Mülheim. Angeln und Feiern in den Ruhrauen hinterlassen seit Jahren Spuren an Mülheims Natur. Der Saarner Umweltverein fordert, dass sich etwas ändert.
Es ist nicht nur der Herbst, der den schon stattlichen Baum am Saarner Ruhrauenufer traurig aussehen lässt: Jemand hat dort kräftig Hand angelegt, mehrere dicke Äste angesägt, dann abgerissen und einfach daneben in die Brombeerhecke geworfen. Offenbar „störten“ die über die Ruhr ragenden Äste, vermutet Detlef Habig vom Saarner Umweltverein. Der Verein fordert Stadt und Politik nun auf, gegen mutwillige Zerstörung im Landschaftsschutzgebiet endlich konsequent vorzugehen.
Punktuell mögen die Schäden nicht massiv sein, aber in der Fläche schon. Denn Stellen wie diese finden Habig und auch die Landschaftswächter weiterhin zuhauf. „Die Äste waren wohl im Weg beim Auswerfen der Schnur“, vermutet Habig Angler hinter dieser Tat. Doch auch sonst haben sich Unbekannte an diesem und vielen anderen Orten wortwörtlich breitgemacht, Sträucher plattgetreten oder gleich kräftig zurückgeschnitten.
Landschaftswächter: „Es gibt Stellen, da gehe ich nicht mehr hin“
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„Damit die Stühle und Liegen passen“, hat der Landschaftswächter Werner Flaum beobachtet – oder gleich mehrere Zelte, wie Flaum auf einem Foto zeigt. Dann werde aus dem Zelt heraus gegrillt, einige übernachten auch an Ort und Stelle, und nicht selten für mehrere Tage. Wer ihnen zu nahe kommt oder etwas sagt, muss mit Aggression rechnen. „Es gibt Stellen zwischen Mendener Brücke und Dicken am Damm, da gehe ich nicht mehr allein hin“, sagt Flaum, der schon bei einigen Gelegenheiten um seine Gesundheit fürchten musste.
Denn seit Jahren führen Landschaftswächter und auch die Stadt eine ständige Auseinandersetzung nicht nur mit uneinsichtigen Anglern, sondern ebenso mit wildem Partyvolk und anderen „Naturenthusiasten“, die die Ruhrauen offenbar als ihre private Fläche zum Austoben betrachten. Die Ruhrauen haben sich als gute Angel- und Freizeitstelle rumgesprochen – im doppelten Sinne: „Hier wird selten kontrolliert“, bestätigt Habig, der bereits 2013 die damalige OB Dagmar Mühlenfeld aufforderte, das Angeln in den Saarner Ruhrauen zu beschränken.
Und oftmals, so berichten beide Umweltschützer, wüsste die Polizei – wenn man sie holte – nicht einmal über die Regeln im Landschaftsschutzgebiet Bescheid.
Manche Angler fahren mit Hänger und Zelt bis ans Ufer
Im Sommer 2018 griffen Umwelt- und Ordnungsamt zuletzt hart und im großen Stil durch gegen illegale Angler, Grillfeten, Zelten, freilaufende Hunde und andere Störungen in der Natur. Doch im Grundsatz änderte sich wenig: Es wird weiterhin wild gezeltet, gefeiert – und wo dafür kein Platz ist, wird er offenbar eigenmächtig geschaffen. Inzwischen rollten manche bereits ungeniert mit einem Hänger bis zum Ruhrufer an, schildern Habig und Flaum.
Dabei sind die Regeln des Landschafts- und Naturschutzes deutlich: „Es sind alle Handlungen verboten, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Gebietes und seiner Bestandteile führen“, sagt Habig. Eine Verständigung mit Angler- und Fischereivereinen wie der „Interessengemeinschaft Untere Ruhr“ gebe es darüber längst.
Strenge Gewässerordnung – doch wer kontrolliert das?
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Für eine Stellungnahme war die IG bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen, doch in der Vergangenheit hat die Interessengemeinschaft den Vorwurf, Natur zu zerstören, vehement zurückgewiesen. Ihre Mitglieder haben sich zudem zu einer strengen Gewässerordnung bereit erklärt, die von der Berliner Brücke an der A59 bis zum Wehr in Essen-Kettwig gilt. Sie verpflichten sich, Uferbewuchs nicht zu beschädigen, den Angelplatz sauber zu halten, keine Fischstege zu bauen und die Notdurft nicht in den Gebüschen zu verrichten. Auch Zelte sind nur als sogenannte „Schirmzelte“ erlaubt und bei einem unmittelbaren Wetterereignis. Wer bei einem Verstoß erwischt wird, verliert seine Angelerlaubnis für das Jahr.
Eigene Fischereiaufseher der IG kontrollieren die Einhaltung. Zudem ruft die IG regelmäßig wie erfolgreich zu Säuberungsaktionen an der Ruhr auf und kümmert sich um die Fischbestände. Habig und Flaum räumen ein: Die Gespräche haben dort zu Verbesserungen der Situation geführt.
Umweltschützer sehen „Angelschein und Zugangsrecht missbraucht“
Doch zum einen sind ihre rund 3500 Mitglieder aus 20 Vereinen nicht die einzigen, die in den Mülheimer Ruhrauen unterwegs sind. Zum anderen sei das Problem nicht nur mangelnde Information und Kontrolle, glaubt Habig, sondern das grundsätzliche Betretungsrecht für Angler, mit einem Schein überall an der Ruhr angeln zu dürfen. So seien an etlichen Stellen Flecken entstanden, an denen sie sich immer weiter ausdehnten. Zulasten der Natur, sagt der Vorsitzende des Saarner Umweltvereins, „der Angelschein und das damit verbundene Recht werden hier missbraucht“.
Aus Sicht des Umweltvereins müsste die Stadt aber nicht nur Verbote aussprechen, sondern vor allem grundsätzlich die Stellen einschränken, an denen man angeln darf. Als positive Maßnahme schlägt Habig vor, eine begrenzte Zahl von Angelplätzen zu schaffen. Dazu wäre ein Runder Tisch mit den Anglervereinen, Umwelt- und Ordnungsamt, Polizei, Landschaftwächtern und Umweltverbänden von Nöten.
Angesichts der massiven Eingriffe in den Landschaft- und Naturschutzgebieten hält der Umweltverein dies endlich für geboten, „wir sind aber nicht grundsätzlich gegen das Angeln“, sagt Habig. Mit einem Bürgerantrag nach der Gemeindeordnung will der Saarner Umweltverein dies im kommenden Umweltausschuss anregen und weist darauf hin: Im Notfall könnte die Stadt sogar die Fischereiausübung gänzlich untersagen.