Mülheim. Die frühere Bandidos-Mitgliedschaft des Mülheimer AfD-Kandidaten Laue hat für internen Streit gesorgt. Ein Ex-Mitglied berichtet vom Zerwürfnis.
Die frühere Mitgliedschaft des Mülheimer AfD-Vorstandsmitglieds Tobias Laue bei den Bochumer Bandidos hat intern Wellen geschlagen. Während AfD-Kreisvorsitzender Alexander von Wrese von einer „konstruktiven und vertrauensvollen“ Zusammenarbeit innerhalb des Vorstands spricht, soll Laues Nähe zu dem Rockerclub einigen Parteimitgliedern aufgestoßen sein. Ein ehemaliges Parteimitglied berichtet von heftigem Streit. Auch ein weiteres Bild von Tobias Laue in Bandidos-Kluft sorgt für Wirbel.
Ehemaliges AfD-Mitglied: Kritik an Bandidos-Mitgliedschaft von Tobias Laue
Der Artikel über die Mitgliedschaft Tobias Laues bei den Bandidos, die Reaktion von Alexander von Wrese – es hat Richard Steinborn „schockiert“ und verleitet, einiges klarstellen zu wollen. Er selbst war Mitglied der AfD, als diese noch vor allem für die Abschaffung des Euro stand, verließ die Partei zusammen mit Martin Fritz, Lutz Zimmermann und Jochen Hartmann. Später näherte er sich der Partei wieder an, ist heute Fördermitglied. Seine Frau, Roswitha Steinborn, war im Herbst 2019 auf die Reserveliste der AfD für den Rat gewählt worden. Nun tritt sie wegen des Streits um Laue nicht mehr an.
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Roswitha Steinborn soll nach der Wahl Laues zum Schriftführer des Kreisverbandes kritisch seine Rocker-Vergangenheit hinterfragt haben – jetzt laufe deshalb seitens der Partei ein Schiedsgerichtsverfahren gegen sie. Auch andere hätten sich kritisch geäußert, jedoch ohne dass Laues Wahl in Frage gestellt wurde.
„Ein Bandidos-Mitglied kann nicht einfach austreten, das ist kein Fußballverein“
Auch ein Foto von Tobias Laue, das ihn mit Bandidos-Weste auf einem Straßenfest zeigt und am 1. September 2018 in dem sozialen Netzwerk Instagram gepostet wurde, macht Richard Steinborn mindestens stutzig. Denn nur wenige Wochen später – das lässt sich über die Facebook-Seite der Mülheimer AfD nachvollziehen – ist Tobias Laue am 12. November 2018 zum Schriftführer gewählt worden.
„Damals hatten die Anträge auf Aufnahme in die Partei eine Bearbeitungszeit von sechs bis acht Wochen“, sagt Steinborn. Und ein anderes Parteimitglied, das namentlich nicht genannt werden will, mutmaßt, dass Laue mindestens beim Aufnahmegespräch noch Mitglied der Bandidos gewesen sein muss. Außerdem sagt Steinborn: „Ein Bandidos-Mitglied kann nicht einfach austreten, das ist kein Fußballverein.“ Wann Tobias Laue in die AfD eingetreten ist, dazu schweigen sowohl Laue selbst als auch trotz mehrfacher Nachfrage der AfD-Kreisverband.
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Tobias Laue zeigt sich auf Facebook mit Bandidos-Mitgliedern
Dass Tobias Laue weiterhin den Bochumer Rockern nahesteht, belegt auch ein Bild, das am 1. Februar dieses Jahres bei Facebook veröffentlicht wurde. Ein Mann, der sich in dem sozialen Netzwerk „Vatos Locos“ nennt (nach einer brutalen amerikanischen Straßengang der 1950er Jahre) und auf seinem öffentlichen Profil als Bandidos-Mitglied zu erkennen gibt, postete ein Bild, das Laue inmitten von Bandidos-Mitgliedern zeigt – allerdings ohne Rockerkluft. Außerdem ist „Vatos Locos“ auf Bildern als Mitarbeiter von „Solutions 4 Security“ zu sehen, der Sicherheitsfirma, deren Geschäftsführer Tobias Laue ist.
