Mülheim. Seit 100 Jahren besteht die Mülheimer Maklerfirma Zerres und Sohn. Wie die dritte Generation die Lage am hiesigen Immobilienmarkt bewertet.
Vor 100 Jahren hat der Mülheimer Johann Zerres das Maklerunternehmen Zerres und Sohn gegründet. Heute führt sein Enkel Jens Hendrik die Firma in dritter Generation und blickt auf ein Jahrhundert Makler-Dasein zurück. Vieles hat sich rasant und radikal verändert und manches ist doch – beinahe – immer noch wie 1922.
„Das ist die Handschrift meines Großvaters“, sagt Jens Hendrik Zerres und deutet auf die drei Worte, die am Rande eines alten Zeitungsausschnitts geschrieben stehen: „Mein erstes Inserat.“ Derart dokumentiert hat Johann Zerres die Gründung seiner Maklerfirma Mülheimer Häuser- und Grundstücksverwertung im Oktober 1922. Heute – 100 Jahre später – leitet sein Enkel die Geschicke des Familienunternehmens.
Vor 100 Jahren gründete der Mülheimer Johann Zerres seine Maklerfirma
„Wir haben die Zeitungsanzeige extra zum Jubiläum aus dem Stadtarchiv geholt und dann doch noch beim Aufräumen im Keller zwischen alten Akten gefunden“, erzählt der 45-Jährige. Geschichte auf vergilbtem Papier – die Historie seiner Familie und des Unternehmens lässt sich daran ablesen, aber auch die der Stadt, mitunter gar der Welt. Als Johann Zerres sein Maklerbüro aus der Taufe hob, kämpfte Deutschland noch mit den Folgen des Ersten Weltkrieges, es herrschte wirtschaftliche Instabilität – die Stadt Mülheim, sie war noch so ganz anders als heute: Die Stadthalle stand noch nicht, Menden und Raadt waren gerade eingemeindet worden, drei Monate nach der Unternehmensgründung erlebte die Stadt die Ruhrbesetzung.
„Außer den alten Akten und dem Firmenschild, das an seinem ersten Büro am Dickswall hing, ist nicht so viel überliefert“, blickt Jens Hendrik Zerres zurück. Und doch wird deutlich, dass sein Großvater die entscheidenden Phasen des Wiederaufbaus in Mülheim miterlebt hat. Wiederum ein Zeitungsausschnitt zeugt davon. Darin blickt der Firmengründer im Herbst 1962 anlässlich des 40-jährigen Bestehens auf die Jahre nach den beiden Weltkriegen zurück: „Ich erinnere mich an die Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg, als die Zwangsbewirtschaftung der Wohnungen erstmalig Gesetz wurde, anschließend an den Höhepunkt der Inflation 1923, wodurch der Haus- und Grundbesitz ebenfalls stark erschüttert wurde. Die Verhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg waren katastrophal und schienen fast unüberbrückbar.“
Firmengründer musste im Zweiten Weltkrieg Flächen für Flugplätze suchen
Und auch Zerres-Senior wusste bereits: „Der Grundstücksmarkt ist ein feiner Maßstab für die allgemeine Wirtschaftslage.“ Das bekam der Seniorchef knallhart während des Zweiten Weltkrieges zu spüren, weiß sein Enkel: „Das Geschäft war nahezu zum Erliegen gekommen, mein Großvater musste seine berufliche Qualifikation dazu einsetzen, um für die Luftwaffe Flächen für Flugplätze zu finden.“
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Nach dem Krieg krempelt Johann Zerres die Ärmel hoch für den Wiederaufbau seiner Heimatstadt und wird der erste Grundstücksmakler, der zum vereidigten Sachverständigen zur Ermittlung der Verkehrswerte von Haus- und Grundeigentum des IHK Bezirks Essen bestellt wird. Es sei dieses solide Fundament, auf das sein Großvater die Firma aufgebaut und sein Vater fortgeführt hat, das für ihn den Wert des Familienunternehmens ausmache, sagt Jens Hendrik Zerres heute.
