines Altbaus in der ehemaligen Zechensiedlung prognostiziert die Medl einen Jahresverbrauch von 23.181 Kilowattstunden (kWh) Gas.
Gas: Mülheimer Haushalt sollte nun einen Abschlag von 336 statt 140 Euro zahlen
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Ohne Gaspreisbremse würde der Medl-Kunde dafür bei einem Kilowattstundenpreis von 14,45 Cent und einem Grundpreis von monatlich 17,12 Euro im Jahr 3555,09 Euro zahlen müssen. Da der Staat für 80 Prozent des Verbrauchs einen Gaspreisdeckel von zwölf Cent/kWh garantiert, kommt er am Ende auf 3101,94 Euro Jahreskosten für seinen Medl-Tarif. Der Staat entlastet ihn hierbei um 453,15 Euro. Rechnet man die Jahreskosten in Höhe von 3101,94 Euro auf den Monat um, so käme ein Abschlag von 258,50 Euro heraus. Zuvor hatte der Musterkunde 140 Euro gezahlt – und seine Abschlagszahlung trotz Preiserhöhung im Januar auch nicht angepasst. Zum Ausgleich verlangte die Medl von ihm nun ab Mai gar einen Abschlag von 336 Euro – also fast 2,5-mal so viel wie zuvor.
Das veranlasste den Bürger von der Heimaterde, bei der Medl zu kündigen und sich am Markt umzuschauen nach günstigeren Tarifen, die es tatsächlich mittlerweile wieder gibt, nachdem der Wettbewerb im vergangenen Jahr wegen der Marktunsicherheiten fast komplett zum Erliegen gekommen war. Beim Vergleichsportal Verivox.de finden sich wieder deutlich günstigere Tarife als der benannte Medl-Tarif, etwa der „Ruck Zuck Basis“, ein Tarif einer Tochtergesellschaft der Stadtwerke Pirna. Mit diesem könnte der Musterhaushalt von der Heimaterde mehr als 850 Euro im Jahr günstiger fahren. Insbesondere der Kilowattstunden-Preis liegt hier mit 8,95 Cent deutlich unter den 14,45 Cent der Medl.
Expertin der Verbraucherzentrale rät Kunden zum Preisvergleich
Christina Wallraf, Referentin für den Energiemarkt bei der Verbraucherzentrale NRW, rät Haushalten aktuell zu Preisvergleichen, um den eigenen Geldbeutel zu entlasten, aber auch den Staat vor unnötigen Ausgaben zu verschonen. Doch Wallraf mahnt zur Vorsicht: „Bei jedem Wechsel sind die potenziellen neuen Anbieter zu überprüfen: Gab es in der Vergangenheit bereits Probleme mit einem Anbieter?“ In der Regel lasse sich über eine kurze Internet-Recherche herausfinden, welche Anbieter womöglich seriös und welche weniger seriös unterwegs sind.
Wer die vergangenen Tage von der Medl auch seine neuen Monatsabschläge für die Stromlieferungen bekommen hat, könnte auch ins Grübeln geraten, ob ein Anbieterwechsel sich rechnen kann. Wieder ein Blick auf den Kunden auf der Heimaterde, dessen Stromverbrauch die Medl für dieses Jahr auf 5285 kWh prognostiziert; laut Einschätzung der Verbraucherzentrale übrigens wie beim Gas „ein überdurchschnittlich hoher Verbrauch“, der womöglich auch Potenziale für Energieeinsparungen biete.
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Auch beim Strom lassen sich durch einen Anbieterwechsel mehrere hundert Euro sparen
Besagter Kunde würde ohne Strompreisbremse bei einem Kilowattstundenpreis der Medl von 42,84 Cent und einem Grundpreis von monatlich 10,71 Euro im Jahr 2392,61 Euro zahlen müssen. Mit dem staatlichen Strompreisdeckel von 40 Cent/kWh kommt der Kunde am Ende auf 2272,54 Euro Jahreskosten für seinen Medl-Tarif. Der Staat entlastet ihn um 120,07 Euro im Jahr.
Das Vergleichsportal Verivox.de zeigt auch hier deutlich preiswertere Alternativen auf. Der Hamburger Discount-Anbieter Spar-Fuxx bleibt für die gleiche Jahresmenge Strom gar unter 1800 Euro; wird aber durchaus kritisch von Kunden bewertet, zeigt eine Internet-Recherche. Alternative könnte da etwa der Energieverbund Mittelrhein sein, dessen Gesellschafter neben anderen kommunalen Unternehmen die Stadtwerke Koblenz und die Thüga AG sind. Dieser Versorger verlangt „nur“ 1847,86 Euro und ist damit mehr als 400 Euro günstiger als der Tarif, den die Medl für den Familienvater von der Heimaterde vorhält.
Berater der Mülheimer Medl „müssen sich Beschimpfungen und Hasstiraden anhören“
Die Medl, die ihre Preise im vergangenen Jahr entgegen vieler Wettbewerber lange stabil und nicht exorbitant erhöht hatte, ist somit unter Druck geraten. Allein in der letzten Woche hätten 5000 Kunden angerufen, normalerweise seien es rund 2000 in einem ganzen Monat, so Vertriebschef Jan Hoffmann. „Die Telefonanlage ist mehrfach zusammengebrochen und unser E-Mailpostfach läuft über. Die Kundenbesuche vor Ort haben sich verzehnfacht.“ Man sei bemüht, jedem Kundenanliegen gerecht zu werden und alle Kunden individuell zu beraten. „Was wir feststellen müssen, ist, dass der Ton uns gegenüber sehr ausfallend geworden ist. Unsere Kollegen und Kolleginnen stehen jetzt seit über einer Woche im Feuer und müssen sich Beschimpfungen und Hasstiraden anhören“, so Hoffmann.
Er beklagt, dass Medien und Politik den Eindruck erweckt hätten, die Entlastung für Kunden falle größer aus. „Unsere gute Arbeit der letzten Jahre ist durch das Herumdoktern an der Preisbremse und der unkonkreten Ausgestaltung stark beschädigt worden“, so Hoffmann. Die Medl hätte sich eine einfachere Umsetzung gewünscht, etwa eine weitere Soforthilfe für Januar, Februar etc. ... Dies wäre beim Kunden merklich angekommen, „transparent und nachvollziehbar“.
Mülheims Medl kündigt Preissenkung zumindest beim Strom an
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Wird die Medl auch mit den Preisen runtergehen? „Wir beobachten den Markt natürlich sehr genau“, so Hoffmann. Er verwies aber erneut darauf, dass die Medl – anders als Discount-Anbieter – eine langfristig orientierte Beschaffungspolitik verfolge und drei Jahre in die Zukunft einkaufe, um die Preise möglichst stabil zu halten und den Mülheimerinnen und Mülheimern ein verlässlicher Versorger zu sein. Es sei „schade, dass immer nur eine Momentaufnahme wahrgenommen und nicht das große Ganze im Verlauf gesehen wird“, so Hoffmann.
Schon jetzt könne die Medl aber ankündigen, dass sie zum 1. Juli die Strompreise deutlich senken werde. Die Preisentwicklung bei Erdgas lasse sich derweil im Moment nicht final beurteilen. Hier gehe man aber auch von einer Kostenreduzierung aus, so Hoffmann.
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