Mülheim. Vor einem Jahr riss die Stadt den Parcours am Mülheimer Uhlenhorst ab. Wiederholt sich dies nun am Riemelsbeck, wo man seit Jahrzehnten fährt?

Längst ist der Schaden hier entstanden, als vor gut 50 Jahren die ersten Motor- und Fahrräder am Riemelsbeck im Rumbachtal brummten. Bis heute springen und kurven Generationen von Mountainbikern auf eigens gebauten Lehmrampen durch das Areal, das Teil des Naturschutzgebietes ist. Und die Stadt hat weitestgehend weggeschaut. Bis heute. Denn nun hat die Stadt Mülheim zusätzlich Verbotsschilder am Hang zur illegalen Strecke aufgehängt. Und junge Leute wie auch Eltern sind besorgt.

Denn Geschichte könnte sich hier wiederholen: Erst vor einem Jahr hatte der damalige Umweltdezernent Peter Vermeulen im Uhlenhorst die illegale „Sieben-Hügel-Bahn“ beseitigt, die ebenfalls über Jahrzehnte bestand. Und damit zwar dem Naturschutz genüge getan, gleichzeitig aber die Hürde für einen legalen Parcours in schwindelnde Höhen gehängt.

Junge Mülheimer fragen: Warum schreitet die Stadt ausgerechnet jetzt ein?

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Denn um dies zu legalisieren, müsste die Stadt im Uhlenhorster Wald mit viel Geld für die „Verkehrssicherheit“ sorgen – ein dafür erstelltes Gutachten hatte die Fällung von 24 Bäumen und weiteren Kronenbeschnitt empfohlen. Das sorgte nicht nur für bürgerliche Gegenwehr in Form einer Petition, sondern auch für teilweise Ablehnung unter den Experten im Naturschutzbeirat.

Nicht ohne Grund befürchten die Jugendlichen und Erwachsenen auch am Riemelsbeck ein jähes Ende ,ihrer’ Piste: Denn legal war das Radfahren und Wandern mitten durch den Wald wohl von Beginn an nicht. Das wissen auch die gut 20 bis 30 Jugendlichen und Erwachsenen, die hier Kunststücke fahren. Doch für sie ist das Kind hier längst – vor Jahrzehnten – in den Brunnen gefallen. Warum schreitet die Stadt ausgerechnet jetzt ein?, fragen sie.

„Wir achten auf Müll, dass wir keine Bäume beschädigen und das Gebiet nicht vergrößern“, sagen Jugendliche. Sie wollen mit der Stadt ins Gespräch kommen, um ihren Treff erhalten zu können.
„Wir achten auf Müll, dass wir keine Bäume beschädigen und das Gebiet nicht vergrößern“, sagen Jugendliche. Sie wollen mit der Stadt ins Gespräch kommen, um ihren Treff erhalten zu können. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Naturpädagogin nutzt Ort, um Kindern die Natur nahezubringen

Die Naturpädagogin Cornelia Bremer beobachtet die Stelle am Rumbachtal nicht nur seit vielen Jahren, sie ist auch Teil ihrer Ausflüge mit Kindern in die Natur. Denn am Rande der Piste lauschen die Kinder gerne ihren Erzählungen in einer „Bärenhöhle“ und sehen mit Spannung auch auf die akrobatischen Leistungen der meist jungen Mountainbiker. Sie wäre für den Erhalt der Fläche für junge Leute. „Natur wird hier sehr bewusst genutzt und gelebt“, macht Bremer das auch daran fest, dass sich die jungen Nutzer um die Fläche kümmern: „Hier liegt kein Müll, keine Nägel, die Strecke wird nicht ausgeweitet.“

„Wer heute hier zwischen den Bäumen fährt, statt an der Playstation zu spielen, interessiert sich auch später für die Natur“, argumentiert ein Vater zweier Kinder, die hier hin und wieder an kleinen Hügeln üben. Viele sind durch die eigenen Eltern oder durch ältere Freunde hierhin geführt worden, etwa von der Skaterbahn an der Südstraße oder aus Haarzopf. „Es gibt immer weniger Angebote für uns und im Umfeld keine erreichbaren Strecken“, schildern Christopher (20) und Veit (20), die seit ihrem achten Lebensjahr hier kurven.

