Mülheim. Seit vielen Jahren ist der Ausbau der A40 auf Mülheimer Stadtgebiet geplant. Doch in Dümpten kommt ihm unerwartet ein Bauvorhaben in die Quere.
Ein gigantisches Luftbild der Autobahn A40 liegt am Freitagmittag ausgerollt auf dem Parkplatz eines Heißener Möbelanbieters. Projektleiterin Susanne Wöltjen schreitet mit Bürgern auf dem Teilabschnitt zwischen Dümpten und Heißen hin und her, kniet, zeigt auf blaue und orange Linien, Brücken und Abfahrten. Alles liegt in hochaufgelösten Details vor Augen. Denn schließlich geht es um den Verkehr von morgen – und die Auswirkungen für die Menschen am Rande der künftig sechsspurigen Autobahn.
Ob der Ausbau der Verkehrsader um zwei Spuren verkehrspolitisch sinnvoll ist, steht zumindest hier und heute nicht zur Debatte. Zur Landtagswahl im Frühjahr hatten die Grünen noch einmal mit einer Petition die Diskussion über die Folgen der Erweiterung, die vor gut 15 Jahren auf den Weg gebracht wurde, für eine Verkehrswende entfacht. „Das müsste aber politisch entschieden werden, nicht von uns“, gibt Wöltjen als Projektleiterin der planenden Autobahn GmbH zu bedenken.
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Bislang ist von dem Mülheimer Protest in der neuen Schwarz-Grünen Landeskoalition und auch im Bund wenig zu hören. Also hört Wöltjen in erster Linie auf das, was die betroffenen Mülheimerinnen und Mülheimer vom Ausbau halten. Und dort ist man eher pragmatisch unterwegs.
Zu oberst steht wohl der Lärm, dem die Anwohner durch den steigenden Verkehr ausgesetzt sein werden. Die Prognosen der Autobahn GmbH gehen im Jahr 2030 von 91.000 Kraftfahrzeugen pro Tag aus, die in dem Abschnitt zwischen Dümpten und Heißen unterwegs sein werden. Das wären täglich 8000 Fahrzeuge mehr als 2017 noch angesetzt wurden.
Was die Mülheimer besorgt: der Lärmschutz
Acht Meter hoch sollen die Lärmschutzwände werden, hinzu kommen passive Schutzmaßnahmen an Häusern dort, wo noch immer zu viel Geräusche ankommen werden. Ob man nicht erst den Lärmschutz und dann den Ausbau machen könnte, fragt ein Besucher. So würde man auch die belastende Erweiterung schmackhafter machen. Wöltjen antwortet diplomatisch: „Wir nehmen das mit.“ Zumindest transparent will man die Wände entlang der nördlichen Autobahnführung gestalten, wo Anwohner davon beschattet würden.
Zusätzliche Spuren bedeuten nicht nur mehr Autos und Lärm, sondern ebenfalls mehr Versiegelung. „Was geschieht mit den Bäumen“, deutet Bernd Lüllau, Vorsitzender des Dümptener Bürgervereins, auf eine Reihe auf Dümptener Gebiet zwischen den Tennisplätzen an der Nikolaus-Ehlen-Straße und der Autobahn. Auch sie müssen voraussichtlich der Baustelle weichen. Denn eine gestrichelte Linie legt sich zusätzlich um den Ausbauabschnitt der Autobahn.
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Sie zeigt den Bereich im Abstand zur Autobahn an, den die Baufahrzeuge für die Erweiterung benötigen werden und wo anschließend ein Betriebsweg parallel zur Autobahn angelegt wird. Über diesen soll der Zustand etwa der Lärmschutzwände kontrolliert werden. „Schade“, meint Lüllau, aber man komme wohl nicht daran vorbei.
Wöltjen kündigt zwar Ersatzpflanzungen an, die den Schaden an der Natur nicht nur eins-zu-eins ersetzen, sondern übersteigen sollen. Doch davon werden an Ort und Stelle wohl nur 60 bis 70 Prozent angepflanzt. Der Rest hingegen werde dort ersetzt, wo die Stadt Fläche hat – zum Beispiel am entfernten Mülheimer Flughafen.
Einen möglichen Vorteil aber könnte der Betriebsweg den Anwohnern bieten: als parallele Fahrradstrecke, die von Essen bis Duisburg führe. Kleiner Haken dabei: Eigentlich, erläutert Wöltjen, würde die Autobahn GmbH die Strecke als Schotterweg anlegen und das auch nicht durchgehend. Doch die Stadt könnte sich hier beteiligen und den einfachen Betriebsweg zum Fahrradweg ausbauen lassen.
Konflikt am Kämpgens Hof: Wie dicht darf an der Autobahn gebaut werden?
Der Vorsitzende des Dümptener Bürgervereins sieht jedoch noch weitere Komplikationen. Denn im Stadtteil ringen einige Bürger und auch der Verein mit den neusten Plänen für den Kämpgens Hof an den Denkhauser Höfen im Viertel.
Dass auch das in den vergangenen heißen Sommern wiederentdeckte kleine Schwimmbad des Hotels einer Wohnbebauung mit angeblich 80 Wohneinheiten weichen soll, hat sich im „Königreich Dümpten“ flugs herumgesprochen. Der Unfrieden bei den „Untertanen“ ist nicht gering: „Das ist zu viel“, beklagt Lüllau auch vor Ort. Vor allem der zu erwartende Verkehr müsste womöglich über die schmale Hildegardstraße auf die Denkhauser Höfe geführt werden. Gegenüber liegt bereits eine große Siedlung mit Mietshäusern.
Die Autobahn GmbH ist über dieses Bebauungsvorhaben noch gar nicht aufgeklärt worden, gibt Projektleiterin Wöltjen etwas überrascht zu verstehen. „Überrascht“ schon deshalb, weil Auswirkungen auf die Bebauung und den Betriebsweg zu erwarten seien. „Um die Autobahn gilt eine Anbauverbotszone von 40 Metern und eine Anbaubeschränkung von 100 Metern“, erläutert Wöltjen. Eine Klärung, wie und in welchem Umfang gebaut werden soll, ist also für die Planung, auch der Autobahn, dringend erforderlich.
Gestiegene Bau- und Energiekosten: Wie teuer wird der Ausbau?
Für den Dümptener Lüllau ist also in der Frage, wie massiv dort gebaut werden kann, nicht das letzte Wort gesprochen. Eine Informationsveranstaltung für die Öffentlichkeit sei bislang verschoben worden, aber in naher Zukunft geplant.
Und auch die Kosten des Ausbaus sind noch nicht abzusehen. Für den Dümptener Teilabschnitt allein waren einmal 59 Millionen Euro eingepreist. Doch die sind längst nicht mehr zu halten. Chefplanerin Wöltjen geht jetzt schon von einer Verdoppelung aus. Und das dürfte auch die beiden weiteren Planabschnitte betreffen. Insgesamt waren für alle Abschnitte zwischen Duisburg-Kaiserberg und Essen-Frohnhausen 390 Millionen Euro aufgerufen – vor der Kostenexplosion auf dem Energie- und Baumarkt.
Ein Termin für eine weitere Informationsveranstaltung über die Pläne der Autobahn A40 steht hingegen fest. Der Dialogbus hält am Freitag, 7. Oktober, von 12 bis 16 Uhr auf dem Parkplatz des Möbelhauses Bernskötter, Heinrich-Lemberg-Straße 29.