Mülheim. Die Anmeldezahlen waren bislang mau. Doch an Mülheims Gesamtschule Saarn ist man sicher: Sind erst alle Umbauten abgeschlossen, wird das anders.
Die Gesamtschule Saarn ist im Umbruch: Baulich verändert sich gerade einiges zwischen Lehner- und Ernst-Tommes-Straße. Und auch inhaltlich stellt sich die 40 Jahre alte Mülheimer Schule Stück für Stück neu auf. Leiterin Dr. Claudia Büllesbach und ihr Vertreter Michael Rölver sind überzeugt davon, dass das alte, nicht gerade positive Image ihrer Schule bald der Vergangenheit angehören wird. In wenigen Monaten soll das Hauptgebäude, das 2017 in Flammen aufging, wieder nutzbar sein. Es wurde rundum erneuert. „Das wird ein Meilenstein in der Entwicklung unserer Schule“, sagt Chefin Büllesbach.
Die achten, neunten und zehnten Klassen, die aktuell in Containern unterrichtet werden, ziehen voraussichtlich um Ostern herum ins sanierte Gebäude. 26 Klassenräume erwarten die Teenager dort – und vor allem viele, viele Fachräume, die seit Jahren schmerzlich vermisst werden. Seit dem verheerenden Brand, dessen Ursache laut Rölver bis heute unklar ist, müssen die Lehrer improvisieren. Mit Fertigstellung des ans Berufskolleg grenzenden Hauses werden sie aus dem Vollen schöpfen können. Im Hauptgebäude wird es unter anderem drei Naturwissenschaftsräume geben, zwei Technik- und zwei Informatikräume, drei Musik- und zwei Kunsträume sowie eine Bibliothek. „Ein Traum, der die Schule nach vorne bringen wird.“
Das graffiti-ähnliche Kunstwerk am sanierten Bau haben Zwölfklässler entworfen
Noch ist die Immobilie nicht zugänglich, stehen Bauzäune rundum. An das Feuer mit bis zu 30 Meter hohen Flammen erinnert nichts mehr. Gut zu erkennen aber sind die Veränderungen der Fassade, die nach wie vor aus Waschbetonplatten besteht, aber jetzt auch aus karminroten Flächen, durch die sich graue Linien schlängeln. Das graffiti-ähnliche Kunstwerk haben Schüler der zwölften Jahrgangsstufe entworfen. „Es ist eine Weltkarte, die zeigt, aus wie vielen verschiedenen Ländern unsere Schüler stammen“, so Rölver.
Insgesamt besuchen 1109 Kinder und Jugendliche die Gesamtschule Saarn. Ursprünglich gab es dort vier Züge, mittlerweile sind es fünf – und seit diesem Schuljahr erstmals sechs. Das wird künftig in allen Jahrgangsstufen so sein, steht im jüngst beschlossenen Bildungsentwicklungsplan der Stadt. Büllesbach macht der Ausbau keine Angst: „Klar wäre uns eine kleine süße Gesamtschule mit nur vier Zügen lieber – doch wenn der Campus fertig ist, ist Sechszügigkeit absolut machbar.“ Sie erkenne „die Notwendigkeit und die Nöte“ in Mülheim, in der die Zahl der Kinder seit Jahren wächst. „Wir haben Platz für sie.“
2016 erlebte man den absoluten Tiefpunkt: Mit gerade noch 32 Anmeldungen
Gewiss werde die Schule bald auch an Akzeptanz in der Elternschaft gewinnen. Den absoluten Tiefpunkt habe man 2016 erlebt, als gerade mal 32 Kinder originär dort angemeldet wurden. „Abgeschreckt hat damals viele, dass unsere Sporthalle 2015 Flüchtlingsunterkunft geworden ist.“ Mittlerweile liege man wieder bei 80 bis 90 Kindern pro Jahr, die sich bewusst für Saarn entscheiden. Und dabei werde es nicht bleiben: Ist der Schulkomplex erst fertiggestellt, wird er viele Fans haben, ist das Leitungsduo überzeugt.
Rölver schwärmt von der Beachvolleyballanlage, die gebaut wird, und vom Pumptrack. „Im Schulgarten wollen wir mit einem Imker zusammenarbeiten, eigenen Honig herstellen“, ergänzt die Schulleiterin. Pläne gibt’s viele. Bis sie Realität sind, wird allerdings noch Zeit vergehen: Fertiggestellt werden muss unter anderem zunächst der Neubau, der aktuell hinter dem Mensagebäude heranwächst. Bislang steht nur das Kellergeschoss. Eines Tages werden dort die drei jüngsten Jahrgänge und die Oberstufe unterrichtet werden. „Nach letztem Stand geht das Gebäude zum Schuljahr 2024/25 an den Start.“ Läuft alles nach Plan, werde 2023 der Rohbau in Modulbauweise stehen. Danach folgt der aufwendige Innenausbau.
