Mülheim. Nach dem Jahrhunderthochwasser müssen Camper an Mülheims Ruhr Auflagen strikt einhalten. Von illegaler Nutzung von Deichflächen ist die Rede.
Die Verunsicherung ist derzeit groß auf den Mülheimer Campingplätzen, die entlang des Ruhrufers liegen. Denn die Bezirksregierung pocht im Nachgang des massiven Hochwassers im Sommer 2021 jetzt auf die strikte Einhaltung von Vorschriften. Unklar ist, ob die Camper nahe des Saarner Deichs wie geplant um Ostern herum in die Saison starten können. Manche Betriebserlaubnis steht wohl auf dem Spiel.
Das verheerende Hochwasser im Juli 2021 hat auch Mülheim mit Wucht getroffen – Campingplätze entlang der Ruhr standen unter Wasser, mancher Wohnwagen trieb den Fluss hinunter, Menschen kamen gottlob nicht zu Schaden. Um bei künftigen Hochwasserereignissen besser gerüstet zu sein, pochen die Bezirksregierung Düsseldorf und die Stadt Mülheim nun darauf, dass die Camper an der Ruhr, die in Deichnähe oder in Überschwemmungsgebieten stehen, Vorschriften penibel befolgen. Stromanschlüsse jenseits des Deiches sind damit passé, auch Ausbauten wie etwa hölzerne Planken in Vorzelten sind verboten. Oberstes Gebot aber: Die betroffenen Campingplätze müssen binnen sechs Stunden komplett räumbar sein, sobald ein Hochwasser droht. Und: Der Saarner Deich muss geschützt bleiben.
Künftig gibt es wohl mehr Kontrollen auf Mülheimer Campingplätzen
„Die entsprechenden gesetzlichen Regelungen mit Ge- und Verboten gab es schon vor dem Hochwasser 2021“, heißt es auf Anfrage bei der Bezirksregierung Düsseldorf, die unter anderem auf die Deichschutzverordnung verweist. Doch die Einhaltung dieser gesetzlichen Vorgaben sei „nicht immer konsequent von den Betreibern beachtet und zum Teil von den zuständigen Stellen nicht intensiv genug kontrolliert worden“. Und auch Ulrike Marx, Leiterin der städtischen Stabsstelle Klimaschutz und Klimaanpassung, räumt ein: „Der Zustand dort ist über viele Jahre gewachsen.“ Jetzt seien Missstände aufgedeckt worden. Dazu zähle, dass der Campingbetrieb teils zu dicht an den Deichkörper, den es zu schützen gelte, herangerückt sei, mitunter gar Stromleitungen durch den Deich verlegt worden seien.
Um das zu unterbinden, sei gemeinsam mit der Stadt Mülheim ein Konzept erarbeitet worden, so die Bezirksregierung weiter, das Kontrollen verschärfe und Verstöße gegen die bestehenden Auflagen verfolge.
Beim Hochwasser im Juli 2021 sei erschwerend hinzugekommen, führt die Referentin weiter aus, dass die Plätze im Sommer viel intensiver genutzt werden als im Winter, wenn die Hochwasser normalerweise vorkommen.
