Mülheim. Aus dem überfüllten Mülheimer Horbachteich wurden zigtausend Fische gerettet. Das Wasser ist abgepumpt, doch das wahre Problem nicht gelöst.

Der mittlere Teich im Dümptener Horbachtal ist nur noch ein flaches Matschloch. Das Wasser: wie vom Erdboden verschluckt. Alle Lebewesen: verschwunden, dies aber mit voller Absicht. In einer Großaktion, mit fachkundiger Hilfe, hat die Stadt Mülheim am Donnerstag die komplette Fisch-Population aus dem Gewässer entfernen lassen und umgesiedelt.

Karpfen, Rotaugen, Stichlinge und andere Fische in riesiger Zahl, zigtausend Tiere, schwimmen jetzt in den Ruhrauen, in Kellermanns Loch. In der komplizierten, kontroversen Geschichte der Horbachteiche wurden Fakten geschaffen, doch damit sind nicht alle Probleme gelöst.

Große Fischrettung im Mülheimer Horbachtal

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Die Fische lebten seit Frühjahr 2021 nur übergangsweise im mittleren der drei künstlich aufgestauten Teiche, die von Quellwasser gespeist werden. Zuvor drehten sie im oberen Gewässer nahe der Nordstraße ihre Runden. Doch am Osterwochenende vergangenen Jahres herrschte plötzlich helle Aufregung in Mülheim, als der obere Horbachteich leer zu laufen drohte. An jenem Karsamstag alarmierte das Mülheimer Umweltamt die Tierrettung Essen. Bei einigen kräftigen Karpfen ragten da schon die Rückenflossen in die Luft, so niedrig stand das Wasser.

In einer großen Rettungsaktion wurden rund 60 Fische eingefangen und umgesetzt in den mittleren Teich. Mit Wathosen und Keschern schufteten Ehrenamtliche fünf Stunden lang. Wenige Tage später musste die Tierrettung erneut anrücken. Zahlreiche weitere Fische drohten zu verenden, etwa 250 wurden gerettet und umgesetzt, erneut auch sehr stattliche Exemplare. Doch schon zu jenem Zeitpunkt stellte das Umweltamt klar, dass die Fische in den Teichen - ursprünglich angelegt zur Kühleisgewinnung der ehemaligen Brauerei Berg - nicht auf Dauer leben könnten.

Stadt Mülheim will hier keine aufgestauten Teiche mehr

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Ihre Argumente wiederholt die Stadt Mülheim jetzt in einem aktuellen Statement: Zu viele Fische seien im Teich, dadurch werde „die schon suboptimale Wasserqualität signifikant belastet“, ebenso die Lebensqualität der Tiere. Außerdem wirke sich der Aufstau von Fließgewässern zu Teichen generell negativ auf die Wasserqualität aus „und ist daher nicht vereinbar mit den Zielen des Wasserhaushaltsgesetzes und der EU-Wasserrahmenrichtlinie“. Sprich: Aufgestaute Teiche soll es hier nicht mehr geben.

Transportbehälter für zigtausend Fische aus dem Mülheimer Horbachteich: Auf einem Pick-up mit Anhänger wurden sie zu Kellermanns Loch gebracht.
Transportbehälter für zigtausend Fische aus dem Mülheimer Horbachteich: Auf einem Pick-up mit Anhänger wurden sie zu Kellermanns Loch gebracht. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Daher wurde jetzt die Großaktion gestartet, mit Unterstützung des Fischzuchtbetriebs Pilgram und der Interessengemeinschaft (IG) der Fischervereine Untere Ruhr e.V. Am Mittwoch pumpte die Fachfirma den Teich weitgehend leer, Donnerstagfrüh wurden dann alle auffindbaren Tiere herausgeholt. Die Bilanz des Pilgram-Teams ist gewaltig: Die Anzahl der Fische sei „auf jeden Fall fünfstellig“, sagt ein Mitarbeiter, ihr Gesamtgewicht schätzt er auf 500 bis 600 Kilogramm.

Zwei Wasserschildkröten gingen ins Netz - sie kommen ins Tierheim

Ins Netz gegangen sind Karpfen (auch einige Kois), Rotaugen, Stichlinge, Barsche, ein Wels und dazwischen zwei männliche Wasserschildkröten. Diese ziehen, anders als die Fische, nicht um in Kellermanns Loch, sondern werden im Mülheimer Tierheim untergebracht. Nach Einschätzung von Gabriele Wegner, stellvertretende Leiterin der Mülheimer Umweltamtes, wurden fast alle diese Tiere ausgesetzt, von Menschen, denen sie zu groß, zu lästig geworden sind.

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Vor der Umsiedlungsaktion musste untersucht werden, ob die Fische mit dem Koi-Herpesvirus infiziert sind. In diesem Fall hätten sie Krankheiten verbreiten können und wären nicht in Kellermanns Loch gebracht worden. Es gab Plan B, sagt Gabriele Wegner, „ein Gewässer außerhalb der Stadtgrenzen Mülheims“, in dem bereits infizierte Tiere leben. Stichprobenartige Untersuchungen durch das NRW-Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) hätten im Mai 2022 aber ergeben, dass der Fischbestand im mittleren Horbachteich gesund ist.

Über künftige Gestaltung des Horbachtals wird heiß diskutiert

Das Leerlaufen des oberen Teiches haben im vergangenen Jahr offenbar Menschen verursacht, die sich am sogenannten „Mönchsbauwerk“ zu schaffen machten. So nennt man ein Rohrleitungskonstrukt, durch dessen Ablauf sich der Wasserspiegel regulieren lässt. Die Stadt Mülheim spricht von „Vandalismus“. Die Täter kenne man nicht. Bekannt ist aber der seit langem schwelende Konflikt um die künftige Gestaltung des gesamten Horbachtals, in dem zahlreiche kleine Quellen entspringen.

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Ein erstes Konzept zur nachhaltigen Entwicklung des Gebietes hatten externe Gutachter der Mülheimer Lokalpolitik bereits im Mai 2021 vorgestellt. Naturnahe Entwicklung der Gewässer ist dort ein zentrales Ziel. Die Bürgerinnen und Bürger sollen beteiligt werden, doch die Interessen der Dümptener Anwohner klaffen teils weit auseinander. Auch die Finanzierung einer Neugestaltung ist noch nicht geklärt.

Neue Heimat: Kellermanns Loch

Durchgeführt wurde die Umsiedlungsaktion von der Firma Pilgram GmbH, einem Fischzuchtbetrieb mit Sitz in Lohmar.

Die Tiere aus dem Horbachteich wurden mit einem Zugnetz und Keschern abgefischt, in Behälter gesetzt und auf einem Pickup samt Anhänger zu den Ruhrauen gefahren.

In Kellermanns Loch, südlich der Mender Brücke, fand sich ein neues Revier für die zigtausend Fische. „Dort bestehen für sie bessere Lebensbedingungen“, heißt es in einer Mitteilung der Stadt Mülheim.

Wie es mit den Teichen weitergeht, was bei erneuter Überfüllung passiert - all das sind offene Fragen. Die zweitägige Rettungs- und Umzugsaktion hat nach Angaben der stellvertretenden Umweltamtsleiterin rund 3300 Euro gekostet. Die Stadt Mülheim habe „voraussichtlich einen Sponsor, der die Kosten übernimmt“.