„Natur wird hier sehr bewusst genutzt“, plädieren Naturpädagogin Cornelia Bremer und ihr Mann Detlef für den Erhalt der Strecke.
„Natur wird hier sehr bewusst genutzt“, plädieren Naturpädagogin Cornelia Bremer und ihr Mann Detlef für den Erhalt der Strecke. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Gab es einen stillschweigenden Deal mit dem Förster?

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Und die bestehenden Pumptracks in Essen und Oberhausen? „Das ist in etwa so, als würde man einem Marathonläufer eine 100-Meter-Bahn zum Üben anbieten“, meint der deutlich ältere Felix, der die Strecke seit 15 Jahren nutzt. Er sieht auch einen wichtigen Unterschied zur einstigen Strecke am Uhlenhorst: „Wir bauen keine Rampen aus Baumstämmen, wir fällen und beschädigen keine Bäume, sondern arbeiten nur mit dem Lehmboden, der hier ist.“ Er und andere sprechen von einem „Deal mit dem Förster“, dass sie solange geduldet würden, wie sie im Rahmen des ursprünglichen Areals blieben und nichts weiter beschädigten. Offiziell bestätigt das niemand.

Doch aus ihrer Sicht halten sich die Jugendlichen an den „Deal“ und achten auch aufeinander, um ihren Treff erhalten zu können: „Es ist auch ein wichtiger sozialer Raum geworden für Kinder, die sonst vereinsamen“, meint Chantal (30). Ihr Freund Timothy (33) sieht sich als Teil eines Generationenverbunds, „ich bin über meine Haarzopfer ,Fahrradgang’ hierhin gekommen, fahre seit 20 Jahren hier und hoffe, dass auch meine Kinder hier fahren werden“.

„Kein Befahren mit Fahrzeugen aller Art“: Erst vor kurzem hängte die Stadt dieses Schild auf, um die Belange des Naturschutzes zu unterstreichen. Den Parcours gibt es jedoch seit Jahrzehnten.
„Kein Befahren mit Fahrzeugen aller Art“: Erst vor kurzem hängte die Stadt dieses Schild auf, um die Belange des Naturschutzes zu unterstreichen. Den Parcours gibt es jedoch seit Jahrzehnten. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Haarzopfer SPD-Politiker appelliert an Maß und Mitte

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Einer, der ihre Sprache spricht, ist Philipp Rosenau. Der 28-jährige SPD-Politiker aus Haarzopf hat sich dort in seiner Jugend oft aufgehalten: „Der Naturschutz ist eine wichtige Aufgabe, was ich aber nicht nachvollziehen kann, ist, dass es nun dringlicher wäre als vor 40 Jahren.“ Rosenau, der natürlich wenig Einfluss auf Mülheimer Belange nehmen kann, appelliert dennoch an „Maß und Mitte: Jugendliche haben oft das Gefühl, dass ihnen alles genommen wird. Die Politik muss sich überlegen, wie sie Ersatz für junge Menschen schafft, bevor sie bestehende Angebote schließt.“

Die Naturpädagogin Bremer sieht noch ein anderes ,Problem’: Selbst wenn man die Bahn beseitigte, hätte man noch lange nichts für die Natur getan. „Denn durch den verdichteten Lehm wächst hier so einfach nichts nach, man müsste das Areal anschließend auch aufwendig renaturieren.“ Und was machen dann die jungen Nutzer? „Wir würden gerne mit der Stadt ins Gespräch kommen und unsere Seite darstellen“, sagen sie. Denn die Bahn sei nicht nur mit Lehm gebaut, sondern auch mit Herzblut.