Die beliebten Musicals werden künftig im Neubau aufgeführt
Das überarbeitete Hauptgebäude, der Neubau, die Außenanlagen: So weit ist die Zukunft der Gesamtschule schon gut vorstellbar. Fragezeichen aber gibt’s noch: Was geschieht mit dem maroden Mensagebäude? Was mit der ebenfalls sanierungsbedürftigen Sporthalle?
Seit dem Beschluss, die Schule auf sechs Züge auszubauen, steht fest, dass die bisherigen Umbaupläne für das Mensagebäude zu klein gedacht sind. Es braucht deutlich mehr Platz für Schüler – und so wird an dieser Stelle womöglich doch ein Neubau entstehen. Unklar ist auch, wann die Arbeiten an der Sporthalle beginnen können – die Schule und viele Mülheimer Vereine können aktuell keinesfalls auf sie verzichten, da die nahe Harbecke-Halle nicht als Ausweichquartier zur Verfügung steht. Dort leben Flüchtlinge.
„Wir sind erprobt im Umgang mit Hiobsbotschaften: der Brand, Corona und jetzt das ...“
Großes Schulfest: Corona-Fördermittel machten es möglich
Zum 40. Geburtstag hat die Gesamtschule Saarn Mitte September ein Schulfest unter dem Motto „Die ganze Welt unter einem Dach“ gefeiert. Möglich wurde dies auch durch Mittel aus dem Bundesprogramm „Aufholen nach Corona“, berichtet Schulleiterin Claudia Büllesbach.
Man habe das Schulbudget restlos ausgenutzt und unter anderem Materialien zur individuellen Förderung von Schülern angeschafft, zudem Sportgeräte. Exkursionen wurden durchgeführt und ein Projekt gegen Cybermobbing. Büllesbach ist froh: „Die Kinder haben viel verpasst und können jetzt endlich aufholen.“
Dass politische Entscheidungen den Ausbau der Schule erneut verzögern, gefällt Büllesbach und Rölver nicht: „Doch wir sind erprobt im Umgang mit Hiobsbotschaften: erst der Brand, dann Corona, jetzt das ...“ Man bleibe optimistisch und arbeite weiter auch inhaltlich engagiert an der Neuaufstellung der Schule, sagt Büllesbach. Um der „multikulturellen“ Schülerschaft gerecht zu werden und Chancengleichheit für alle zu schaffen, investiere man viel.
Ein Beispiel von vielen: In den fünften Klassen gibt es mittlerweile zwei zusätzliche Stunden Deutsch; der Bedarf ist da. Diejenigen Jungen und Mädchen aber, die diese Förderung nicht brauchen, können seit Neuestem an „Power-Englisch“ teilnehmen. Denn: „Wir haben auch leistungsstarke Schüler; auch denen machen wir natürlich Angebote.“ So sei die Musikklasse ein Renner.
Dass in der Stadt noch immer Vorurteile gegen die Schule existieren, „ärgert uns maßlos“, sagt Rölver. „Man erzählt sich, dass es hier nur Schlägereien und Schubsereien gibt – aber das stimmt nicht.“ Die Schulleitung wünscht sich, dass die Mülheimer sich selbst ein Bild machen und „das Potenzial erkennen“. So sei man ganz bald auch „digitale Vorzeigeschule“: „Noch vor Weihnachten bekommt hier jedes Kind ein iPad.“ Interessanterweise habe die Schule das Imageproblem bei älteren Schülern überhaupt nicht: „In der Oberstufe rennen sie uns die Bude ein.“ Da müsse man sogar Dutzende Schüler abweisen.
Im Neubau entsteht ein großzügiges neues Forum für Veranstaltungen aller Art
Wenn die Schule fertig und auch die Sanierung des Berufskollegs abgeschlossen ist, werden die Container abtransportiert und das baufällige Nebengebäude, in dem nach wie vor die beliebten Musicals aufgeführt werden, wird abgerissen. Im Neubau entsteht ein großzügiges neues Forum für Veranstaltungen aller Art, so Büllesbach. „Es wird auch anderen Menschen und Vereinen aus dem Stadtteil offenstehen“, verspricht sie.
Wer vorab schon einmal gucken und sich vom Fortschritt überzeugen möchte, kann am Samstag, 10. Dezember, zum Tag der offenen Tür kommen. Von 11 bis 14 Uhr findet der „Saarner Winterzauber“ statt, ein kleiner Weihnachtsmarkt für alle Menschen, die neugierig sind, wie Büllesbach und ihr „tolles Team“ an ihrer Zukunft bauen.