Mülheim. Braune Rasen, schlappe Bäume – viele Gärten in Mülheim litten im Sommer unter der Hitze. Naturgärtnerin Elke verrät, wie man dem Klima trotzt.
Zugegeben: Auch in Elkes Naturgarten lag in diesem Dürresommer der Rasen schlapp und braun am Boden. Und doch summte und schwirrte es, quakte und krabbelte – und vor allem blühte es satt. Macht der Klimawandel einen Bogen um ihren Saarner Garten? Natürlich nicht. „Zusammenhängend denken und heimische Pflanzen ansiedeln, denn die kommen mit Hitze und Dürre leichter klar“, verrät Elke ihr Geheimnis und hat etliche Tipps, wie der Garten extremen Bedingungen trotzen kann.
Denn noch bis Mitte November ist genug Zeit, den eigenen Garten klimaresilient umzurüsten und „Tiere zu pflanzen“. Das erste Geheimnis ist leicht zu lüften: Die Saarnerin schwört auf heimische Pflanzen und das Prinzip des Naturgartens. Ihr Garten war aber nicht immer so, gesteht sie, sondern habe sich in den vergangenen 20 Jahren Stück für Stück entwickelt. „Ursprünglich war hier ein Gemüsegarten. Wir haben angefangen mit einem Teich. Du siehst direkt, was sich ändert“, erzählt sie begeistert: „Die Tiere kommen.“ Teiche gibt es nun mehrere. Und auch Frösche.
Tipp 1: Heimische Pflanzen nutzen statt Exoten
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Am Abend melden sie sich lautstark, „man braucht verständnisvolle Nachbarn“, gibt Elke zu. Doch am Tag lugt mancher nur ,stickum’ aus dem Wasser. Ihr Teich hat eine Tiefe von 1,20 Metern, „damit Tiere im Winter darin überleben können“. Allein reicht der aber nicht. Für einen artenreichen Garten sind heimische Pflanzen zentral, sagt Elke, die bei ihrem Vornamen genannt werden möchte und vor Jahren dem Verein „NaturGarten“ beigetreten ist.
Dessen Grundgedanke, den Garten mit heimischen Pflanzen statt Exoten als Lebensraum für Wildbienen, Schmetterlinge und möglichst unterschiedliche Insektenarten zu gestalten, hat die Saarnerin aus Erfahrung überzeugt. Denn heimische Gewächse sind in der Regel auf die hier lebenden Tiere besser abgestimmt, erklärt sie. Exotische Zierpflanzen wie der Kirschlorbeer, die Forsythie und sogar der Sommerflieder – die noch oft in Gärten zu finden sind – bieten dagegen oft weniger Nahrung und Unterschlupf oder eben nur für die flexiblen Generalisten unter den Tieren.
Leben wie auf einer Rennbahn
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Sind bestimmte Pflanzen weniger vorhanden, sinkt auch die Zahl der davon abhängigen Tiere. Beispiel: Die heimische Salweide kann 213 Insekten ernähren, davon etwa 34 Wildbienen, allein 9 davon sind spezialisierte Arten. Statt Kirschlorbeer setzt Elke daher auf Berberitze, statt Forsythie nimmt sie die Kornelkirsche: „Da kommen Vögel und Insekten wie auf einer Rennbahn.“
Und noch andere Entwicklungen sprechen aus Elkes Sicht für ein Umdenken am Gartenzaun: In Zeiten, in denen Exoten wie der Riesenbärenklau auch in der freien Natur immer mehr Fläche einnehmen und somit Lebensräume einengen – Naturgärtner sprechen von „invasiven Neophyten“ – fällt dem Garten die besondere Rolle zu, heimische Pflanzen zu erhalten.
Tipp 2: Wohnen und Arbeit sollten eng beieinanderliegen
Der zweite Tipp ist zwar auch einfach, aber dennoch kompliziert zu lösen: Die Natternkopf-Mauerbiene etwa hat sich auf die Blüte des gewöhnlichen Natternkopfes spezialisiert. Tragisch nur: ,Gewöhnlich’ im Sinne von ,verbreitet’ ist die auch „blauer Heinrich“ genannte Pflanze längst nicht mehr. Und das gilt ebenso für ihre Nutzerin – die wählerische Mauerbiene ist wie viele ihrer Art inzwischen als gefährdet eingestuft.
