Essen. Galeria schließt 52 Filialen, auch in Essen, Dortmund, Gelsenkirchen und Duisburg. Bochum, Mülheim, Duisburg und Oberhausen behalten je ein Haus.

Die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof steht vor massiven Einschnitten. Zur wirtschaftlichen Rettung des insolventen Essener Unternehmens sollen 52 der 129 Filialen geschlossen werden. Das teilte zuerst der Gesamtbetriebsrat am Montag mit. Nach Informationen unserer Redaktion, die das Unternehmen inzwischen bestätigt hat, schließen Essen und Dortmund Ende bis Januar 2024. Gelsenkirchen, Hagen, Kaufhof in Duisburg und Siegen schließen im Juni 2023. Im Ruhrgebiet verbleiben demnach Duisburg im Einkaufszentrum Forum, Mülheim, Bochum und Oberhausen erhalten.

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Von den gut 17.000 Arbeitsplätzen sollen nach Betriebsratsangaben rund 5000 abgebaut werden. Zumal von Stellenstreichungen nicht nur die Filialen auf der Schließungsliste betroffen sein werden. Sanierer Arndt Geiwitz hatte im Vorfeld stets betont, dass die Verkaufsflächen der 77 fortgeführten Warenhäuser verkleinert werden sollen und somit weniger Personal erforderlich sein werde. Überdies will Galeria 40 Prozent der Personalkosten in der Verwaltung einsparen. In der Essener Zentrale arbeiteten zuletzt 1200 Menschen. Aufgelöst werden soll die Dependance in Köln. In Verwaltung und IT sollen nach Unternehmensangaben 300 Arbeitsplätze wegfallen. Was aus den beiden Logistikzentren in Essen-Vogelheim und Unna passieren soll, blieb zunächst unklar.

Galeria: „Intensiv um jeden Standort gerungen“

„Das ist zweifellos heute für uns alle ein schwerer Tag. Wir haben in den vergangenen Wochen intensiv um jeden einzelnen Standort gerungen und sind in harte interne wie externe Gespräche gegangen“, sagte der Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz und zeigte sich zugleich zuversichtlich: „Die verbleibenden Filialen haben eine tragfähige wirtschaftliche Perspektive.“

Nach Worten von Galeria-Geschäftsführer Miguel Müllenbach sollen die Warenhäuser künftig mehr Eigenständigkeit erhalten. „Attraktive Gastronomie-Angebote und sinnvolle Ergänzungen wie Versicherungen, Schneidereien, Reinigungen oder Bürger-Services“ sollen Galeria künftig zum beliebten Treffpunkt in der Innenstadt“ machen. Im Ruhrgebiet kann das Ziel aber nur in Duisburg erreicht werden. Dortmund, Essen und Gelsenkirchen kehrt Galeria ganz den Rücken und in Bochum, Oberhausen und Mülheim ist der Konzern in Einkaufszentren an der Peripherie vertreten.

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Wie emotional der Schrumpfungsprozess für die Beschäftigten ist, bringt der Gesamtbetriebsrat zum Ausdruck: „Die Stimmung in der Belegschaft ist auf dem Tiefpunkt“, heißt es in einer Erklärung. „Die negativen Auswirkungen dieser Entscheidungen müssen, wie bereits in den Sanierungen davor, in hohen Maßen die Belegschaft ausbaden.“

Immerhin können die Arbeitnehmervertreter aber dennoch einen Pluspunkt für sich verbuchen. „Ursprünglich bedroht von Schließungen waren anfangs 81 Filialen. Durch intensive Verhandlungen ist es gelungen, diese Anzahl zu reduzieren“, blickt der Gesamtbetriebsrat zurück. Auch die Galeria-Reisebüros sollen den Angaben zufolge unbeschadet aus der Sanierung hervorgehen. In der Sparte werde aktuell sogar Personal gesucht.

Harter Sanierungsplan dem Aufsichtsrat vorgelegt

Nachdem seit Wochen vor allem mit Vermietern über günstigere Konditionen verhandelt worden war, sollte dieser 13. März endlich auch Klarheit für die völlig verunsicherten Beschäftigten bringen. Noch bis zum Vormittag lag der Sanierungsplan für die Warenhauskette dem Vernehmen nach zur Abstimmung beim Signa-Team des Eigentümers René Benko in Wien. Für zwölf Uhr waren die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Filialen und andere Führungskräfte des Konzerns zu einer Videokonferenz einbestellt. Danach sollte die Belegschaft informiert werden. Für 14 Uhr war eine Sitzung des Galeria-Aufsichtsrats anberaumt.

Ob das an diesem schwarzen Montag vorgelegte Konzept, das ein Überleben Galerias mit 77 Filialen vorsieht, tatsächlich auch zum Tragen kommen wird, hat allerdings die Gläubigerversammlung zu entscheiden. Sie wurde für den 27. März in die Messe Essen einberufen. Die Galeria-Geschäftsführung um Miguel Müllenbach und der Sanierer Arndt Geiwitz versuchen im Vorfeld, Druck auf die Gläubiger wie die Bundesregierung, die Agentur für Arbeit, Lieferanten, Versicherungen, aber auch auf den Gesamtbetriebsrat auszuüben.

