Essen. Die Verbraucherzentrale NRW sieht Handlungsbedarf bei Themen wie Wärmestrom, Heizöl und Fernwärme. Viele Menschen seien verzweifelt.

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Post vom Energieversorger gehört derzeit in vielen Haushalten zum Alltag. Erst waren es Schreiben zu drastisch verteuerten Preisen für Strom und Wärme, jetzt kommen Brief hinzu, in denen die Stadtwerke sowie Strom- und Gaskonzerne höheren Abschlagsforderungen zu Papier bringen. Verbraucherinnen und Verbraucher können nun schwarz auf weiß sehen, wie stark ihre Kosten für Energie steigen – trotz der staatlichen Preisbremsen.

Christina Wallraf von der Verbraucherzentrale NRW berichtet im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“ von teils dramatischen Szenen in den Beratungsstellen. Viele Menschen seien „wirklich richtig verzweifelt, kurz vor dem Nervenzusammenbruch“, erzählt die Energieexpertin. Hilflosigkeit finde zuweilen Ausdruck in Äußerungen wie: „Ich nehme mir bald den Strick, ich weiß nicht weiter.“

Die heftig gestiegenen Preise für Strom, Gas und Fernwärme würden zahlreiche Menschen überfordern, sagt Christina Wallraf. Zunehmend werde bei Menschen, die nicht mehr zahlen können, der Strom abgedreht oder die Gaslieferung gestoppt. Die Fälle, die auf den Tischen der Verbraucherzentralen gelandet seien, häuften sich.

„Wichtig ist, dass die Menschen sofort ihren Versorger kontaktieren, wenn sie Zahlungsschwierigkeiten haben“, rät Wallraf. „Zudem sollen Betroffene prüfen, ob sie Anspruch auf staatliche Hilfeleistungen haben – wie zum Beispiel das seit Jahresbeginn erweiterte Wohngeld.“ Hilfe gebe es auch bei Schuldnerberatungsstellen von Kommunen.

Jedenfalls seien die Preisbremsen „leider kein Selbstläufer“, sagt Christina Wallraf. Ein Beispiel: Es gebe viele Fälle eines Energiediscounters, der in seinen Infoschreiben zu den Preisbremsen „viel zu hohe Abschläge“ berechne. Generell gelte: „Egal, bei welchem Anbieter man ist, Verbraucher sollten prüfen, ob die Versorger die Entlastung richtig umsetzen.“

„Beim Heizstrom Preisbremse zu hoch angesetzt“

Mit Blick auf Haushalte mit Nachtspeicher-Heizungen fordert die Verbraucherzentrale NRW Nachbesserungen bei den Energiepreisbremsen. „Beim Heizstrom ist die Preisbremse aus unserer Sicht zu hoch angesetzt“, sagt Energieexpertin Wallraf. „Sinnvoll wäre eine Preisbremse, die bei etwa 30 Cent pro Kilowattstunde greift.“ Derzeit wird der Strompreis generell ab 40 Cent pro kW/h gedeckelt, zumindest für den Basisbedarf, wie es die Bundesregierung nennt. Das heißt: Die Preisbremsen gelten für 80 Prozent des bislang durchschnittlichen Verbrauchs – gemessen am Vorjahr.

Heizstromtarife seien aus guten Gründen jahrelang günstiger als Haushaltsstrom-Tarife gewesen, so Wallraf. „Heizstromtarife auf Höhe der Haushaltsstrom-Preise sind aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar, denn für den Wärmestrom fallen unter anderem geringere Netzentgelte an.“ Die Verbraucherzentrale NRW

Podcast-Aufzeichnung für „Die Wirtschaftsreporter“ in Essen: Christina Wallraf von der Verbraucherzentrale NRW im Gespräch mit Wirtschaftsredakteur Ulf Meinke.
Podcast-Aufzeichnung für „Die Wirtschaftsreporter“ in Essen: Christina Wallraf von der Verbraucherzentrale NRW im Gespräch mit Wirtschaftsredakteur Ulf Meinke. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

erhalte viele Zuschriften aus Haushalten, in denen mit Strom geheizt werde. Trotz spezieller Tarife sei das Heizen mit Nachtspeicheröfen schon vor der Krise „die teuerste Art zu heizen“ gewesen, zudem seien die Wohnungen, um die es gehe, oft schlecht gedämmt. „Der Verzicht auf eine angemessene Preisbremse dürfte vor allem Haushalte mit einem ohnehin unterdurchschnittlichen Einkommen treffen“, gibt Christina Wallraf zu bedenken.

