Mülheim. Auch fünf Monate nach dem verheerenden Hochwasser haben die Gerkes aus Mülheim-Mintard noch keine Wohnung. Welche Perspektive das Ehepaar hat.
Sie lächelt, nein – sie strahlt sogar. So glücklich hat Doris Gerke wohl lange nicht mehr ausgesehen. Zumindest nicht mehr, seit die immensen Wassermassen beim Hochwasser Mitte Juli ihre Souterrainwohnung in Mintard verwüstet haben. Die Gerkes hatten nichts mehr – nicht mal mehr eigene Unterwäsche. Ein Wohnwagen war über Monate ihr provisorisches Heim. Im neuen Jahr aber, da bekommen die Gerkes ein neues Zuhause.
Noch sind die Wände kahl, noch huschen Handwerker durchs Haus, es gibt weder Küche noch Wohnzimmermöbel – aber immerhin eine funktionierende Toilette. Auch das war für das Ehepaar Gerke nach dem verheerenden Hochwasser, das auch Mülheim am 15. Juli hart traf, keine Selbstverständlichkeit.
Mülheimer Flutopfer bleibt im Wohnwagen – damit der Kater nicht umziehen muss
Auch interessant
Und obwohl noch viel zu tun ist, bis sie richtig einziehen können, kann Doris Gerke es kaum fassen, dass sie und ihr Mann in Mintard, dem Ort, in dem sie sich so verwurzelt fühlen, ein neues Zuhause gefunden haben.
Übergangsweise in leergezogener Wohnung
Seit Anfang Dezember ist Doris Gerke nicht mehr permanent auf den Wohnwagen angewiesen. Sie kann in einer freigewordenen Wohnung schlafen, die in einem der oberen Geschosse des Hauses liegt, in dem sie vor dem Hochwasser im Souterrain gewohnt hat. Dort kann sie mit ihrem Kater bis Ende Januar bleiben.
Dann, so hofft die Rentnerin, in das Haus gegenüber, das sie zusammen mit ihrem Mann anmietet, umziehen zu können. Komplett beendet sein wird die Sanierung dann aber noch nicht – dafür rechnet Vermieter Willi Liesenberg mit März.
Nicht nur für die Gerkes ein Glücksfall, sondern auch für ihren betagten Kater Goliath. Für ihn, für Goliath, ist Doris Gerke nach dem Hochwasser geblieben – hat im Wohnwagen in der Einfahrt gewohnt, während ihr Mann in eine kleine Wohnung im Mintarder Ortskern ausgewichen ist. Dass aber der 15 Jahre alte Goliath sich auf seine alten Tage noch mal neu eingewöhnen muss – das kam für Doris Gerke nicht infrage. „Wir haben es probiert in der Wohnung, in der mein Mann wohnt, aber da ist der Kater die Wände hochgegangen.“
Auch interessant
Also kommt sie zurück in die Straße „Durch die Aue“ und zieht in den Wohnwagen, der für Goliath nahezu immer offen ist. Für verrückt hat sie von den Nachbarn niemand erklärt, erzählt Doris Gerke – im Gegenteil: „Sie haben mir Suppe vorbeigebracht und für Goliath Katzen-Leckerchen.“ Überhaupt sei die Hilfsbereitschaft groß gewesen, die Nachbarschaft sei zusammengerückt.
Die Nachbarn um sie herum renovieren ihre Häuser – in dem Haus aber, in dem Gerkes 18 Jahre lang zur Miete gewohnt haben, tut sich wenig. Dorthin zurückkehren? Keine Option. Also suchen sie eine ortsnahe Bleibe, mit der auch Goliath einverstanden wäre. Kein leichtes Unterfangen im kleinen Mintard, in dem es kaum Mietobjekte gibt. Und weg, in einen anderen Stadtteil, das können sich die Gerkes nicht vorstellen. Also bleibt sie im Wohnwagen, er in der kleinen Wohnung.
Mintarderin, die nach der Flut im Wohnwagen lebt, erfährt viel Gastfreundschaft
Nach Wochen kann Doris Gerke zumindest die Toilette des benachbarten Hauses nutzen, das auch stark vom Hochwasser betroffen war, leer steht und saniert wird. Als Dank für die Toiletten-Gastfreundschaft leert sie die Bautrockner.
Auch interessant
Blickt die 61-Jährige auf die Monate im Caravan zurück, sagt sie: „Im Sommer war das gut zu machen.“ Dann aber kommen Herbst und Winter: „Eines Nachts ist mir das Gas zum Heizen ausgegangen, da hab ich mit Mütze im Bett gelegen.“
Als Doris Gerke die schwärzesten Nächte durchlebt, bahnt sich indes eine Lösung an – und zwar gleich nebenan. Sie erfährt, dass das Haus, dessen Toilette sie benutzen darf, im neuen Jahr wieder vermietet werden soll. „Das können wir uns nie leisten“, sagt die Rentnerin noch zu ihrem Mann, der Kfz-Mechaniker ist. „Können Sie wohl“, bekräftigt indes Vermieter Willi Liesenberg, dem nach der rund 130.000 Euro teuren Sanierung an einem langfristigen Mietverhältnis gelegen ist. „Das ist wie ein Sechser im Lotto“, sagt Doris Gerke dankbar.
Ein halbes Jahr nach dem Hochwasser ins neue Zuhause
Ein halbes Jahr wird seit dem Hochwasser vergangen sein, wenn sie in ihr neues Zuhause einziehen können – Mitte Januar soll das Badezimmer fertig sein und vielleicht ein Zimmer, in dem sie schlafen können. Die Küche ist bestellt, auch ein Sofa ist geordert. „Alles andere kommt nach und nach. Ich werde für die Möbel auch zur Diakonie gehen müssen“, sagt Doris Gerke, deren Versicherung keinen Pfennig für den verlorenen Hausrat zahlt – sie hatten keine Elementarversicherung. „Wir fangen ja bei Null an. Alles war weg, von der Zahnbürste bis zum Löffel.“
Doris Gerke spricht von einem Alptraum, wenn sie von dem Hochwasser erzählt. Und von riesigem Glück, dass die Bewohner der Straße „Durch die Aue“ mit dem Leben davon gekommen sind. „Mein Mann ist noch mal zurück in unsere Wohnung geschwommen, um Unterlagen zu holen – und der Strom war noch an.“ Sie saß da schon mit Goliath im Katzenkorb im Schlauchboot der Feuerwehr. Den Alptraum kann Doris Gerke nun bald hinter sich lassen, schließlich geht ihr Traum in Erfüllung – der vom neuen Zuhause in Mintard.