Mülheim. Ist der Ausbau der A40 auf Mülheimer Gebiet nicht mehr zu stoppen? Wie Verkehrsexperten aus der Mülheimer Politik die Lage einschätzen.

Ist der Ausbau der A40 auf Mülheimer Gebiet nicht mehr zu stoppen? Sollte man das überhaupt? Eine Debatte gegen eine sechsspurige Autobahn, die die Mülheimer Grünen zur Landtagswahl im Frühjahr starteten, bekommt ausgerechnet durch eine jüngste Aussage des grünen NRW-Verkehrsministers Oliver Krischer neues Futter. Wie Verkehrsexperten aus der Mülheimer Politik die Lage einschätzen.

„Das Land wird diesen Prozess konstruktiv begleiten und darauf hinwirken, dass bei der Umsetzung eine gute Abwägung zwischen verkehrlichem Bedarf, Finanzierung und Klimaschutz getroffen wird“, lässt sich Landesverkehrsminister Krischer zitieren. Das klingt nicht nach einer Ablehnung der aktuell durch die Autobahn GmbH verfolgten Planungen.

Mülheimer Landtagsabgeordneter sieht NRW in der Pflicht

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Die Antwort der Opposition folgt prompt: „Es ist die Position der CDU“, wirft der Mülheimer Landtagsabgeordnete Rodion Bakum (SPD) dem grünen Verkehrsminister vor, im Landtagswahlprogramm der Grünen habe das noch anders gestanden. Dass Krischer in seiner Antwort auf die Zuständigkeit des Bundes verweise, zeige, dass man die eigene Verantwortung nicht wahrnehme: „Der Bund wird das Bundesverkehrswegenetz im kommenden Jahr neu beschließen. Das Land NRW kann darin Abschnitte für eine Umplanung anmelden“, erwidert Bakum.

Auch der Bund würde ein Projekt nicht einfach gegen die Wünsche des Landes durchsetzen, glaubt Bakum. Und sieht den NRW-Verkehrsminister daher in der Pflicht, sich deutlich zu positionieren. Auch von Mülheims Oberbürgermeister erwartet der SPD-Mann eine Positionierung im Sinne der Stadt. So wie es die Mülheimer SPD auf ihrem jüngsten Unterbezirksparteitag beschlossen hatte: Kein Ausbau der A40 aus Klimagründen und erst recht nicht ohne eine Lösung für den drohenden „Flaschenhals“ an der Abfahrt Essen-Frohnhausen.

Die Ausfahrt Richtung Essen-Frohnhausen und Holsterhausen an der Grenze zu Mülheim: Ab hier beginnt der berüchtigte „Trog“ durch die Essener Stadtteile, der wie ein Flaschenhals den weiteren Ausbau der A40 hemmt.
Die Ausfahrt Richtung Essen-Frohnhausen und Holsterhausen an der Grenze zu Mülheim: Ab hier beginnt der berüchtigte „Trog“ durch die Essener Stadtteile, der wie ein Flaschenhals den weiteren Ausbau der A40 hemmt. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

SPD-Kritik an Mülheims OB: Keine klare Positionierung zum Ausbau

Denn dort, im sogenannten Essener Trog, müssten die sechs Spuren auf vier zusammengeführt werden – seit Jahren debattiert die Nachbarstadt bereits über mögliche Lösungen, allerdings ohne Ergebnis. Zudem fordern die Genossen einen besseren Lärmschutz für die Anwohner auch ohne einen Autobahnausbau.

Die politische Spitze gegen Mülheims schwarz-grün geprägte Verwaltung scheint jedoch bei OB Marc Buchholz nicht sonderlich zu stechen: „Der Oberbürgermeister wird das übliche Verfahren im Zuge der Planungen zum Ausbau der A 40 aufmerksam verfolgen und sich am Ende – nach Abwägung aller Argumente ,Für und Wider’ – hierzu positionieren“, heißt es gelassen. Man werde dabei auch den Klima- und Umweltschutz betrachten, für eine klare Stellungnahme sei es noch zu früh.

