Mülheim. Die Debatte um eine drastische Erhöhung der Friedhofsgebühren hat Mülheims Politik erneut vertagt. Zahlen die Bürger für jahrelange Versäumnisse?

So makaber das klingen mag: Nicht nur das Leben muss man sich in der Ruhrstadt leisten können, sondern seit geraumer Zeit sogar das Sterben. Immer weniger Mülheimer können das – ein regelrechter Beerdigungstourismus hat sich entwickelt, von dem gut 30 Prozent der Bürger Gebrauch machen. Damit steigen jedoch die Kosten weiter, auf die die neue Gebührensatzung für städtische Friedhöfe weitestgehend sogar noch Kosten aufsattelt. Eine echte Lösung zeichnet sich nicht ab.

Im vergangenen Umweltausschuss, auf den die Politik mangels Lösungsideen bereits eine Vorberatung vertragt hatte, kam man zu wenig weiteren Erkenntnissen. Klar ist vielmehr das Dilemma: Mit steigenden Kosten sinkt auch die Zahl der Beerdigungen in der Stadt – denn längst steht man nicht nur mit günstigeren Friedhöfen in den Nachbarstädten in einem eigentümlichen Wettbewerb, sondern ebenfalls mit Billig-Angeboten etwa in den Niederlanden.

Mülheims Politik besorgt um fatale Gebührenspirale

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Denn während hier eine Stunde im Trauerfeierraum bereits 211 Euro kostet (stehen dort Pflanzkübel und Kerzen, spielt die Orgel oder läutet die Glocke kostet das noch einmal jeweils 21 Euro mehr ), geht der Abschied anderswo bedeutend günstiger.

Die fatale Abwärtsspirale aber zeigt sich hier: Rund 5,4 Millionen Euro muss die Stadt für die Friedhöfe aufwenden, etwa 3,6 Millionen Euro legt sie davon auf die Bürger um. Doch nur die Hälfte dieser Summe machen die jeweiligen Grabkosten aus. Die andere Hälfte aber sind Kosten für die allgemeine Friedhofsunterhaltung, die auf alle anteilig umgelegt wird.

Und das bedeutet: Je weniger Menschen in Mülheim beerdigt werden, desto größer ist für jeden Einzelnen der Anteil der Friedhofsunterhaltung. Und desto teurer wird es.

Friedhöfe bieten auch einen Raum zur Erholung und für die Natur: Die Stadt Mülheim könnte deshalb den Wert und die Kosten anders berechnen.
Friedhöfe bieten auch einen Raum zur Erholung und für die Natur: Die Stadt Mülheim könnte deshalb den Wert und die Kosten anders berechnen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Kritik an der Umsetzung des Mülheimer Friedhofskonzepts

Für SPD-Sprecher Daniel Mühlenfeld zeigte sich im Umweltausschuss kein Ausweg aus der Gebührenspirale: Wegen der drohenden Unterdeckung im Stadthaushalt habe man „keine andere Entscheidungsoption, das macht die prekäre Lage des Haushalts noch einmal deutlich“. Die Politik, so merkte Mühlenfeld selbstkritisch an, habe es seit zehn Jahren versäumt, die Gebühren sanft anzupassen. So stehe den Mülheimern nun „eine schmerzhafte Erhöhung“ bevor.

Doch das könnte nur die halbe Wahrheit sein. Denn, so machte Dietrich Rohde als Ausschussmitglied und Stimme der Bürgerinitiative „Friedhof statt Streithof“ deutlich: Die Vorschläge zur Wirtschaftlichkeit, die einst in einem Friedhofskonzept dargelegt worden seien, habe man nicht ausreichend verfolgt. Rohde schlug also einen Doppelbeschluss vor: Die Gebühren sollten so für die kommenden zwei Jahre beschlossen werden, allerdings unter der Prämisse der parallelen Umsetzung des Friedhofskonzepts in diesem Zeitraum. So schaffe man Akzeptanz und Transparenz.

Sylvia Waage vom Grünflächenmanagement hingegen betonte, dass einige Einsparungen umgesetzt, Personal und Infrastruktur zurückgebaut worden seien. Einer Arbeitsgruppe, die weitere Einsparziele verfolge, stehe sie aber offen gegenüber.

Entscheidung in Mülheims Stadtrat: Welche Lösung gibt es?

Sind also drastische Gebührenerhöhungen unausweichlich? Das letzte Wort ist vielleicht noch nicht gesprochen. Denn die Stadt könnte selbst einen größeren Anteil an der Friedhofsunterhaltung übernehmen. Schlüssel dazu wäre der sogenannte grünpolitische Wert, also jener Anteil, der dem Klima und dem Erholungsfaktor von Friedhöfen wegen ihrer Vegetation zugesprochen wird.

Im Ausschuss gaben Umweltdezernent Felix Blasch und Roland Chrobok (CDU) an, diese Möglichkeit weiter beratschlagen zu wollen. Bis zur Entscheidung im Rat der Stadt am 15. Dezember ist dafür noch Zeit.