Der Streit um die Personalie Laue hatte auch Auswirkungen auf die Ratsliste für die Kommunalwahl. So ist dort nicht mehr der ehemalige Schatzmeister Deniz Yorulmaz zu finden, der im September 2019 noch auf Platz 4 gewählt wurde. Er gehört auch nicht mehr dem Vorstand an. Auch er soll sich kritisch zu Laue geäußert haben. Teile der AfD wollen nun beim Rechtsamt der Stadt prüfen lassen, ob eine nachträgliche Veränderung der gewählten Liste rechtens ist.
Mitglied der Jungen Union 2005 bis 2016
In seiner Stellungnahme nach Bekanntwerden der ehemaligen Mitgliedschaft Tobias Laues bei den Bandidos hatte Kreisvorsitzender Alexander von Wrese auf dessen „zeitgleiche Mitgliedschaft in der CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union und beim dem Motorradclub“ hingewiesen.
Wie Hendrik Terhan, Landesgeschäftsführer der Jungen Union, mitteilt, sei Laue von 2005 bis 2016 JU-Mitglied gewesen, zwischen 2006 und 2010 auch Beisitzer im Vorstand. Laut Terhan entscheide der jeweilige Kreisverband über die Aufnahme in die Junge Union „anhand der vorliegenden Datenangaben“. „Eine vollumfängliche Prüfung persönlicher Hintergründe ist bei der Neuaufnahme von JU-Mitgliedern nicht möglich“, so Terhan.
Die Junge Union NRW distanziere sich ausdrücklich von dem Rockerclub: „Wir verurteilen die kriminellen Machenschaften der so genannten Bandidos.“
Mülheimer AfD: Deniz Yorulmaz und Roswitha Steinborn abgewählt
Laut Dominic Fiedler, stellvertretender Kreisvorsitzender, sind sowohl Roswitha Steinborn als auch Deniz Yorulmaz auf der letzten Wahlversammlung von der Kreispartei einstimmig abgewählt worden. „Die Gründe für die Abwahl waren jeweils unterschiedlicher Natur“, so Fiedler. „Die Kreispartei sah jedoch insgesamt die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sowohl mit Frau Steinborn als auch mit Herrn Yorulmaz als nicht mehr gegeben an.“ Da zwei weitere Kandidaten aus persönlichen Gründen zurückgetreten seien, besteht die AfD-Liste nun aus neun Kandidaten.
Ein Vorgehen, das merkwürdig anmutet in diesem Zusammenhang, ist, dass just am vergangenen Samstag ein Facebook-Post verändert wurde, in dem die AfD am 22. September 2019 ihre Ratsliste für die Kommunalwahl präsentiert hat. Wie sich im Bearbeitungsverlauf bei Facebook nachvollziehen lässt, war dort damals noch Deniz Yorulmaz auf Listenplatz vier aufgeführt – seit Samstag taucht sein Name dort nicht mehr auf, Roswitha Steinborns aber weiterhin.
„Die Grenzen sind bei der Mülheimer AfD überschritten“
Für Richard Steinborn – und mehrere andere AfD-Mitglieder – ist eine rote Linie überschritten worden mit der Wahl Tobias Laues zum Schriftführer. „Ich bin konservativ und es gibt gewisse Punkte bei der AfD, die mir gefallen. Aber es gibt Grenzen: Kriminalität und Rechtsradikalismus. Beide sind in Mülheim überschritten worden.“
Nachtrag: Stellungnahme AfD-OB-Kandidat Alexander von Wrese
Am Mittwochnachmittag hat der AfD-Oberbürgermeisterkandidat und Kreisvorsitzende Alexander von Wrese nach den neuen Anschuldigungen gegen seine Partei Stellung genommen. Schriftlich teilt er mit, dass der ehemalige Schatzmeister Deniz Yorulmaz und die Kandidatin Roswitha Steinborn „wegen schwerer Verletzung innerparteilicher demokratischer Grundsätze und Verfahrensweisen“ durch ein einstimmiges Votum abgesetzt worden seien. Worin genau ihr Vergehen bestand, dazu äußert sich von Wrese nicht.
Auf ein Parteiausschlussverfahren sei verzichtet worden, „weil die weitere Mitgliedschaft allein als Bewährungsprobe und Nachreifung in der Einübung demokratischer Umgangsformen in Partei und Öffentlichkeit definiert wurde“. „Schmerz und Enttäuschung“ der beiden Mitglieder seien nachvollziehbar, aber Alexander von Wrese erwarte, „dass die Aufarbeitung ihrer politischen Unzulänglichkeiten nicht unkontrolliert in Aggression“ gegen die AfD umschlägt.