Mülheims Grüne sehen schon Teilerfolge beim Lärmschutz

Sind die wenig deutlichen Antworten aus dem Ministerium eine Enttäuschung für die Mülheimer Grünen, die noch vor einem halben Jahr nicht nur mit einer Petition gegen den Ausbau die Stadtgesellschaft spürbar polarisierten, sondern auch eine Einwendung im Planfeststellungsverfahren bei der Bezirksregierung eingereicht hatten? „Nein“, erwidert Parteivorsitzende Kathrin Rose, die als Landtagskandidatin mit ihrer Petition und Einwendung die erneute Diskussion angeschoben hatte, „ich interpretiere die Äußerung Oliver Krischers anders.“

„Viel diplomatisches Ministeriumssprech“ sieht die Mülheimer Grüne in der Antwort des Verkehrsministers: „Für mich ist klar, dass er sich für grüne Belange einsetzen wird und die Notwendigkeit der Autobahn gegenüber dem Klima- und Umweltschutz kritisch prüft.“ Nicht umsonst sei Oliver Krischer gerade auch Minister für Umwelt- und Naturschutz. Indes hoffen die Mülheimer Grünen weiter auf einen Stopp für den Ausbau.

Dass die schwarz-grüne Landesregierung sich auch gegenüber dem Bund und der Autobahn GmbH dafür einsetze, die Lärmsanierung zu verstärken und die verfügbaren Mittel zu deren Realisierung bereitzustellen, begrüßt Rose, „das ist ein wichtiger Bestandteil unserer Forderung gewesen“.

Aufwendig mit einer begehbaren Karte erläuterte die Projektleiterin der Autobahn GmbH, Susanne Wöltjen (vorne), Ende September an einem Mülheimer Möbelhaus noch den sechsspurigen Ausbau der A40 zwischen den Anschlussstellen Heißen und Dümpten.
Aufwendig mit einer begehbaren Karte erläuterte die Projektleiterin der Autobahn GmbH, Susanne Wöltjen (vorne), Ende September an einem Mülheimer Möbelhaus noch den sechsspurigen Ausbau der A40 zwischen den Anschlussstellen Heißen und Dümpten. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

SPD-Verkehrsexperte Arno Klare: Bund kann Ausbau mit einfacher Mehrheit kippen

Unterstützung dafür bekommt die Grüne aus der Ecke der Opposition. Arno Klare, ehemaliger Mülheimer Bundestagsabgeordneter und als Verkehrsexperte auch ohne Mandat gut vernetzt, wagt eine „Ehrenrettung“ Oliver Krischers: „Ich schätze ihn als Fachmann.“ Gemeinsam mit Bakum will er den Verkehrsminister an den Flaschenhals holen, denn „jeder, der die Lage dort mit eigenen Augen gesehen hat, erkennt: Der Ausbau in dieser Weise ist Quatsch.“

Dass man in Essen doch noch zu einer Lösung des Engpasses im letzten Teilstück der Ausbaustrecke käme, schließt Klare nahezu aus, „spätestens kurz vor dem Essener Tunnel würde auch ein ,Deckel’ über der Autobahn an seine Grenzen stoßen“. Denn dort steigt die Autobahn so an, dass sie auf einer Ebene mit dem Deckel wäre.

Aus Klares Sicht könnte der Ausbau schon im kommenden Jahr im Zuge der Revision des Bundesverkehrswegenetzes gestoppt werden – durch eine einfache Mehrheit im Bundestag. „Das Land wird in der Regel bei der Revision gefragt. NRW müsste erklären, dass es den Ausbau nicht will.“ In diesem Zuge müsste die Politik auch die Gesetzeslage ändern und den Lärmschutz von einer baulichen Veränderung der Autobahn entkoppeln. „Es wäre sinnvoll, wenn man den Lärmschutz auch im Bestand möglich macht.“

Und auch einen zweiten Schritt würde Klare begrüßen: „Wir müssen die Alternativen zum Auto stärken.“ Aus Sicht des SPD-Verkehrsexperten ist dafür der Ausbau des Nahverkehrs sowie der Radwege dringend vonnöten.