Mülheim. Nach dem Nein zur MTB-Strecke im Mülheimer Naturschutzbeirat bleibt die Frage: Wird der Rat das Votum ignorieren? Was bisher alles schief lief.

Ein deutliches Votum gegen einen Mountainbike-Parcours am Großen Berg in Broich hatte der Naturschutzbeirat mit acht gegen vier Stimmen zwar ausgesprochen. Doch als Wald gesichert ist die Fläche der ehemaligen „Sieben-Huckel-Bahn“ damit keineswegs. Am 15. Dezember kann die Politik im Rat sich für eine Befreiung der Fläche im Sinne des Mülheimer Sportservice und des Vereins Trailriders Ruhr aussprechen. Die Sorge bei den Naturschutzexperten ist deshalb groß: Sie befürchten nun, eine Entscheidung „mit der Brechstange“.

Doch den Ausschlag für den negativen Beschluss im Beirat haben zum einen qualitative Zweifel am Gutachten gegeben, welches die Trailriders mithilfe von Mitteln der MWB-Stiftung veranlasst hatten: Bereits bei der ersten Durchsicht des Gutachtens habe der Beirat Kritik geübt. Jüngst bemängelte der Vorsitzende und Experte Dr. Peter Keil (Biologische Station Westliches Ruhrgebiet) erneut „sachliche und fachliche Fehler“, die er schriftlich belegen wolle. Doch es scheint, als wolle die Verwaltung mit dem Gang zum Rat am 15. Dezember die Einwände nicht abwarten.

Mülheimer Beirat bemängelt unzureichende Informationen und Beteiligung

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Zum anderen addierte sich zur kritischen Haltung des Beirats auch der Eindruck, dass dieser oftmals nur unzureichend informiert und allzu kurzfristig in den Lösungsprozess eingebunden wurde. Und mancher vermutet gar ein Kalkül, den ,widerspenstigen’ Beirat außen vor zu lassen.

Für sie wird es besonders deutlich an der jüngsten Beiratssitzung selbst, denn die Mitglieder hatten erst sechs Tage vorher den vollständigen „Landschaftspflegerischen Begleitplan zur Errichtung der MTB-Anlage Böllertshöfe“ erhalten. Zu kurzfristig, um diesen gewissenhaft durchzuarbeiten.

Dass die Mitglieder dennoch dem für sie undurchsichtigen Projekt zustimmen sollten, sehen einige als symptomatisch für den gesamten Prozess. Dabei hätte es genügend Zeit gegeben, mit dem Naturschutzbeirat zu verhandeln. Und auch zu müssen: Schließlich hätte schon zu Beginn des Prozesses klar sein können, dass hier Widerstände zu erwarten sind.

Damit fing der bis heute andauernde Ärger am Großen Berg an: Der damalige Umweltdezernent Peter Vermeulen ließ am 28. Juni 2021 die jahrelang illegal bestehende Mountainbike-Strecke beseitigen.
Damit fing der bis heute andauernde Ärger am Großen Berg an: Der damalige Umweltdezernent Peter Vermeulen ließ am 28. Juni 2021 die jahrelang illegal bestehende Mountainbike-Strecke beseitigen. © Locals | Locals

Widersprüche bei spätem Vor-Ort-Termin im Mülheimer Wald blieben ungeklärt

Denn hatte die Politik die Verwaltung bereits im Sommer 2021 mit einem Perspektivkonzept TrendSport beauftragt, das geeignete Flächen, Förderkulissen und Gewinnung von Sponsoren prüfen sollte. Darauf weist Beiratsmitglied Heike Feuster hin.

Doch lange Zeit hatten die Mitglieder auf Gespräche, das Gutachten und insbesondere auf die Übersicht über die zu fällenden Bäume warten müssen, kritisiert Beiratsmitglied Dietrich Rohde.

Etliche Widersprüche hatten sich zudem auf einem Ortstermin ergeben, den die Verwaltung erst am 17. November möglich gemacht hatte: die Breite der drei Strecken, die genauen Verläufe, Art und Ort der Ersatzpflanzungen. Oder woher die Trailriders ihre Baumaterialien für die Strecken beziehen können, wenn doch festgelegt ist, dass keine Materialien „von außen“ hineingetragen werden dürfen?

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Sorge um Entscheidung mit der Brechstange

Der Naturschutzbeirat habe es sich nicht leicht gemacht, doch „man musste dem Sportservice alles aus der Nase ziehen“, beklagt Heike Feuster vom Beirat. Den Trailriders hält sie zugute: „Sie haben sich bemüht, das Projekt in unserer Sitzung vorzustellen“. Doch ausführliche Gespräche über gemeinsame Lösungsansätze kamen - trotz Ankündigung - nie zustande.

Aus Sicht vieler Beiratsmitglieder, die es ohnehin schwer hätten, für eine solche Nutzung zu entscheiden, gab es eine weitere Hürde: Denn würde man den Landschaftsschutz an dieser Stelle herausnehmen, öffnete das auch anderen Nutzungsformen Tür und Tor, befürchtet Feuster. Etwa einer Bebauung.

So hatten unbekannte Bike-Enthusiasten den illegalen, aber über Jahrzehnte bestehenden Parcours im Wald (Archivbild 2021) mit aus Baumstämmen errichteten Rampen und tiefen Gräben ausgebaut. Kenner aus der Szene berichten allerdings, dass diese Ausbauten maßgeblich während der Corona-Pandemie vorgenommen wurden.
So hatten unbekannte Bike-Enthusiasten den illegalen, aber über Jahrzehnte bestehenden Parcours im Wald (Archivbild 2021) mit aus Baumstämmen errichteten Rampen und tiefen Gräben ausgebaut. Kenner aus der Szene berichten allerdings, dass diese Ausbauten maßgeblich während der Corona-Pandemie vorgenommen wurden. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Mit dem Veto des Naturschutzbeirates geht die Entscheidung am 15. Dezember an den Rat weiter. Beiratsmitglied Dietrich Rohde hat Sorge, die Entscheidung könne nun „mit der Brechstange“ herbeigeführt werden. Denn Teile der Politik hatten sich schon vor einer Prüfung zur Strecke bekannt. Rohde mahnt daher: Eine Entscheidung gegen den Wald ginge einher mit weiteren Vertrauensverlusten zwischen Bürger und Politik.

Eingeleitetes Prüfverfahren für Mülheimer Mountainbike-Strecke ist noch offen

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Zudem ist noch ein im vergangenen März vom Umweltausschuss eingeleitetes Prüfverfahren zur Landschaftsplanänderung zugunsten der MTB-Strecke nicht einmal annähernd abgeschlossen. Der Verfahrensablauf und die Bürgerbeteiligung sind darin gesetzlich vorgeschrieben, gibt Rohde zu bedenken. Würde der Rat schon jetzt einer – dann vorläufigen – Nutzung zustimmen, wäre das aus seiner Sicht nicht nur „gesetzwidrig“, sondern es würden irreversible Fakten geschaffen, die sich anschließend nur schwer korrigieren ließen.

Klar ist damit aber auch: Ein Nein zur Strecke im Rat würde den Trailriders weiter viel Geduld abverlangen, denn schon ab März beginnt die Schonzeit für die Natur. Die Legalisierung wäre wohl um ein Jahr vertagt. „Es geht uns nicht darum, den Kindern und Jugendlichen die Freude zu nehmen“, will Beiratsmitglied Rohde weiterhin einen Kompromiss. Trotz negativen Votums sei der Beirat gesprächsbereit, eine Lösung zu finden. Auch wenn noch unklar ist, worin dieser liegen kann.