Mülheim. Der Bike-Park im Landschaftsschutzgebiet soll abgerissen werden. Junge Mülheimer sind entsetzt. Für sie war es ein wichtiger Ort in der Pandemie.

Swosch! Rasant ballert Justus auf den Double zu, hebt mit dem Mountainbike ab – jetzt nur nicht „casen“, oder auf Deutsch: zwischen die beiden „ausgekofferten“ Sprunghügel, im MTB-Jargon „Double“, fallen. Doch für den 14-Jährigen ist der Sprung kein Ding: Sicher landet er auf der anderen Seite. Solche Tricks hat Justus hier auf der Bike-Piste Am großen Berg in der Corona-Zeit von „den Großen“ gelernt. Dass die Stadt diese Piste nun dem Erdboden gleich machen will, entsetzt nicht nur ihn.

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Junge Mountainbiker erzählen: „Wir konnten uns endlich mal mit Freunden an der frischen Luft treffen“

Gut zehn junge Mülheimer sind am Donnerstagnachmittag auf der Piste am Uhlenhorster Wald in Speldorf anzutreffen. Viele kommen zwei bis drei Mal in der Woche hier vorbei. In Corona-Zeiten war der Parcours für sie endlich die Chance, mal raus zu kommen, sich mit Freunden an der frischen Luft zu treffen, erzählt Finn (12). Den Sport auf dem Rad zu lernen.

„Man spürt Adrenalin, wenn man den Sprung geschafft hat, ein Hochgefühl beim Landen“, erklärt Justus, warum er aufs Biken schwört.

„Ein Hochgefühl beim Landen“: Junge Biker haben die Tricks von Älteren abgeschaut. „Wir sind eine Gemeinschaft und achten aufeinander“, sagen junge Mülheimer.
„Ein Hochgefühl beim Landen“: Junge Biker haben die Tricks von Älteren abgeschaut. „Wir sind eine Gemeinschaft und achten aufeinander“, sagen junge Mülheimer. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Die ,Sieben-Huckel-Bahn’ kennen Speldorfer Anwohner schon seit Jahrzehnten

Und es sind nicht nur die Zwölf- bis 18-Jährigen, die hier ihre Talente verfeinern: den One-Hand, Fast-Spins oder sogar den No-Hand wie Leander (13). Erwachsene zeigen ihnen, wie sie sich verbessern können, passen auf, dass sich keiner übernimmt, erzählt Lucas (32). Die Piste im Speldorfer Halbrund von Am Großen Berg und Böllerts Höfe kennt er schon „wenigstens seit 25 Jahren als Sieben-Huckel-Bahn“. Die wurde so getauft, weil das Waldstück im Landschaftsschutzgebiet von Bombentrichtern noch aus Kriegszeiten geprägt ist.

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Damals war man hier auf BMX-Rädern unterwegs, oder hat Cowboy und Indianer gespielt, erinnert sich Dietmar Gaudeck, der mit seinem Enkel hier ist. Nicht nur der inzwischen 70-Jährige reagiert mit Kopfschütteln auf die Pläne der Stadt, jetzt, nach mehr als drei Jahrzehnten einzuschreiten: „Dieser Teil ist schon so lange ich hier lebe zur Freizeit stark genutzt worden. Damals war es für uns ein Abenteuerplatz, meine Kinder und nun Enkelkinder haben hier gespielt. Die Leute gehen hier spazieren, Hundebesitzer lassen ihre Hunde frei auf der Wiese oberhalb laufen. Man kann doch jetzt nicht einfach eine Gruppe ausschließen.“

Mit der ursprünglichen „Sieben-Huckel-Bahn“ ist die Piste inzwischen nicht mehr vergleichbar. Die Strecke ist professionell ausgebaut worden in Eigenregie von jungen und älteren Bikern.
Mit der ursprünglichen „Sieben-Huckel-Bahn“ ist die Piste inzwischen nicht mehr vergleichbar. Die Strecke ist professionell ausgebaut worden in Eigenregie von jungen und älteren Bikern. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Die Huckel-Bahn ist während der Corona-Pandemie von Erwachsenen und Jugendlichen gemeinsam kräftig umgebaut worden

