Mülheim. Zwei Mülheimer Waldflächen stehen im Angebot in einer Auktion. Warum der Wald nicht nur Romantik, sondern auch Wertsteigerung verspricht.
Es ist ein so schmales wie verschwiegenes Stück Trampelpfad, der vom Saarner Oemberg aus geradewegs in den Wald führt. Brennnesseln und andere heimische Wildpflanzen säumen ihn. Wanderstiefel und lange Hosen sind keine Pflicht, helfen aber. Zur Belohnung eröffnet sich dann die lauschige Lichtung einer Art Moorlandschaft. Und die kommt nun unter den Hammer: Interessenten gibt es schon. Was reizt am Traum vom eigenen Wald?
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Einfach sein: Mancher nimmt nur eine Decke mit, um dem Wald zuzuhören
Jens Hendrik Zerres, Prokurist des Essener Auktionshauses Grundstückbörse Rhein-Ruhr, welches gleich zwei Waldstücke in der Auktion am 1. Juli an den Meistbietenden versteigert, hat eine ungefähre Idee: „Ich denke, es ist der Genuss in der ,wilden’ Natur zu sein.“ Anstelle eines kultivierten Gartens. Eine Interessentin hat sich das rund 4.700 Quadratmeter große Waldstück bereits angeschaut. „Einfach eine Decke nehmen oder einen Stuhl und den Vögeln zuhören“ – allein das entlockte ihr schon einen Sehnsuchtsseufzer.
Ein Blick verrät, warum: Vor einer umgestürzten Birke hat sich Wasser gesammelt und strömt bis auf die Lichtung. Libellen flitzen dort über Grashalme auf der Suche nach Insekten, es zwitschert im besten 3D-Natursound zwischen Buchen, Eichen und Farn. Einige seltene Pflanzenarten soll es hier sogar geben wie das gegenblättrige Milzkraut. Der Name des kleinen Ruheorts jedoch tut der Augenweide beinah unrecht: Auf dem Böllentroth.
Eigentum verpflichtet: Der Böllentroth gehört zum Naturschutzgebiet
Und doch ist der fast ein Schnäppchen: Für 6.350 Euro Mindestgebot soll der Böllentroth unter den Hammer gehen – das sind rund 1,40 Euro pro Quadratmeter Grün. Ob es dabei zur Auktion am 1. Juli im RWE-Pavillon der Essener Philharmonie bleibt, kann Zerres natürlich nicht sagen.
Muss man das aber besitzen? Denn die Fläche ist frei zugänglich und mancher führt hier seinen Fiffi über Stock und Stein. Das soll auch so bleiben, denn der Böllentroth gehört zum Naturschutzgebiet und eine Sperrung lässt das Landesforstgesetz nur aus bestimmten Gründen und durch Genehmigung des Forstamtes zu.
Deshalb ist erst einmal gesetzlich alles verboten, was „zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Schutzgebietes oder seiner Bestandteile, zu einer nachhaltigen Störung oder zu einer Beeinträchtigung der wissenschaftlichen Forschung“ (§ 23 Absatz 2 Satz 1 BNatSchG) führen kann. Das gilt auch für den Besitzer: Man darf hier also weder Hütten bauen noch möglicherweise ortsfremde Pflanzen mit beruhigender Wirkung ansiedeln.
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Allenfalls etwas Holz für den Eigenverbrauch könnte man in Absprache mit dem Forstamt mitnehmen, aber keines versilbern. Und sonst? Einfach nur sein – das ist der Spirit.
Für manchen Waldbesitzer ist der Umwelt- und Klimaschutz eine „Wertanlage“
Vielleicht ist auch der Klimawandel eine Motivation, überlegt Zerres. Mit dem Waldbesitz trägt man selbst etwas zum Umweltschutz bei, schafft und erhält einen echten Wert. Der kann sich sogar steigern: Die Stadt Mülheim soll bereits Fördermittel beantragt haben, um „Atlantische Sandlandschaften“, zu denen teilweise der Böllentroth gehört, zu erhalten. Die zeichnen sich durch besonders hohe Artenvielfalt aus und sollen durch Heide- und Dünenlandschaften sowie Magerrasen aufgewertet oder wiederhergestellt werden. So können sich etwa an nährstoffarmen Teichen gefährdete Arten, wie Froschkraut, Moorfrosch und Kreuzkröte, ansiedeln.
Auktion startet am Donnerstag, 1. Juli
Rund 5600 Quadratmeter groß ist das zweite Waldgrundstück am Oemberg, durch das mittig der Wambach fließt. Im Süden grenzt die Fläche, die ebenfalls zum Naturschutzgebiet zählt, an Gärten. Das Mindestgebot beträgt 7650 Euro.
Die Immobilien-Auktion startet am Donnerstag, 1. Juli, um 11 Uhr im RWE-Pavillon an der Huyssenallee 53 in Essen. Informationen zu den Waldstücken, den weiteren Objekten sowie den Teilnahmebedingungen erhält man unter: www.agb-rr.de
Eine ungewöhnliche Sache bleibt die Versteigerung aber auch für den Diplom-Kaufmann, der das Auktionshaus als Erweiterung eines der in Deutschland ältesten Immobilienmakler-Häuser – Zerres und Sohn – führt. Denn überwiegend geht es dort um seriöse Wertanlagen, Immobilien, sogar mal ein Hotel in Raesfeld, selbst wenn mancher dort dem Reiz des Bietens unterliegt und auf einen günstigen Zuschlag hofft.
Geboten wird vor Ort oder per Telefon. Mancher gibt schriftlich sein Höchstgebot ab, das ein Mitarbeiter des Hauses dann vor Ort vertritt. Die Spannung des Bietens ist immer live. Die Übergabe nach der Auktion geht schnell: Notare stehen mit den notwendigen Dokumenten nach am selben Tag bereit.
Zwei Mal versteigert Zerres am 1. Juli den Traum vom eigenen Wald – ist das schon Trend? Zerres wägt ab: „Es könnte einer werden.“