Mülheim. Sie hatte das Hochwasser voll erwischt: Betroffene aus Mülheim-Mintard warten vergeblich auf Maßnahmen, die Überschwemmungen künftig verhindern.

Ein Jahr nach dem verheerenden Hochwasser, das am 15. Juli 2021 auch Mülheim getroffen hat, kehrt allmählich Ruhe ein in der Mintarder Straße Durch die Aue. Die letzten Sanierungsarbeiten laufen und mit zwölf Monaten Abstand fragen sich die Anwohner: Was ist in der Zwischenzeit getan worden, damit sich solch eine Überschwemmung nicht wiederholt?

Noch immer sind Handwerker zugange im Haus von Fred Momm, der Estrich muss noch gelegt werden, noch ist die Heizung nicht ganz fertig. Geduldig zählt der Mintarder auf, was durch die Flut alles kaputt gegangen ist. Den Schaden beziffert er auf rund 220.000 Euro.

Nur als die Möhne-Talsperre bombardiert wurde, stieg das Hochwasser derart hoch

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Momm, Anfang 70, wohnt sein Leben lang an der Ecke August-Thyssen-Straße/Durch die Aue und sagt: „So ein Hochwasser hat es noch nie gegeben.“ Auch Willi Liesenberg, dem eines der Häuser gegenüber des Alpenbachs gehört und dessen Frau hier aufgewachsen ist, erzählt: „Nur als die Möhne-Talsperre im Zweiten Weltkrieg bombardiert wurde, ist das Wasser auch so hoch gestiegen.“ Als er sein Haus baute – Anfang der 70er Jahre – da „gab es das Szenario von solch einem Hochwasser gar nicht“, sagt Liesenberg. Sein Sachschaden: rund 135.000 Euro.

Bis ins Erdgeschoss waren die Häuser an der Mintarder Straße Durch die Aue überschwemmt, nachdem am 15. Juli 2021 die Ruhr und der Alpenbach über die Ufer getreten waren.
Bis ins Erdgeschoss waren die Häuser an der Mintarder Straße Durch die Aue überschwemmt, nachdem am 15. Juli 2021 die Ruhr und der Alpenbach über die Ufer getreten waren. © Liesenberg

Wie bloß, fragen sich die Mintarder heute, konnte es passieren, dass sie das Hochwasser so unvorbereitet getroffen hat? „Wären wir gewarnt worden, hätten wir zumindest noch etwas retten können“, meint Rainer Berns. Das Haus seiner Familie war bis ins Erdgeschoss vollgelaufen, musste in den vergangenen Monaten aufwendig entkernt und getrocknet werden. Kostenpunkt für die Sanierung: 140.000 Euro.

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„Die Feuerwehr muss doch den Ruhrpegel weiter oben am Flusslauf im Blick halten, dann hätten wir einen zeitlichen Vorsprung gehabt“, meint Momm und blickt zurück: „Es gab keine Lautsprecherdurchsagen oder ähnliche Warnungen.“

Mülheimer Anwohner bemängeln: Es gibt nicht genügend Schutz vor dem Hochwasser

Für den Ur-Mintarder liegt das Problem maßgeblich an der mangelnden Pflege der alten Gewässer im umliegenden Gebiet, die bei Starkregenereignissen das Wasser auffangen könnten. „Vieles davon ist verlandet oder versandet, wie der Alpenbach bei uns vor der Tür“, schildert Momm und erinnert an ehemalige Pläne, für Mintard eine Ruhr-nahe Umgehungsstraße zu bauen: „Die hätte auch einen Damm gebracht.“

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Hans-Jürgen Lilge hat eine ähnliche Idee: Der Malermeister wohnt an der August-Thyssen-Straße in einem uralten Fachwerkhaus. Auch sein Keller war vollgelaufen – materieller Schaden: rund 70.000 Euro. Damit das nicht noch einmal passiert, schlägt Lilge vor, eine Betonmauer zu bauen, entlang des Alpenbachs, so dass das Hochwasser keine Chance mehr habe, die Bebauung zu erreichen. Rainer Berns meint: „Dafür ist der Fluss ja mit Talsperren gestaut – eben, um ihn regulieren zu können.“ Geholfen hat ihnen das nicht an diesem 15. Juli 2021.

Hans-Jürgen Lilge wohnt in einem uralten Fachwerkhaus in Mülheim-Mintard. Nach dem Hochwasser im Juli 2021 musste er seine Kellerräume entkernen und sanieren.
Hans-Jürgen Lilge wohnt in einem uralten Fachwerkhaus in Mülheim-Mintard. Nach dem Hochwasser im Juli 2021 musste er seine Kellerräume entkernen und sanieren. © Bauer

Bis heute, so sagen die Betroffenen in Mintard, vermissen sie Zeichen und Maßnahmen, damit solch ein Hochwasser nie wieder passieren kann.