Wer sie fördern will, braucht aber nicht nur die richtige Pflanze, sondern auch den nahen Nistplatz, worin diese Mauerbienenart ihre Brut ablegen kann. Wohnen und Arbeit nah beieinander – das mögen eben nicht nur Menschen. In Elkes Naturgarten finden sich deshalb kleine Trockenmauern, Lehmhügel und Totholz in allen Ecken, die natürlich nicht nur den Spezialisten Unterschlupf bieten – Experten sprechen übrigens von oligolektischen Arten, gut 30 Prozent der Wildbienenarten sollen dazugehören.
Wer einen Lehmhügel oder Sandarium anlegt, sollte darauf achten, dass dieser mindestens 60 Zentimeter tief und der Sand ungewaschen ist. „Denn gewaschener Sand ist meist rund und verkeilt sich nicht.“
Auch die deutlich stärker verbreitete blauschwarze Holzbiene steht auf stehendes Totholz. Die Saarnerin hat extra absterbende Bäume dafür stehen lassen und in der Nähe Muskatellersalbei und gelben Blasenstrauch gepflanzt. Für die Hosenbiene hingegen bietet sie die Flockenblume, „weil sich dort die Männchen zum Schlafen versammeln“. Ansonsten haben sie und ihr Mann etliche Holzstämme als künstliche Nisthilfen angebohrt und hinter Kaninchendraht gelegt – damit sich Vögel daran nicht bedienen.
Tipp 3: Nicht Farbe, sondern Lage-Lage-Lage
Ein Garten soll natürlich schön sein, aber viele Gartenliebhaber schauen zuerst auf die Farbe, dann auf die Pflanze. Dabei spielen die Art des Bodens und die Sonnen- und Schattenlage eine viel größere Rolle. „Sonnige und magere Bereiche sind die dankbarsten Standorte“, weiß Elke. Als Naturgärtnerin empfiehlt sie hier die Karthäusernelke, Natternkopf und die Königskerze.
In eher halbschattige und feuchte Bereiche setzt sie klebrigen Salbei, knotige Braunwurz oder gelben Lerchensporn. Und dort, wo im Sommer der Rasen bräunt, strotzen bei Elke immer noch Schafgarbe, Fingerkraut und Thymian. Felsennelke und Hauhechel hingegen machen sich gut in Fugen von gepflasterten Gartenwegen. Und apropos Wege: Wer sie aus tiefen Holzhäckseln anlegt, beugt natürlich gegen Schnecken vor. Denn hier schlummern Käfer, die Schneckengelege auffressen.
Tipp 4: Einfach mal nichts tun
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Auf heimische Pflanzen achten, Lebensräume kombinieren, Böden und Lage beachten – ganz schön viel Arbeit. Im Herbst und Winter aber lassen Naturgärtner gern auch fünf gerade sein. Und die Samenstände an Pflanzen bis zum Frühjahr stehen. Elke hat eine spektakuläre Eselsdistel im Garten stehen, die gerade braun und vertrocknet aussieht. „Viele schneiden sie dann zurück, aber von den Samen ernähren sich etwa die Stieglitze.“
Das gilt auch für die Mahd beim Rasen: „Man sollte nicht alle Flächen gleichzeitig mähen, damit Insekten die Möglichkeit haben, in andere Bereiche umzuziehen.“
Jetzt im Herbst ist für die Saarnerin jedoch die Zeit, eine Blumenwiese anzulegen, denn „viele Samen brauchen den ersten Frost um zu keimen. Ein Haken hat der Naturgarten dann aber schon: „Man bekommt die Pflanzen in der Regel nicht beim Gartencenter um die Ecke“, sagt Elke. Online oder bei Spezialisten wie „Gartenwert“ in Oberhausen wird man eher fündig. Oder beim „NaturGarten“-Verein, der regelmäßig Tauschbörsen anbietet.
Allerdings: Auch in ihrem Naturgarten stolpert man über den eigentlich geächteten Schmetterlings-Flieder. Schlimmer Fauxpas? Elke schüttelt den Kopf und lacht: „Ich bin da nicht dogmatisch.“
Naturgarten-Verein auch in Mülheim aktiv
In Mülheim wie im Ruhrgebiet gibt es einige Untergruppen des bundesweiten Naturgarten e.V., die untereinander Tipps geben, Pflanzen tauschen und die Idee mit gemeinsam gestalteten Anschauungsgärten wie die Nabu-Naturarena in Wesel oder auch mit einem Mülheimer Projekt an der Freilichtbühne weitertragen.
Infos unter: naturgarten.org