Mülheim. In Mintard hat sich das Wasser den Weg bis in Wohnzimmer gebahnt. Für die Anwohner kam das überraschend schnell. Sie retteten vor allem ihr Leben.

„Auf einmal kam das Wasser“, sagt Nicole Stachorra. Die Mintarderin wohnt in der Straße Durch die Aue, die besonders stark von den Überschwemmungen betroffen ist. In Minuten stand das Wasser knapp anderthalb Meter hoch – teils lief es in die Wohnzimmer, berichten die Anwohner. 15 Menschen, die bereits von den Wassermassen eingeschlossen waren, hat die Feuerwehr in Mintard mit einem Schlauchboot aus ihren Häusern gerettet.

Sie packen an, schleppen Möbel ins Freie, schieben Wasser aus Garagen, begutachten Schäden. Die Anwohner der Straße Durch die Aue retten, was zu retten ist an Tag 1 nach dem Jahrhunderthochwasser, das Mülheim am Donnerstag aushalten musste. Immer noch sind am Freitagmittag dutzende Feuerwehrleute damit beschäftigt, Wasser aus den Häusern zu pumpen – ein Einsatz, der noch andauern wird. Fred Momm lebt sein ganzen Leben lang in Mintard, an der Ecke August-Thyssen-Straße/Durch die Aue. Der 70-Jährige steht in Gummistiefeln in seiner Garage, noch immer reicht ihm das schlammige Wasser fast bis zum Knöchel, er stützt sich auf den Wischer und sagt: „So etwas habe ich in all den Jahren hier noch nicht erlebt.“

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So hoch kam das Wassern in Mintard noch nie

Sicher, Hochwasser habe es immer mal gegeben, auch bis zur Schwelle der Haustür habe es schon mal gestanden – Ende der 50er-Jahre war das und noch einmal beim Silvester-Hochwasser in den 90ern. Jetzt aber sei es „kaskadenartig“ in seinen Garten geflossen und habe das Erdgeschoss und die Kellerräume geflutet. „Die Wohnung stand leer und sollte im August neu bezogen werden. Was jetzt wohl mit der Fußbodenheizung ist?“ Viele Fragen sind für Momm offen, etwa auch die, ob vielleicht weiter oben am Lauf der Ruhr die Talsperren früher hätten entlastet werden müssen, damit das Wasser in Mülheim nicht mit solch einer Wucht ankommt.

Das Haus von Thomas und Nicole Stachorra in Mintard steht unter Wasser. Wann sie die Räume wieder nutzen können, ist völlig unklar.
Das Haus von Thomas und Nicole Stachorra in Mintard steht unter Wasser. Wann sie die Räume wieder nutzen können, ist völlig unklar. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Die Rasanz der Fluten hat auch Nicole und Thomas Stachorra mehr als überrascht. „Innerhalb von fünf Minuten ist das Wasser um einen halben Meter gestiegen“, schildert Nicole Stachorra und zeigt an der Hauswand die Höhe der Schlammspuren. Drei, vier größere Möbel haben sie noch auf Tische retten können, die Elektronik aber, der Server, die Fernseher, die Computer – alles im Wasser versunken. „Ich schätze den Schaden bei uns auf 25.000 bis 30.000 Euro“, sagt Thomas Stachorra am Freitagmittag nach einer ersten Begehung.

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Per Schlauchboot sind die Mintarder evakuiert worden

Die Nacht hat das Ehepaar in der Ferienwohnung von Bekannten verbracht, am Donnerstag waren sie per Schlauchboot von der Feuerwehr evakuiert worden, denn ihr Haus war schon von den Wassermassen umschlossen. Genau wie ihre Nachbarn, wussten sie sich keine andere Hilfe mehr, als die Feuerwehr zu alarmieren. Wie lange es dauern wird, bis die betroffenen Etagen ihres Hauses wieder bewohnbar sein, wann die Schäden behoben sein, ja, wann sie überhaupt erstmal wieder Strom haben werden, die Stachorras zucken mit den Schultern. Alles Nebensache, sagt der Mintarder: „Nichts ist so wichtig, als dass wir am Leben sind.“

Bernd Jürgens (41) steht am Freitag auf der Terrasse seines Hauses an der Straße Durch die Aue in Mintard. Keller und Erdgeschoss wurden am Vortag vom Hochwasser geflutet.
Bernd Jürgens (41) steht am Freitag auf der Terrasse seines Hauses an der Straße Durch die Aue in Mintard. Keller und Erdgeschoss wurden am Vortag vom Hochwasser geflutet. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Wie es in den nächsten Tagen, gar Wochen weitergeht, weiß auch Bernd Jürgens längst noch nicht. Der 41-Jährige lebt mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern in dem Eckhaus, direkt vis-a-vis des Alpenbaches – für gewöhnlich ein friedliches Rinnsal. Auf der anderen Seite liegt der Sportplatz der DJK BW Mintard. Am Donnerstag dann stieg und stieg der Bach, hat Jürgens beobachtet, zudem wälzten die Wassermassen über den gegenüberliegenden Acker heran.

Erst lief sein Keller randvoll, berichtetet der Familienvater, schließlich stand das Wasser im Wohnzimmer. Jürgens bilanziert: „Das ist ein Totalschaden – die Elektrik ist hin, die Heizung auch, wahrscheinlich muss der Putz runter.“ Am Samstag komme der Container, dann geht das Aufräumen weiter. „Ich hoffe, dass die Schadensregulierung klappt“, spricht der 41-Jährige wohl auch den anderen Anwohnern aus der Seele.

Eine Fotostrecke mit Bilder von der Hochwassersituation finden Sie hier!