Mülheim. „Solidarität in Mülheim“ erhebt Vorwürfe gegen die Betreiber der Notschlafstelle an der Kanalstraße. Das sagen Stadt und Diakonisches Werk.
Der Verein „Solidarität in Mülheim“ erhebt schwere Vorwürfe gegen die Betreiber der Notschlafstelle an der Kanalstraße. Ein junger Mann, den die Obdachlosenhilfe kurzfristig mit Hilfe der Feuerwehr dort unterbrachte, habe die Notschlafstelle nach einer Stunde wieder verlassen müssen, nachdem dieser dort von anderen Obdachlosen bedroht wurde. „Wir sind geschockt von den Zuständen, von denen uns der junge Mann später berichtet hat“, sagt Vereinsvorsitzender Sascha Prandstetter.
Es herrschte eine „aggressive Grundstimmung“
Es sei kein Betreuer vor Ort gewesen, der für Ordnung gesorgt hätte. „Gleichzeitig waren die ganzen Menschen, die dort waren, alkoholisiert, haben sich gegenseitig angeschrien, haben sich gestritten.“ Generell habe solch eine aggressive Grundstimmung geherrscht, dass der 23-Jährige die Nacht doch lieber auf der Straße verbracht habe.
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Für Prandstetter ist das nicht hinnehmbar, denn „so wie ich weiß, wird diese Notschlafstelle ja auch mit Geldern der Stadt finanziert und wenn ich mir dann überlege, dass Gelder der Stadt dafür rausgehauen werden, dass da ein unbetreutes Wohnheim ist, wo sich die Leute zusaufen, streiten, prügeln, sollte wohl mal genauer hingeschaut werden.“
Richtig ist, dass Träger und Betreiber der Notschlafstelle an der Kanalstraße die Stadt Mülheim ist. Sie stellt quasi die Hardware zur Verfügung. Die „Software“, sprich Begleitung und Beratung der Obdachlosen, ist in der Hand des Diakonischen Werkes.
Leiter des Sozialamtes räumt ein: „Es ist menschlich etwas schief gelaufen“
Dass bei diesem Vorfall menschlich etwas schiefgelaufen sei, das sieht auch Thomas Konietzka, Leiter des Mülheimer Sozialamtes, so. Institutionell hingegen habe alles seine Richtigkeit. Denn entgegen der Annahme, dass in der Notschlafstelle stets ein Betreuer vor Ort sei, sei dem nicht so.
„Idealerweise bleiben die Klienten dort eine Nacht, denn es ist die allerletzte Möglichkeit für die Betroffenen, die Nacht nicht im Freien verbringen zu müssen“, erklärt der Behördenleiter das niederschwellige Hilfsangebot. „Es handelt sich dabei um eine Unterbringung nach Paragraf 14 des Ordnungsbehördengesetz, die sicherstellt, dass wirklich niemand draußen schlafen muss und zu welcher wir als Stadt verpflichtet sind.“ Eine Unterbringung, in einer menschenwürdigen Unterkunft, die Schutz vor Witterung sowie Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lässt.
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Gleichwohl bedauert Konietzka den Vorfall und möchte mit dem jungen Mann das Gespräch suchen. Denn angesprochene Missstände würden auch immer die Möglichkeit bieten, diese zu bereinigen oder zu mindern. Außerdem lasse ihn das Schicksal der Menschen, die die Notschlafstelle in Anspruch nehmen, auch nicht kalt.
Betreuung des jungen Mannes ist in die Wege geleitet
Darüber hinaus sei eine Betreuung des jungen Mannes noch in der Nacht in die Wege geleitet worden. „Per E-Mail waren wir über die Stadt und die Feuerwehr benachrichtigt worden, ein Betreuer ist direkt am nächsten Morgen zur Notschlafstelle gefahren, um sich um den jungen Mann zu kümmern“, erklärt Birgit Hirsch-Palepu, Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes das Prozedere nach einer Unterbringung in der Notschlafstelle. „Wir schauen dann gemeinsam mit den Betroffenen, wie es weitergeht, welche Art einer längerfristigen Unterbringung für die Betroffenen in Frage kommen.“
Natürlich komme es vor, dass Klienten regelmäßig in der Notschlafstelle übernachten, denn man könne den Menschen nur Hilfsangebote machen aber niemanden zu etwas zwingen. „Wir sprechen mit den Menschen auf Augenhöhe und machen keine fürsorgliche Belagerung.“
Dass Menschen mitten in der Nacht von der Feuerwehr oder Polizei in die Notschlafstelle gebracht würden, komme vor. Die meisten Klienten würden aber nach einem Gespräch in der Beratungsstelle an der Auerstraße in der Notschlafstelle untergebracht. Generell sei die Beratung in der Auerstraße der Dreh- und Angelpunkt in der Wohnungslosenhilfe.
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Hat die Notschlafstelle einen schlechten Ruf? Stadt und Diakonie weisen dies zurück
Für Sascha Prandstetter ist es jedoch nach wie vor ein Rätsel, warum nachts in der Notschlafstelle niemand ist, der notfalls eingreifen und für Ordnung sorgen könne. Die Einrichtung an der Kanalstraße habe ja schon seit Jahren einen sehr schlechten Ruf.
Das weisen sowohl Thomas Konietzka als auch Birgit Hirsch-Palepu zurück: Dass eine Notschlafstelle kein Hotel mit entsprechendem Service sei, sollte allen Beteiligten klar sein. Auch dass es in einer Einrichtung, in der hauptsächlich Menschen unterkommen, die oft nicht nur einen Rucksack voller Probleme mit sich herumtragen, zu Spannungen komme, sei nicht verwunderlich. Dennoch würde man sich der angesprochenen Problematik annehmen und das Gespräch mit den Beteiligten suchen.