Mülheim. Dietrich Rohde ist Stimme der Mülheimer Bürgerinitiative „Friedhof statt Streithof“. Das wichtigste Ziel ist erreicht, die Bürger machen weiter.

Als im April 2018 rund 4000 Mülheimer Familien Post vom Amt für Grünflächenmanagement und Friedhofswesen bekamen, war auch Familie Rohde dabei. Das neue Friedhofsentwicklungskonzept (FEK) sah keine Beisetzungen mehr in den Randbereichen der Friedhöfe vor. Betroffen war auch das Familiengrab auf dem Hauptfriedhof. Dietrich Rohde war zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, dass er künftig Wortführer jener Bürger werden sollte, die sich gegen diese Entscheidung wehrten.

Öffentliche Bürgerversammlung im Mülheimer Ratssaal

Dann kam die öffentliche Bürgeranhörung am 3. Mai. „Die sollte zunächst in der Friedhofshalle auf dem Hauptfriedhof stattfinden“, erinnerte sich Rohde, „wurde aber später in den Ratssaal verlegt“. Dieser sei rappelvoll gewesen, und viele hätten stehen müssen. Die Verwaltung erklärte die Entscheidung, die Bürger trugen ihre Einwände vor, teils hoch emotional. „Ich habe Fälle gehört, dagegen ist unserer eine Bagatelle“, sagt Dietrich Rohde.

Zum Beispiel den jener Familie, die ein vierstelliges Waldgrab gekauft hatte, als die 15-jährige Tochter gestorben war. Damit die Eltern später bei der Tochter beerdigt werden konnten, was ihnen nun verwehrt werden sollte. „Es ging ja nicht ums Geld, es geht um die familiäre Bindung, dass man gemeinsam zur Ruhe gebettet werden wollte.“ Die verzweifelten und hilflosen Einsprüche der Bürger „haben mich persönlich sehr bewegt“, sagt Rohde.

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Der 78-jährige Dr. Dietrich Rohde hat bis 2003 in der Mülheimer Innenstadt als Lungenfacharzt praktiziert. In seinem Beruf war ihm die Empathie und das soziale Empfinden bei der Behandlung seiner zum Teil schwer erkrankten Patienten stets besonders wichtig. Das mache, sagt er, den Unterschied aus zwischen einem Arzt und einem Mediziner. „Man muss“, betont er auch heute, „als Arzt auch eine Ausstrahlung haben, die Hoffnung gibt“. Als er einen Nachfolger fand, der diese Einstellung teilte, zog er sich beruhigt aus seiner Praxis zurück, nicht ohne sich von jedem Patienten persönlich zu verabschieden.

Die Recherchen zum Thema haben Dr. Dietrich Rohde tagelang beschäftigt

Auf der Bürgerversammlung im Mai dieses Jahres wurde die Forderung laut, sich zusammenzuschließen, um überhaupt Gehör zu finden. Ein Sprecher, ein Koordinator wurde gesucht. Dietrich Rohde, der häufig ehrenamtliche Projekte in der Ärztekammer Nordrhein betreute, erklärte sich bereit dazu. „So ging es dann los“, schmunzelt er. „Die Recherche hat mich tagelang beschäftigt.“

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Dietrich Rohde recherchierte, las Protokolle der Ausschüsse, der Ratssitzungen, vergrub sich in das 360 Seite starke Gutachten zum Mülheimer Friedhofsentwicklungskonzept. Er wandte sich an die Verwaltung, sprach bei allen Fraktionen vor, ging in die zuständigen Ausschüsse. Sprach immer wieder mit Betroffenen. Stets gut vorbereitet, immer freundlich, immer sachlich wurde er die Stimme der Mülheimer Initiative „Friedhof statt Streithof“. „Ich habe immer wieder versucht, zu deeskalieren“, sagt er.

Bürgerinitiative will sich am Mülheimer Friedhofskonzept konstruktiv beteiligen

Runder Tisch und Vortragsreihe

Wegen der veränderten Bestattungskultur – mehr Urnen-, weniger Erdbestattungen – will die Stadt die Friedhofsflächen verkleinern, um die Gebühren stabil halten zu können. Daher sollten die Peripheriebereiche der Friedhöfe für Bestattungen gesperrt werden.

Was mit den freiwerdenden Flächen auf den Friedhöfen künftig geschehen soll, daran möchte sich die Bürgerinitiative beteiligen. Geplant ist ein runder Tisch, sagt Dietrich Rohde, mit politischen Parteien, Experten und Verwaltungsvertretern, der sich im Januar erstmals treffen soll.

Außerdem beginnt am 13. Januar, 19 Uhr, eine öffentliche Vortragsreihe in der Evangelischen Familienbildungsstätte (Scharpenberg 1b). „Mülheimer Friedhöfe - neu denken, neu gestalten“ ist das Thema des ersten Abends. Referieren wird Anja Kocks. Der Umwelt- und Klimaschutz wird ein Thema der nächsten Vortrags-Abende sein.

Inzwischen ist seit Juni 2019 politisch beschlossen, dass auf den Familiengräbern in den Außenbereichen der Friedhöfe weiterhin bestattet werden darf. Doch damit haben sich Rohde und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter nicht zufrieden gegeben. Die Mülheimer Bürgerinitiative „Friedhof statt Streithof“ will sich auch an der nötigen Neuorientierung der Mülheimer Friedhöfe konstruktiv beteiligen. „Es gibt ja gar kein richtiges Konzept“, sagt Rohde.

Derzeit sammeln sie Ideen aus der Bürgerschaft, haben extra einen Flyer drucken lassen. Die Fäden laufen wieder bei Dietrich Rohde zusammen. „Ich bin gerade dabei, die Vorschläge zu sortieren und thematisch zusammenzustellen“, sagt er. Täglich sitze er mindestens vier Stunden am Rechner. Sein Fazit: „Man muss die Neuentwicklung der Mülheimer Friedhöfe begleiten.“ Erst dann, wenn man ein Konzept habe, könne man auch über einen Umsetzungsplan reden.