Mülheim. Max Schürmann und Ulrike Nottebohm verlassen Mülheims Feldmann-Stiftung. Über die schönsten Momente und ihre Liebe zum Stadtteil Styrum.
Ungleicher könnte ein Paar kaum sein: Der Leiter der Begegnungsstätte der Feldmann-Stiftung Max Schürmann (66) überragt seine breitbeinig stehende Stellvertreterin Ulrike Nottebohm (65) mit der dunklen, kecken Kurzhaarfrisur um mehr als Haupteslänge. Auch im Sprachduktus unterscheiden sie sich extrem, denn Schürmann schweift gern assoziativ in die Weite, wohingegen Nottebohm es kurz und knapp liebt – sie unterschreibt ihre E-Mails selbstbewusst und augenzwinkernd mit „Ich“.
Schürmann ist der Typ freundlich-aufgeschlossener Sozialwissenschaftler mit Schwerpunkt Internationale Politik, der mit einigen Umwegen – zum Beispiel Beamter bei der Deutschen Bahn – noch parallel zum Studium das Zentrum Altenberg in Oberhausen als soziokulturelles Zentrum aufbaute. Von dort rekrutierte ihn 1990 der damalige Leiter des Kulturamts, Hans-Georg Küppers, für die 1988 gegründete Feldmann-Stiftung.
27 Jahre Arbeit für Mülheimer Feldmann-Stiftung: „Wir hatten freie Hand“
Auch interessant
Fünf Jahre lang arbeitete Schürmann erst alleine, dann mit wechselnden Mitarbeitern, bis Küppers 1995 die ehemalige Leiterin des Ringlokschuppens Ulrike Nottebohm nach Styrum holte. – Schürmann spricht von „Juwel“. Beide loben ihren einstigen Chef, der ihnen alle nötige Freiheit ließ, um ihre Ziele zu verwirklichen. „Wir hatten freie Hand!“, sagt Schürmann. So blieb er statt der angedachten fünf Jahre über 32 Jahre und wirkt sehr zufrieden.
„Als Ulrike kam“, sagt Schürmann, „wurde die Feldmann-Stiftung schön!“, denn sie konzeptionierte und gestaltete alle Plakate, Eintrittskarten, Dokumentationen und Infos für die Feldmann-Stiftung. Die gelernte Vergolderin, studierte Objektdesignerin und Grafikern stellt klar: „Ich war ja schon immer in der Kultur aktiv, das war einfach mein Leben, und gleichzeitig war Gestaltungstechnik auch mein Leben, und wenn man diese beiden Sachen so kombinieren kann … Ich hab immer gesagt: Ich bin 27 Jahre für mein Hobby bezahlt worden.“
Voller Elan bei den Projekten und der Recherche
Ansprechpartner für alle interessierten Nutzer war stets Schürmann, der wegen seines Networkings im ganzen Stadtteil bekannt ist. „Ulrike ist für mich immer ein Korrektiv, weil es konkret wurde“, bekennt er. „Die Texte und Plakate machten es akzentuierter. Das war dann wieder für mich der Rahmen, an dem ich Veranstaltungen weiterentwickeln konnte. Deshalb war das so eine super Ergänzung.“ Nottebohm fügt hinzu: „Wir haben eigentlich nie darüber gesprochen, wer was macht. Max hat Termine reingebracht und ich hab das inhaltlich verarbeitet“.
Mit dem Styrumer Geschichtsgesprächskreis (GGK) als Herausgeber produzierte Nottebohm auch sechs Geschichtsbücher und vier Kalender über Styrum. Voller Elan betrieb sie die Recherche, ging mit Kamera auf Motivsuche für ihre über 5.000 Fotos, redigierte fremde Texte und verfasste eigene.