„Die Verärgerung ist groß – aus nachvollziehbaren Gründen. Die Heizstrom-Haushalte sind mehr oder weniger vergessen worden“, so Wallraf. „Wir hätten uns gewünscht, wenn die Bundesregierung eine niedrigere Preisbremse speziell für Heizstrom entwickelt. Dies ist bislang nicht geschehen. Daher sehen wir weiterhin Handlungsbedarf.“ In rund 400.000 NRW-Haushalten sind Nachtspeicher-Heizungen verbaut – ein Drittel aller Anlagen bundesweit.

„Preisformeln für die Fernwärme sind für Verbraucher nicht zu verstehen“

Kritisch blickt Energieexpertin Wallraf auch auf die Entwicklung bei der Fernwärme. Versorger wie die Essener Steag und der Energiekonzern Eon haben die Preise für Fernwärme stark angehoben. „Viele Preisformeln für die Fernwärme sind für Verbraucher nicht zu verstehen. Damit ist schwer nachvollziehbar, warum die Preise steigen“, sagt Christina Wallraf. „Die Preiserhöhungen bei der Fernwärme sind vielerorts massiv. Das ist auch daher problematisch, weil die Kunden, die auf Fernwärme angewiesen sind, in aller Regel keine Wechselmöglichkeit haben.“

Daher sollten nach Einschätzung der Verbraucherzentrale NRW die Behörden aktiv werden. „Meiner Ansicht nach sollten sich das Bundeskartellamt und die Kartellämter auf Landesebene die Preisentwicklung bei der Fernwärme genau anschauen“, fordert Wallraf. Der Ausbau der Fernwärme sei zu begrüßen, so die Energieexpertin, „es muss aber auch einen besseren Verbraucherschutz und eine häufigere Überprüfung der Preise geben“. Der Verbraucherschutz bei der Fernwärme sei bislang „deutlich schlechter als bei Strom oder Gas“, so gebe es beispielsweise keine Schlichtungsstelle, an die sich Verbraucherinnen und Verbraucher bei Problemen wenden könnten.

Unsicherheit rund um Entlastung beim Heizöl

Für Haushalte, in denen Wärme mit Heizöl erzeugt wird, fordert die Verbraucherzentrale NRW schnelle Klarheit zu finanziellen Hilfen durch den Staat. „Es ist bedauerlich, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher beim Heizöl und Pellets noch keine Entlastung beantragen können. Die Bundesregierung hat schon im Dezember eine Entlastung angekündigt. Doch wir wissen jetzt immer noch nicht genau, wann die Entlastung kommen soll. Das schürt Verunsicherung“, sagt Christina Wallraf. „Viele Menschen fragen sich: Habe ich womöglich Fristen für Anträge verpasst? Es wäre also gut, wenn es schnell Klarheit gibt.“

Der große Unterschied zu den Preisbremsen für Strom, Gas und Fernwärme sei: „Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen selbst aktiv werden, wenn sie staatliche Hilfen erhalten wollen.“ Bislang ist lediglich ein Eckpunktepapier der Bundesregierung bekannt – mit dieser Formel: Haushalte, die im Jahr 2022 mehr als das Doppelte im Vergleich zu 2021 für Heizöl gezahlt haben, sollen bei dem Betrag, der über die Verdoppelung hinausgeht, um 80 Prozent entlastet werden. Dabei soll die Entlastung mindestens 100 Euro betragen, aber nicht mehr als 2000 Euro. Wenn es Klarheit gebe und die Entlastung beantragt werden könne, will die Verbraucherzentrale NRW einen Rechner im Internet freischalten.