Einer hat angesichts der Vorschriften bereits die Reißleine gezogen: Der Betreiber des Bauwagenhotels, Thomas Hagemann, hatte im Februar angekündigt, die fünf roten Bauwagen, die bislang an der Mintarder Straße mit direkter Anbindung zur Ruhr standen und als Übernachtungsmöglichkeit dienten, verkaufen zu wollen. Denn die Auflagen der Bezirksregierung Düsseldorf zum Schutz vor Hochwasser machten einen Betrieb für ihn unmöglich: „Den Platz innerhalb von sechs Stunden zu räumen, ist für uns nicht zu machen, denn die Bauwagen sind ja auch mit Terrassen und Möbeln ausgestattet.“ Sein Kanu-Verleih könne hingegen an Ort und Stelle bleiben, denn: „Die Boote kann ich bei drohendem Hochwasser in Nullkommanix wegholen.“
Eigentümer der Fläche, die als Campingplatz genutzt wird, ist verunsichert
Dass die Vorschriften jetzt strikter zu erfüllen sind, hält auch die Camper des Vereins Campingfreunde Ruhrtal aktuell in Atem. Der Platz mit 18 Plätzen liegt unweit des Mintarder Wasserbahnhofs im Schatten der Ruhrtalbrücke und vor allem: hinter dem Deich, dessen Schutzzonen intakt bleiben sollen. „Wir haben schon zwei Wohnwagen versetzt und die Schaukel weggeholt, denn die Grasnarbe soll nicht beschädigt werden“, sagt Lothar Giesen, der Eigentümer der Fläche. Jüngst hat es einen Ortstermin mit Vertretern der Stadt gegeben, der aus Giesens Sicht allerdings statt Antworten weitere Anforderungen geliefert habe, etwa, dass das Grundstück neu vermessen und für die Wohnwagen parzelliert werden muss. Zudem müsse ein Sachverständiger den Brandschutz prüfen.
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„Das sind neue Hürden“, ordnet Giesen ein, der betont, bemüht zu sein, um den Campingbetrieb weiter möglich zu machen. „Wir haben den Platz bereits entelektrifiziert, es gibt kein Stromkabel mehr.“ Auch das soll zum Schutz des Deiches dienen. Dabei wolle „der moderne Camper Strom haben“, weiß Giesen, der auf dem Platz groß geworden ist. Nun aber müssen die Campingfreunde Ruhrtal zurück zu den Wurzeln – ohne Strom aus der Steckdose. Giesen nimmt’s pragmatisch: „Ein Kühlschrank läuft auch auf 12 Volt.“
Oberstes Gebot: Der Deich in Mülheim darf durchs Campen nicht beschädigt werden
Dass der Deich unbeschädigt bleibt, liege übrigens in seinem ureigensten Interesse, betont Giesen, schließlich lebe er als Anwohner direkt dahinter. „Wir wollen alles einhalten, um den Betrieb zu gewährleisten.“ Ob sein Grundstück aber weiter die Duldung als Campingplatz bekommt, weiß Giesen aktuell nicht. Noch stünden die Ergebnisse der Ortsbegehung aus – „ob wir Ostern starten können, steht in den Sternen.“
Ein paar Hundert Meter weiter flussabwärts bei den Campingfreunden Haus Kron ist die Lage ähnlich: „Alles hängt derzeit davon ob, wie die Behörden entscheiden“, sagt Ralf Neitzel von Haus Kron, wo während der Saison rund 80 Wohnwagen zwischen Deich und Ruhrufer stehen. „Dass wir den Bereich schnell räumen können, haben wir bereits beim Hochwasser 2007 und auch in 2021 bewiesen“, sagt Neitzel. Wann er seinen Campern grünes Licht für die kommende Saison geben kann, weiß er aktuell nicht, eine zeitliche Perspektive habe weder die Stadt noch die Bezirksregierung in Aussicht gestellt. Bei den anderen betroffenen Campingplätzen Dicken am Damm und Staader Loch will man sich aktuell nicht zum Thema äußern, am Staader Loch heißt es nur: „Wir verhandeln noch, im April wissen wir mehr.“
Ulrike Marx, Leiterin der städtischen Stabsstelle Klimaschutz, macht deutlich, was als Nächstes passieren muss, damit dem Campingbetrieb nahe des Ruhrufers auch in diesem Sommer nichts im Wege steht: „Die Betreiber müssen Räumungskonzepte vorlegen.“ Ersichtlich müsse darin etwa sein, in welcher Reihenfolge, über welche Wege und mit welchen Maschinen die Campingwagen abtransportiert werden und wie die Besitzer zu erreichen sind. Denn, betont Marx: „Es geht um Gefahrenabwehr – auch für die Menschen, die hinter dem Deich leben.“