Mülheim. Aufatmen in Mülheim: Karstadt im Rhein-Ruhr-Zentrum bleibt. Doch es wird hart. Die Betriebsratschefin sagt: „Sanierung ist immer katastrophal.“
Die Belegschaft der Karstadt-Arkaden im Rhein-Ruhr-Zentrum wurde am Montag emotional durchgeschüttelt. Alle wussten: Gegen Mittag kommt die gefürchtete Schließungsliste ans Licht. Eine außerordentliche Sitzung des Aufsichtsrates von Galeria Karstadt Kaufhof fand statt, bis dahin sollte der Sanierungsplan stehen. Gegen 14 Uhr erfuhren die Beschäftigten: Das Mülheimer Warenhaus bleibt. Doch 52 andere Filialen trifft es hart. Tausende Jobs gehen verloren.
So herrschte in den Mülheimer Karstadt-Arkaden nach der erlösenden Nachricht keine Partystimmung. Betriebsratsvorsitzende Andrea Grisail sagte: „Ich habe ein lachendes und ein weinendes Auge. Denn ich weiß ja, was die Entscheidung für die anderen bedeutet. Da sind 5000 Köpfe weg.“ Genauso gehe es allen anderen im Team: „Wir freuen uns, aber wir sind auch bedrückt, schließlich haben wir Freunde und Bekannte in anderen Häusern.“
Mülheimer Karstadt-Filiale hat noch 219 Beschäftigte
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Noch 219 Beschäftigte arbeiten bei Karstadt im Rhein-Ruhr-Zentrum, und auch für sie werde der Sanierungsplan einige Härten bringen, meint Andrea Grisail, die zugleich dem Gesamtbetriebsrat von Galeria angehört. „Sanierungsmaßnahmen sind immer katastrophal, kostengetrieben, mit dem Ziel, das Maximale aus dem Team herauszuholen.“ Auch in den verbleibenden Warenhäusern werde es Personalabbau geben.
Zumindest für die Mülheimer Filiale hätte es härter kommen können. Dort wurde der „Worst Case“ am Montag durchaus mitgedacht. In Fall einer schlechten Prognose wäre das Geschäft ab mittags für den Rest des Tages geschlossen worden. „In einem solchen Fall muss man den Emotionen freien Lauf lassen können“, so Andrea Grisail. Glücklicherweise war es dann nicht notwendig.
Rhein-Ruhr-Zentrum: Extreme Anspannung in den Karstadt-Arkaden
Es war ein Kraftakt für das Verkaufspersonal. In der Filiale begann der bang erwartete 13. März wie ein ganz normaler Arbeitstag. Um 10 Uhr öffnete das Warenhaus wie gewohnt, Personal war reichlich auf der Verkaufsfläche, Kundschaft wurde aufmerksam bedient, doch lächelnde Gesichter waren kaum zu sehen, ringsum bedrückte Mienen.
„Wenn man hier heute steht, denkt man schon dran“, sagte eine Verkäuferin am Morgen. Dass gegen Mittag die Entscheidung fällt, wusste sie und erwartete keine guten Nachrichten: „Selbst wenn wir bleiben, ist es traurig für die Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Filialen, von denen man ja auch viele Leute kennt.“
Mülheimer Betriebsratschefin: Wollten endlich eine Entscheidung
Am Freitag, vor einem weiteren quälenden Wochenende, hatte man der Mülheimer Betriebsratschefin Andrea Grisail anhören können, wie sehr die monatelange Unsicherheit an den Nerven und Kräften zehrt. Bei aller Sorge wolle man nun endlich eine Entscheidung haben, sagte die gestandene Gewerkschafterin. Nach den Filialgeschäftsführungen wurden am Montag die Mitarbeitenden – „meine Mädels und Jungs“ – als Erste informiert. „Wenn ich eine andere Entscheidung hätte erklären müssen, wäre für die Leute eine Welt zusammengebrochen“, so Andrea Grisail.
Für einige dürfte die Situation im März 2023 ein Flashback sein. Bereits vor knapp drei Jahren musste das Team eine vergleichbare Zitterpartie bestehen, ehe im Juni 2020 verkündigt wurde: Karstadt im Rhein-Ruhr-Zentrum darf bleiben. Damals hatten sich die Geschäftsführung und die Gewerkschaft Verdi auf einen Sanierungstarifvertrag für Galeria geeinigt.
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Mülheims Oberbürgermeister Marc Buchholz hatte sich kurz vor Weihnachten persönlich beim Galeria-Management für den Erhalt der Filiale im Rhein-Ruhr-Zentrum eingesetzt. In einem Brief an den Vorsitzenden der Geschäftsführung, Miguel Müllenbach, warb Buchholz mit der „optimalen Lage“ dieses Warenhauses mitten im Ruhrgebiet und stellte Modernisierungen des RRZ in Aussicht, die die Attraktivität des Standortes steigern würden.
Mülheimer OB spricht von einem „guten Tag“
Am Montag zeigte sich der OB erfreut über den Weiterbestand des Warenhauses. „Es ist ein guter Tag für die Beschäftigen“, so Buchholz, „aber auch für das Rhein-Ruhr-Zentrum und die neuen Investoren im Center, da dort ein starker Partner erhalten bleibt.“ Er hoffe nun, dass das Zukunftskonzept in der Gläubigerversammlung am 27. März dingfest gemacht werde. Diese hat das letzte Wort, um über den tiefgreifenden Sanierungsplan zu entscheiden.
Auch vonseiten des Centerbetreibers ECE wird der Erhalt der Mülheimer Karstadt-Arkaden mit Erleichterung aufgenommen. „Natürlich freuen wir uns über den geplanten Erhalt der GKK-Fläche in Mülheim“, teilte Regionaldirektor Alexander Crüsemann mit. „Gemeinsam mit dem Eigentümer werden wir in den nächsten Wochen im intensiven Austausch mit dem Mieter stehen, um die Weichen für eine hoffentlich erfolgreiche Zukunft zu stellen.“
Um den künftigen Weg, der die verbleibenden Warenhäuser nachhaltig stabilisiert, wird noch gerungen. „Wir brauchen ein ordentliches Konzept: Mehr Eigenständigkeit für jeden einzelnen Standort“, meint die Mülheimer Betriebsratschefin, „und Sortimente, die die Kunden vor Ort wirklich wollen.“ Mehr Selbstständigkeit für die Filialen hat Galeria-Chef Müllenbach am Montag in der Tat versprochen.
Karstadt-Kundin: „Für die armen Verkäuferinnen tut es mir leid“
Aus der langjährigen Kundschaft in Mülheim kommen auch kritische Stimmen: „Noch mal Geld reinzustecken, bringt nichts“, meint eine Karstadt-Kundin, die am Montag im Rhein-Ruhr-Zentrum unterwegs ist. „Da wurden schon genügend Steuergelder verschleudert.“ Das Konzept sei aus ihrer Sicht nicht ideal: Mehr Angebote für junge Leute müsse es geben, mehr günstige Alternativen neben hochpreisigen Artikeln. Ihr persönlich würde das Warenhaus, durch das sie gerade bummelt, nicht einmal fehlen. „Aber für die armen Verkäuferinnen tut es mir leid.“ Für die Karstadt-Beschäftigten in Essen, Dortmund, Gelsenkirchen oder Duisburg war es wirklich ein bitterer Montag. In Mülheim ging es noch mal gut.