Als sein Vater Hans-Dieter Mitte der 60er Jahre in die Firma einstieg und fortan Zerres und Sohn auf dem Firmenschild stand, erlebte die Maklerbranche gute, gar goldene Zeiten. Hans Dieter Zerres war es auch, der den Fokus auf Gewerbeimmobilien legte, was bis heute Bestand hat.
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Ein Objekt, an dem zahlreiche Mülheimerinnen und Mülheimer häufig vorbeikommen und das kürzlich durch Zerres und Sohn vermarktet wurde, ist der ehemalige Subway-Laden am Heifeskamp. Das Ladenlokal, das an der Straßenecke Mannesmannallee/Heifeskamp liegt und in dem neben der Fast-Food-Kette auch ein Frisör saß, wird in Kürze durch neues Gewerbe belebt, kündigt der Immobilienmakler an, macht es aber spannend: „Zum einen kommt die Bäckerei Malzers rein, doch was der zweite Laden wird, kann ich noch nicht verraten.“
Immobilienbranche war Gewinner der Pandemie – Zinssteigerung könnte das ändern
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Gerade bei Gewerbeimmobilien sei die Nachfrage nach wie vor vorhanden, ordnet Zerres ein und sagt: „Ich habe von jeher betont, dass wir zu wenig Gewerbefläche und auch zu wenig Industriefläche in Mülheim haben.“ Angesichts gestiegener Zinsen und unsicherer wirtschaftlichen Lage registriert der Mülheimer Immobilienfachmann aber auch, dass Neubauplanungen – etwa von Eigentumswohnungen – nahezu zum Erliegen gekommen seien.
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Was die Zukunft bringt, vermag der 45-jährige Immobilienfachmann nicht einzuschätzen: „Schon bei Corona hat die Branche gefürchtet, dass es bergab geht – dabei gehörten wir zu den Gewinnern der Pandemie.“ Welche Auswirkungen nun aber Inflation, Zinssteigerungen und die unruhige Weltmarktlage mit unterbrochen Lieferketten und extrem verteuerten Baumaterialien haben werden, sei nicht abzusehen, meint der Mülheimer. Gleichwohl sieht sich Zerres für die Zukunft gut aufgestellt – auch hier zähle die Zusammenarbeit seit Generationen: „Viele unserer Stammkunden begleiten wir auch schon seit Jahrzehnten.“
Enkel des Mülheimer Firmengründers greift neue Geschäftsfelder auf
Seit der Enkel des Firmengründers 2008 nach seinem BWL-Studium und zwei Anstellungen in der Immobilienbranche das Familienunternehmen übernommen hat, sind neue Geschäftsfelder hinzugekommen: Jens Hendrik Zerres ist etwa Mitgründer und Gesellschafter der Auktionshaus Grundstücksbörse Rhein-Ruhr AG, die seit 2019 besteht. Als Auktionator für Immobilien hat sich der Mülheimer einen neuen Vertriebsweg erschlossen.
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Heute ist die Firma „annähernd voll digitalisiert“, schlägt der heutige Chef den Bogen in die Gegenwart und verdeutlicht: „Wir produzieren extrem wenig Akten.“ Geblieben ist trotz aller Modernität eines, betont Jens Hendrik Zerres: „Das Unternehmen ist seit Tag eins Herr Zerres plus Mitarbeiterin.“ An der Personalstärke habe sich in all den Jahren nichts gerändert, das kleine Team garantiere Flexibilität und Schnelligkeit.
Und die vierte Generation des Familienunternehmens? Die gibt es bereits, doch sie geht noch in den Kindergarten und zur Grundschule. „Meine Kinder“, sagt Zerres, „sollen später das machen, was sie glücklich macht.“ Jetzt macht sich Zerres und Sohn erst einmal auf ins zweite Jahrhundert.