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„Bei Planablehnung wird der Geschäftsbetrieb unmittelbar einzustellen sein“, heißt es in den Unterlagen zum Insolvenzplan, aus denen die „Lebensmittelzeitung“ zitiert. Die Galeria-Spitze will damit offenbar das Signal senden, dass die Substanz des Unternehmens äußerst gering sei. Die „freie Masse“, die an die Gläubiger verteilt werden könne, betrage gerade einmal 301,4 Millionen Euro, schreibt das Blatt. Beim Insolvenzverfahren vor drei Jahren hatten die Gläubiger zusammen auf Ansprüche in Höhe von zwei Milliarden Euro verzichtet.

Insolvenz 2020 hat Galeria nicht nachhaltig saniert

Nach der Schließung von 40 Filialen galt Galeria Ende 2020 als schuldenfrei, geriet wegen der Corona-Pandemie alsbald aber erneut ins Schleudern. Ein wichtiger Grund: Das Traditionsunternehmen kommt bei der Digitalisierung seines Geschäfts nicht voran. Im Geschäftsjahr 2021/22 (30. September), dessen Bilanz noch nicht veröffentlicht ist, konnte der Warenhauskonzern seinen Umsatz laut „Lebensmittelzeitung“ zwar von 2,1 auf 2,45 Milliarden Euro steigern. Der Anteil des Online-Geschäfts betrug aber gerade einmal sechs Prozent. Zu wenig für ein Unternehmen, das für sich in Anspruch nimmt, auf allen Verkaufskanälen präsent zu sein.

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Zu den Gläubigern gehören im Übrigen auch die Beschäftigten, die wenig zu erwarten haben, wenn sie ihre Arbeitsplätze verlieren. Der zwischen Galeria und Gesamtbetriebsrat ausgehandelte Interessenausgleich sieht vor, dass die Betroffenen gerade einmal zwei Monatsgehälter als Entschädigung erhalten, maximal jedoch 7500 Euro. Wer sich gegen die Abfindung entscheidet erhält die Möglichkeit, in eine Transfergesellschaft zu wechseln, um sich darin ein halbes Jahr lang qualifizieren zu lassen.

Verdi will Schließungsliste „genau prüfen“

Bis zu 5000 Stellen werden dennoch für immer wegfallen. „Für die Beschäftigten ist das mehr als eine bittere Nachricht. Tausenden Kolleginnen und Kollegen wird mit den Schließungen die Existenzgrundlage entzogen und daher kann ich den Unmut von denen mehr als nachvollziehen“, sagt Orhan Akman, Kandidat für den Verdi-Bundesvorstand und Mitglied im Galeria-Aufsichtsrat. „Diese Massenentlassung trifft und schwächt auch sehr unsere Gewerkschaft Verdi bei Galeria, weil dadurch viele unserer Mitglieder betroffen sein werden.“

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Die Gewerkschaft Verdi selbst kündigte an, sie wolle nun die vorgelegte Schließungsliste genau prüfen, um nach Möglichkeiten zu suchen, um einige der Filialen doch noch zu erhalten. Auf diese Weise konnten im Insolvenzverfahren vor drei Jahren noch einige Warenhäuser, die zur Schließung anstanden, in letzter Minute durch politische Moderation gerettet werden. Die Erinnerungen sind den Galeria-Beschäftigten aus Essen und Dortmund noch in guter Erinnerung. Ob es ein zweites „Wunder“ geben wird, ist indes völlig offen.

>>> Wann welche Galeria-Filialen schließen

Bis zum 30. Juni 2023: Celle, Coburg, Cottbus, Duisburg, Erlangen, Gelsenkirchen, Hagen, Hamburg-Wandsbek, Hamburg-Harburg, Leipzig Neumarkt, Leverkusen, München Bahnhof, Neuss, Nürnberg, Nürnberg-Langwasser, Offenbach, Paderborn, Regensburg Neupfarrpfalz, Saarbrücken, Siegen, Wiesbaden.

Bis zum 31. Januar 2024: Bayreuth, Berlin-Charlottenburg, Berlin-Müllerstraße, Bielefeld, Braunschweig, Bremen, Darmstadt, Dortmund, Düsseldorf Schadowstraße, Essen, Esslingen, Frankfurt Zeil, Hanau, Heidelberg Bismarckplatz, Hildesheim, Kempten, Krefeld, Leonberg, Limburg, Lübeck, Mönchengladbach, Oldenburg, Pforzheim, Reutlingen, Rosenheim, Rostock, Schweinfurt, Siegburg, Stuttgart-Eberhardt-Straße, Viernheim, Wuppertal.