Mülheim. Mülheims AfD-Fraktion ist dabei, sich zu zerlegen. Fraktionschef von Wrese ist isoliert, ein Trio vermeldet seinen Sturz. Was dazu bekannt ist.

Nach nicht einmal der Hälfte der Wahlperiode steht Mülheims AfD-Ratsfraktion wie bei ihrem Debüt 2014 erneut vor einer Zerreißprobe, die hinter ihr zukünftiges politisches Wirken ein großes Fragezeichen setzt. Das aktuelle Zerwürfnis konzentriert sich auf die Frage: Ist Alexander von Wrese einem fraktionsinternen Putsch unterlegen oder ist seine jüngste Abwahl als Fraktionsvorsitzender unrechtmäßig über die Bühne gegangen?

Die politische Konkurrenz der AfD sah in der letzten Ratssitzung des Jahres zumindest einigen Grund, um der AfD mit allerlei Häme und offenkundiger Schadenfreude zu begegnen. Auffällig weit abgerückt von seinen drei Fraktionsmitgliedern Dominic Fiedler, Karin Fiene und Tobias Laue hatte von Wrese zur Sitzung seinen Stuhl gerückt. Bei der Abstimmung für eine zukünftig legale Mountainbike-Strecke enthielt sich von Wrese der Stimme, das Trio neben ihm stimmte mit Nein.

AfD-Trio ließ ihren „abgewählten“ Fraktionschef allein im Mülheimer Stadtrat sitzen

Dass die AfD nicht einheitlich abstimmt, das war gleichwohl auch schon früher mal zu beobachten. Für viele aber dann doch ein Zeichen der Zwietracht in der AfD-Fraktion: Nach einer Sitzungspause verließen Fiedler, Fiene und Laue den Saal, um gar nicht mehr wieder aufzutauchen. Überrascht davon blieb von Wrese zurück, der auf Nachfrage von OB Marc Buchholz, ob er denn nun die Sitzung alleine für seine Fraktion bestreiten würde, nur zu sagen wusste: „Scheinbar.“ Laut vernehmbares Schmunzeln erntete Alleinkämpfer von Wrese schließlich in der Debatte um die kräftige Erhöhung der Friedhofsgebühren, als er ansetzte: „Wir als AfD. . .“

Ist da überhaupt noch ein Wir? Eine Fraktion? Was ist geschehen? Man könnte es kurz zusammenfassen, wie es auf eine erste Nachfrage dieser Redaktion zunächst der Sprecher der Stadtverwaltung tat: Da bestätigte Volker Wiebels, dass die AfD-Fraktion dem Rats- und Rechtsamt mitgeteilt habe, dass von Wrese nicht länger der Fraktion vorstehe, stattdessen sein bisheriger Vize Dominic Fiedler als dessen Nachfolger benannt worden sei. Als neuer Stellvertreter soll Laue aufrücken.

Zum großen Knall in Mülheims AfD-Fraktion kam es schon Anfang Dezember

Doch im Hintergrund schwelt ein handfester Machtkampf in der AfD, der nicht nur parteiintern einigen Wirbel ausgelöst hat, sondern ein juristisches Nachspiel haben dürfte. Nach übereinstimmenden Schilderungen soll es am 7. Dezember zum großen Knall gekommen sein. In Abwesenheit ihres Fraktionsvorsitzenden haben die restlichen drei Fraktionsmitglieder von Wrese mit einem einhelligen Votum das Misstrauen ausgesprochen und sogleich bestimmt, dass Fiedler fortan dessen Rolle als Fraktionsführer im Stadtrat übernehmen sollte.

Lesen Sie auch zu Alexander von Wrese:

Von Wrese und auch Fraktionsgeschäftsführer Michael Schweer reklamieren, Ab- und Neuwahl seien nicht rechtmäßig erfolgt. Beide machen dies an zwei Punkten fest, die im Fraktionsstatut, das dieser Redaktion trotz Nachfrage bis Redaktionsschluss nicht vorgelegt wurde, festgezurrt seien. Einerseits sei dort eindeutig geregelt, dass ausschließlich der Fraktionsvorsitzende oder der Fraktionsgeschäftsführer berechtigt gewesen wären, zu jener Fraktionssitzung einzuladen. Andererseits sei dort für eine Abwahl des Fraktionschefs klar geregelt, dass dieser dazu im Vorfeld auch gehört werden müsse.