Doch das einige hundert Quadratmeter große Gelände liegt nicht nur verbotenerweise im Landschaftsschutzgebiet – und ist damit illegal. Sondern, auch das gehört zur Wahrheit dazu: Es ist in den vergangenen anderthalb Jahren während der Pandemie professionell umgebaut worden. Aus „Huckeln“ wurden Sprungschanzen. Herumliegende Baumstämme sind zu Rampen zusammengetragen und mit Lehmboden ausgebaut worden. Steilkurven wurden errichtet. Mit der Lage vor vielleicht zwei, drei Jahren, ist dieser Teil des Waldes also längst nicht mehr zu vergleichen.

„Hier sind aber keine Bäume gefällt worden, wir haben nur das Material zusammengetragen, das hier schon lag“, betont Lucas. Jung lernte von Älteren, wie man einen Parcours baut. Denn das meiste wurde mit Erwachsenen in gemeinschaftlicher Arbeit geschaffen, über die sich manches Jugendprojekt freuen würde. Und das – würde die Stadt eine solche Strecke anderswo erst errichten müssen, wie es ein Masterplan schon 2015 festlegte – etliche tausend Euro verschlänge.

Eine Legalisierung des Bikerparks wäre aus Sicht der Jugendlichen auch ein Schutz der restlichen Natur

„Die Jugendlichen haben viel Arbeit hier reingesteckt, sie wollen Verantwortung übernehmen“, argumentieren inzwischen auch manche Anwohner am Broicher Waldweg und an den Böllerts Höfe für den Erhalt der Strecke. Das alles wegzumachen, wäre nicht nur eine Riesenenttäuschung für die jungen Leute.

„Wenn das hier platt gemacht wird, hören die Leute ja nicht einfach mit dem Sport auf. Dann suchen sich 30 MTBler andere Strecken in der Natur und richten dort vielleicht mehr Schaden an“, glauben Lucas, Finn und viele der jungen Biker. Eine Legalisierung dieses Bereichs wäre aus ihrer Sicht eine Art Schadensbegrenzung für den Rest der Natur.

Mountainbiker sollen Ende 2019 versucht haben, mit der Stadt eine Lösung zu finden

Demo startet am Samstag um 14 Uhr vor Ort

Für den Samstagnachmittag (26. Juni) ist eine Demo für den Erhalt angemeldet worden. Sie soll um 14 Uhr an der Piste nahe den Böllerts Höfe beginnen. Von dort aus wollen die Demonstrierenden zum Rathaus radeln.

Dem Vernehmen nach will sich die SPD vor Ort anschließen, die bereits einen Prüfantrag gestellt hat, Pisten womöglich legalisieren zu lassen. Auch Teile der CDU und der Jungen Liberalen sollen gegenüber den Jugendlichen angekündigt haben, das Anliegen unterstützen zu wollen.

Gespräche dazu habe es Ende 2019 mit der Stadt gegeben, schildert Lucas. Damals wollte man eine Lösung finden. Inzwischen bereut Lucas bereits den Schritt auf die Verwaltung zu, denn damit habe man wohl erst schlafende Hunde geweckt. Das Forstamt lehne Mountainbike-Fahren im Wald ab, gibt Lucas das Ergebnis wieder, mit dem Förster werde es keinen Parcours geben.

Stadtsprecher Volker Wiebels bestätigt die Haltung der Stadt: „Es ist eine illegale Strecke im Landschaftsschutzgebiet.“ Wie lange diese schon existiere, könne die Verwaltung nicht sagen. Es gehe aber von den eigenmächtig errichteten Rampen und Sprunghügeln eine Verletzungsgefahr aus, für die die Stadt keine Verantwortung übernehmen könne. Man bereite daher vor, diese Piste unmittelbar abzureißen.

Ob damit das letzte Wort gesprochen ist? Die Zeit für die Demonstranten jedenfalls wird knapp.