Mülheim. Die Ambulante Gefährdetenhilfe unterstützt in Mülheim Menschen, die wohnungslos sind oder es werden könnten. Welche Faktoren das beeinflussen.
Temperaturen rund um den Gefrierpunkt oder sogar deutlich darunter: Wer in den vergangenen Tagen gerade in den frühen Morgen- oder den späten Abendstunden vor die Tür musste, war gut beraten, sich warm anzuziehen oder eben möglichst schnell wieder warme vier Wände aufzusuchen. Diese so selbstverständlich scheinende Möglichkeit haben aber längst nicht alle, wie Andrea Krause, Leiterin der Ambulanten Gefährdetenhilfe von der Diakonie erklärt. Gerade zum Ende des Jahres werde das Hilfsangebot für wohnungslose Frauen und Männer deutlich häufiger wahrgenommen, als den Rest des Jahres. „Wir haben in Mülheim aktuell sieben Menschen, die draußen schlafen“, so Krause. „Zumindest die, von denen wir wissen.“
Täglich, erklärt die Sozialarbeiterin, seien Streetworker des Diakonischen Werks unterwegs und suchten die typischen Standorte nach obdachlosen Menschen ab. „Das sind etwa die Konrad-Adenauer-Brücke, der Bahnhof, die Müga oder auch der Stadtwald. Manche Menschen wollen auch einfach keine Hilfe und in Ruhe gelassen werden“, ergänzt Patrick Bahr, der seit etwa anderthalb Jahren als stellvertretender Leiter in der Gefährdetenhilfe tätig ist.
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Obdachlos in Mülheim: Sucht spielt oft eine Rolle
Was für Außenstehende unverständlich scheint – wieso sollte man bei Minusgraden freiwillig draußen schlafen wollen und ein Hilfsangebot ausschlagen – hängt oft mit Erkrankungen zusammen. „Sucht und psychische Belastungen spielen da häufig eine Rolle“, sagt Andrea Krause. Zur Einordnung: Laut Jahresbericht der Anlaufstelle waren 2021 von 14 Bewohnern in der Gefährdetenwohnhilfe elf suchtkrank.
Gerade während der Pandemie habe sich Krauses Eindruck zufolge der Faktor psychische Erkrankung deutlich verschärft. Ein weiterer Trend: „Die Menschen, die zu uns kommen, werden tendenziell immer jünger und gleichzeitig älter.“ Die Schere nimmt also zu. „Genau“, bestätigt Patrick Bahr. „Früher waren es oft Menschen in den Vierzigern und Fünfzigern. Heute reicht die Bandbreite von 18 bis über 70.“
Mülheimer Anlaufstelle konnte 2021 26 Wohnungen vermitteln
Die Ambulante Gefährdetenhilfe hat es sich zur Aufgabe gemacht, wohnungslosen oder von Wohnungsverlust bedrohten Menschen zu helfen. „Unser Ziel ist es aber nicht unbedingt immer, jemandem eine Wohnung zu vermitteln“, stellt Patrick Bahr klar. „Erstmal geht es darum, eine basale Versorgung zu sichern und die Menschen gegebenenfalls zu behandeln.“ 2021 konnte 26 Menschen durch die Diakonie eine Wohnung vermittelt werden – bei insgesamt 212 Beratungen etwas mehr als ein Zehntel. Beim größten Teil der Beratenen (69) blieb der Verblein unbekannt oder es ergab sich eine Unterkunft bei Bekannten (46).
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Dass der Immobilienmarkt derzeit besonders angespannt ist, macht die Wohnungssuche in Auftrag nicht einfacher. „Bezahlbarer Wohnraum ist sehr knapp, gerade in der Größenordnung, die wir oft suchen“, sagt Andrea Krause. Der Kontakt zur SWB und MWB sei ein guter, die Wartelisten aber lang, der Bedarf hoch. „Generell ist Mülheim in dieser Hinsicht sehr überschaubar und familiär.“ Vermutlich ein Grund dafür, glaubt die Sozialarbeiterin, dass regelmäßig auch Hilfesuchende aus anderen Städten an der Auerstraße landen.
Stadt Mülheim kooperiert mit der Gefährdetenhilfe
Neben dem zentralen Standort, der die Beratungsstelle, die Krankenpflege, das ambulant betreute Wohnen und die Teestube bündelt, ist die Gefährdetenhilfe der Diakonie in Zusammenarbeit mit der Stadt unter anderem an der Kanalstraße mit ihrer Notschlafstelle und der Gefährdetenwohnhilfe für alleinstehende Männer vertreten. Die Teestube an der Auerstaße ist gerade im Winter eine wichtige Anlaufstelle, an den Wochenenden sind die Öffnungszeiten nun zeitweise auf 10 bis 14 Uhr erweitert worden. „Tagsüber kommen oft Menschen mit Spenden vorbei oder eben die, die sich aufwärmen wollen“, so Patrick Bahr. Praktisch: Die Kleiderkammer liegt gleich nebenan, bei Bedarf kann man sich eindecken.
„Eigentlich sind wir ganz gut aufgestellt“, sagt Andrea Krause. Unlängst habe das Land den Bedarf an Hilfsgütern abgefragt. Auf der Liste der Ambulanten Gefährdetenhilfe stehen neben Kleidung und Lebensmitteln, Schlafsäcke, Zelte und Isomatten. „Gerade heute habe ich die letzte rausgegeben“, sagt Bahr. „Eine Polizeistreife hat die Frau zu uns geschickt.“ Hinweise aus der Bevölkerung zu obdachlosen, schutzlosen Menschen seien bei der Anlaufstelle immer gerngesehen, „das klappt recht gut, gerade im Winter“, so Krause.
>>> Mülheimer Lions-Club spendet 3000 Euro
- Kurz vor Weihnachten haben Henner Kollnig und Christian Endreß im Namen des Lion Clubs Mülheim eine Spende in Höhe von 3000 Euro an die Ambulante Gefährdetenhilfe des Diakonischen Werkes überreicht. „Wir möchten damit an unsere langjährige, gute Zusammenarbeit anknüpfen“, so Kollnig.
- Von dem Geld ist unter anderem eine neue Industriespülmaschine für die Teestube angeschafft worden. Bereits 2020 hatte der Lions Club eine Spende von 5000 Euro an die Einrichtung übergeben. Der davon gekaufte Getränkespender werde laut Andrea Krause sehr gut von den Besucherinnen und Besuchern in der Teestube angenommen.