AfD-Fraktionsgeschäftsführer: „Jetzt spielen die Drei Toter Mann“

Schilderungen zufolge muss es ein Hickhack beider Seiten um jenen Termin für eine Fraktionssitzung gegeben haben. Von Wrese reklamiert für sich, ordnungsgemäß selbst zu einer Sitzung einen Tag später eingeladen zu haben, mit dem vom Trio geforderten Tagesordnungspunkt zur Abwahl seiner Person.

Seine Gegenspieler sahen sich offenbar genötigt, auf eigene Faust eine außerordentliche Sitzung schon am 7. Dezember durchzuziehen, um in Abwesenheit von Chef und Geschäftsführer der Fraktion Nägel mit Köpfen zu machen.

Laut Fraktionsgeschäftsführer Schweer hatte das Hin und Her rund um die Terminierung der eingeforderten Sitzung seit November groteske Züge angenommen. Seine Einladungen seien von Fiedler und Co. abgelehnt worden. Diese wiederum hätten gar eine Sitzung durchdrücken wollen mit einer Einladung nicht einmal 24 Stunden vor dem anberaumten Termin. „Sie haben immer parallel eingeladen“, so Schweer. „Das sind unschöne Sachen, das macht die Arbeit unmöglich, wenn einer mauert. Jetzt spielen die Drei toter Mann.“

Von Wreses Gegenspieler Fiedler spricht von einem „langen Prozess“

Auch interessant

Der nun von jenem Trio zum neuen Fraktionschef bestimmte Dominic Fiedler will sich öffentlich nicht ausführlich zur Sachlage äußern, sieht im Vorgehen aber keinen Verstoß gegen die Statuten der Fraktion. Dass er zur außerordentlichen Sitzung eingeladen habe auf Antrag der Fraktionsmehrheit, sei sein klares Recht im „Vertretungsfall“.

Zu den offenbar aufgestauten Konflikten innerhalb der Fraktion wollen sich beide Seiten nicht öffentlich äußern. Fiedler weist von sich und seinen zwei Mitstreitern, von Wrese in einer Art Überfallkommando aus dem Amt zu drängen. Es sei „ein langer Prozess“ gewesen, „wir sind nicht morgens aufgestanden, um den Fraktionsvorsitz zu ändern“.

Sonderparteitag straft Königsmörder ab: Fiedler nicht länger AfD-Vize

Nach der Kommunalwahl 2014 war die AfD-Fraktion schon nach kürzester Zeit im enormen Zwist auseinandergebrochen. Nun stehen die Zeichen für einen ebenso prekären Konflikt, auch wenn beide Seiten betonen, programmatisch auf AfD-Linie bleiben und auf Ticket der Partei in Mülheim Politik machen zu wollen.

Der Zwist in der Fraktion blieb im Kreisverband, den Alexander von Wrese weiter anführt, nicht ohne Widerhall. Auf einem außerordentlichen Parteitag am vergangenen Samstag wurde nun klar, dass Fiedler für sein Vorgehen keine Rückendeckung der Partei genießt. Mit 21 zu sieben Stimmen wählte ihn der Parteitag als stellvertretenden Vorsitzenden ab. Von Wrese sitzt im Kreisverband derweil fest im Sattel. Kein anderer seiner Widersacher aus der Fraktion ist nun noch Mitglied im Parteivorstand.

Drei Jahre vor der nächsten Wahl steht Mülheims AfD vor schwerwiegendem Problem

Auch interessant

Als Parteivorsitzender ist von Wrese nun dennoch gefordert, mit seinen Königsmördern in der Fraktion irgendwie wieder eine Basis für ein Zusammenwirken zu schaffen. Andernfalls droht seiner Partei für die restlichen knapp drei Jahre bis zur nächsten Kommunalwahl ein Auftritt im Stadtrat, der dem einer zerstrittenen Mannschaft auf Deck eines havarierten Bootes im tosenden Meer gleichkäme.

Nach Konfliktlösung sieht es momentan nicht aus, auch wenn beide Seiten nicht müde werden zu betonen, Schaden von Partei und Fraktion abwenden zu wollen. Schwerwiegender Schaden ist längst angerichtet – eine sowohl juristische als auch parteiinterne Prüfung der Fraktionswahl steht wohl an. Selbst wenn von Wrese hier obsiegen würde: Seine Gegenspieler könnten ihn schon bei der nächsten ordentlichen Fraktionssitzung, wenn nötig, endgültig als Steuermann absetzen.

Das Rats- und Rechtsamt der Stadt betont, dass ihr eine rechtliche Prüfung der Querelen um den AfD-Fraktionsvorsitz nicht obliege. Dies sei Sache der Partei oder des Verwaltungsgerichtes.