Kleine Sensation: die verschollenen Aluminiumtafeln von Martin Goppelsröder
Unermüdlich im Detail, fand Nottebohm die als verschollen geltenden Aluminiumtafeln von Martin Goppelsröder am Styrumer Schloß – eine kleine Sansation –, polierte die Styrumer Stolpersteine und konnte die Stadtarchive von Mülheim und Essen mit einer Biografie der Essener Künstlerin Lisa Merkel bestücken, deren beeindruckende Rohrplastik in der Schützenstraße steht. „Das hat mir zum Abschluss meiner beruflichen Laufbahn noch mal gutgetan“, gesteht Nottebohm. „Wo mir der Stadtteil sowieso sehr am Herzen liegt.“ Schürmann ergänzt: „Durch die Wiederentdeckung der Alutafeln hat das Kunstmuseum diese Tour durch Styrum mit aufgenommen in seine Kunstspaziergänge.“
„Wir machen Projekte, um damit Anstöße zu geben, beziehungsweise irgendetwas weiterzuentwickeln“, fasst Max Schürmann die gemeinsame Arbeit zusammen. So griffen Schürmann und Nottebohm die Idee des Styrumer Turnvereins auf, der während der Zeit der scharfen Corona-Beschränkungen digitale Turnübungen für Daheim zusammengestellt hatte. So entstand das Projekt digitales Kindertheater KRASS, erzählt Schürmann. „Ulrike entwickelte wieder ein geniales Logo, und wir haben alle Styrumer Kitas an diesem Projekt beteiligt. Die haben von Mülheimer Theatergruppen Filme auf USB-Stick gekriegt.“ Sichtlich begeistert und stolz fügt er an: „Dieses Projekt ist dann auch von anderen Städten übernommen worden.“
Das Grundkonzept: Demokratie fördern
Auch interessant
Das Grundkonzept der Feldmann-Villa bestehe darin, „Eigeninitiative zu fördern“, sagt Nottebohm. „Du hast eine Idee, du willst was machen, du meldest dich bei uns. Wir wägen ab, wie viel Unterstützung braucht eine Nutzergruppe.“ Schürmann sieht dabei auch die sozialwissenschaftliche Seite: „Diese Gruppen in der Feldmann-Stiftung sind ein wichtiges Modell innerhalb unseres Demokratiesystems. Dass Menschen mit verschiedenen Interessen zusammenkommen und lernen, durch die gemeinsame Nutzung Rücksicht aufeinander zu nehmen.“
Für Nottebohm gab es ein paar besonders herausragende Momente in ihrer Arbeit, so etwa bei den monatlich wechselnden Ausstellungen in der Cafeteria die Entwicklung der Hobbykünstlerin Heike Haack. Anfangs extrem schüchtern, wagte Haack nach viel gutem Zureden dann doch eine eigene Ausstellung und entwickelte ihren künstlerischen Horizont fortan immens. Auch die Zusammenarbeit mit der nahe liegenden Willy-Brandt-Schule war Nottebohm wichtig, als etwa 2016 ein Mädchen aus dem Kunst-Leistungskurs ein Bild fertigte, auf dem mehrere Fotografen ein am Boden liegendes Flüchtlingskind fotografieren. „Da krieg ich heute noch Gänsehaut!“, gibt sie zu.
Was Nottebohm und Schürmann für ihren Ruhestand planen
Auch interessant
Nottebohm blickt voller Freude auf ihre Zeit im Ruhestand, hat viele Ideen, darunter einen Roman zu schreiben und die „Freie Presse“ aus den 80er Jahren zu digitalisieren. Auch Schürmann hat Pläne, will sich in den nächsten Jahren in seiner Heimatstadt Dorsten-Wulfen beim Heimatverein engagieren, wird im September die 100-Jahr-Feier moderieren – und der Styrumer GGK kommt zu Besuch.
„Es ist nur als gemeinsames Paket zu verstehen, was die Feldmann-Stiftung geworden ist!“, fasst Max Schürmann seine 27 Jahre währende Zusammenarbeit mit Ulrike Nottebohm zusammen. „Für uns war immer Maßstab, was wir für Rückmeldungen auch gerade aus dem Stadtteil über unsere Arbeit bekamen.“
Vor Corona fast 70.000 Besucher
Gerd Beba, Ralf Duvenage und Ingrid Piontek entwickelten das auch heutigen Anforderungen entsprechende Konzept der Begegnungsstätte Feldmann-Stiftung. Vor Corona nutzten jährlich fast 70.000 Besucher die vielfältigen Stadtteilkultur-Angebote.
Jahrelang gab’s das Geburtstagsfest anlässlich der Eröffnung der Feldmann-Stiftung im April. Nutzergruppen präsentierten sich auf der Bühne oder betreuten eine der vielen Aktionen. Bis zu 2.000 Leute belebten das herrschaftliche Anwesen von rund 11.000 qm bei schönem Wetter.
Aufgrund des Wetterrisikos, verbunden mit hohen Kosten, nicht zuletzt durch Corona ist das Fest inzwischen im Sande verlaufen – wie auch der in ganz NRW bekannte Kinderkleidermarkt. Highlights mit Beteiligung des ganzen Stadtteils waren zum Beispiel das Internationale Kinderfest am 23. April – dem Tag des Buches und dem Tag des Kindes (in der Türkei) – und natürlich das große Familienfest am Aquarius, bei dem inzwischen um die 50 Gruppen mitmachen.