Mülheim. Was die EU gern hätte, ist nicht zu schaffen: alle Mülheimer Gewässer in einen guten ökologischen Zustand zu bringen. Gute Beispiele gibt’s aber.
Nehmen wir mal den Alpenbach in Mintard: Vor fünf Jahren wurde das Gewässer noch in einem schnurgeraden Graben und durch ein Rohr in die Ruhr geleitet. Heute mäandert dort ein Bächlein wie aus dem Bilderbuch durch die Aue. Wasserlebewesen haben freien Durchgang in die Ruhr – und auch von der Ruhr. Zurück zur Natur ist eine Zukunft, die sich die Europäische Union (EU) für alle 120 Kilometer Gewässer in Mülheim wünscht, spätestens bis 2027. Nicht zu schaffen, bilanziert das Mülheimer Umweltamt.
Mülheim stehe damit nicht alleine da, betonte der (scheidende) Leiter des Umweltamtes, Jürgen Zentgraf, jetzt im Umweltausschuss. Weder NRW noch Deutschland würden die so genannte Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) der EU bis 2027 umsetzen können, das weiß man schon seit einer NRW-Untersuchung aus dem Jahr 2018. Die meistgenannten Gründe dafür gelten auch in Mülheim: zu wenig Personal und zu wenig verfügbare Flächen. Naturnahe Bachläufe brauchen eben Platz, das ist auf bebauten Flächen mit verrohrten Wasserläufen immer schwierig.
Naturnahe Bachläufe brauchen Platz, das ist auf bebauten Flächen nicht einfach
Der Horbach, der die beiden Fischteiche im Horbachtal füllt, ist genau so ein Problemfall. Früher, vor aller Bebauung, wäre er mal natürlich in der Ruhr gemündet, heute wird er an der Mühlenstraße ins Abwassersystem geleitet. Als „Strahlprojekt“ stand der Horbach sogar mal auf der Liste für die Internationale Gartenausstellung (IGA) 2027, aber eine Renaturierung ist nicht realistisch, der Aufwand viel zu hoch. Auf seinem natürlichen Verlauf steht Siemens, steht die Hütte, zählt Zentgraf auf.
Was die Finanzen angeht, so muss die Kommune den naturnahen Umbau ihrer Gewässer nicht alleine stemmen: WRRL-Maßnahmen werden mit bis zu 90 Prozent der Kosten gefördert. Doch auch da wird aufs Geld geguckt. So hat die Bezirksregierung Düsseldorf den Einlauf des Wambachs in den Entenfangsee, das geht derzeit über einen ein Meter hohen Absturz, wegen gestiegener Kosten erst mal gestoppt.
Den nächsten Generationen soll die Lebensgrundlage Wasser erhalten werden
Die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ist hierzulande vor über zehn Jahre im Wasserhaushaltsgesetz umgesetzt worden und eigentlich eine sehr gute Sache: Europas Gewässer, Flüsse, Bäche, Seen, das Grundwasser und auch die Küstengewässer sollen in einen guten ökologischen und chemischen Zustand (zurück)versetzt werden. Das Ziel: den nächsten Generationen die Lebensgrundlage Wasser zu erhalten und die Artenvielfalt zu fördern.
Die Mülheimer Verwaltung ist hier seit 2012 aktiv und hat seit 2014 eine Stelle dafür im Umweltamt besetzt. Zunächst hatte die Stadt die beiden berichtspflichtigen Gewässersysteme Wambach und Rumbach in den Blick genommen. Als berichtspflichtig, im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie, gelten Fließgewässer mit mehr als zehn Quadratkilometern Einzugsgebiet, für die oft auch mehrere Kommunen zuständig sind. Das gilt für den Wambach, der von Saarn durch den Entenfang bis nach Duisburg fließt. Und auch für den Rumbach, der in Essen beginnt und durch die Stadtmitte in die Ruhr geleitet wird. Aber auch für alle anderen Fließgewässer Mülheims gibt es inzwischen schon Verbesserungs-Konzepte.
Von den Renaturierungsplänen sind in Mülheim etwa zehn Prozent umgesetzt
Umgesetzt wurden von all den schönen Renaturierungsplänen bisher etwa zehn Prozent, schätzt Zentgraf. Schwerpunktmäßig wurde in Mülheim die Durchgängigkeit der Gewässer gefördert. Das heißt: Wird ein Bach unter einer Straße etwa durch ein Rohr weitergeführt, und das Rohr endet dann auf der anderen Seite einen Meter über der Bachsohle, so ist das eine Einbahnstraße für Fische, Molche, Frösche und andere Wasserlebewesen.
Das wird zum Beispiel an der Winster- und an der Markenstraße in Saarn verändert, und auch mitten im Wald am Holzenbergsbruch. Diese Umbauten sind teuer – oft sechsstellig – denn es sind ja auch verkehrsrechtliche Maßnahmen wie neue Brücken und Übergänge damit verbunden.
Rumbach oder Ruhmbach
Der Rumbach, der im Oberlauf auf Essener Gebiet Ruhmbach heißt, ist etwa 7,4 Kilometer lang und ein rechtsseitiger Zufluss der Ruhr.
Der Rumbach wird bis zur Mündung in die Ruhr durch die Mülheimer Innenstadt unterirdisch geführt. Die Verlegung und Teilrenaturierung des Rumbachs ist ein großes innerstädtisches Bauprojekt und wird erst in einigen Jahren beendet sein.
Manchmal lasse sich aber auch „mit wenig Einsatz viel erreichen“, so Jürgen Zentgraf – und er meint nicht nur die 90-prozentige Förderung. So hat die Stadt etwa Am Sachtenhorst nahe der Mühlenbergheide eine Furt für ein Zufluss-Bächlein des Wambachs gebaut – anstelle der alten Rohrverbindung unter dem Weg. „Die Furt ist“, so Zentgraf, „auch ganz einfach zu durchqueren.“ Den Viehbach/Mühlenbach am Holunderweg in der Saarner Aue konnte die Stadt mit Fördergeldern und einer großzügigen Privatspende von 25.000 Euro renaturieren. Die Kosten lagen insgesamt bei 200.000 Euro.
Teure Maßnahmen sollen in Mülheim hauptsächlich aus Fördertöpfen finanziert werden
Auch bei geplanten Maßnahmen, die realistisch sind, vergeht oft viel Zeit bis zur Umsetzung. Abstimmungen mit Grundstückseigentümern und Behörden erweisen sich als langwierig; Artenschutz und der Wasserstand des Gewässers müssen beachtet werden. Um mehr EU-Vorgaben zur ökologischen Verbesserung der Mülheimer Gewässer bis 2027 zumindest verstärkt umsetzen zu können, wird die Stadtverwaltung bei nötigen Maßnahmen zur Gewässerunterhaltung – was eine originäre Pflichtaufgabe der Städte ist – den Fokus gleichzeitig auch auf die ökologische Verbesserung setzen.
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Die kostenintensiven Maßnahmen sollen aber weiterhin hauptsächlich aus Fördertöpfen finanziert werden. So sollen in den kommenden Jahren weitere Verbesserungen an Rum- und Wambach erfolgen. Und die Rossenbeck, ein rechter Zufluss der Ruhr und stramm auf Linie gebracht neben dem Wetzkamp in Menden, soll ab 2023 wieder natürlich in die Ruhr mäandern können.