Mülheim. Nach einem nächtlichen Vorfall in der Wohneinrichtung Worringer Reitweg, ringt eine 43-Jährige mit dem Tode. Personal steht „unter Schockstarre“.

Lebensbedrohlich verletzt wurde eine 43-jährige Frau in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch bei einem Vorfall in der Wohneinrichtung Worringer Reitweg in Mülheim. Weil schnell der Verdacht eines versuchten Tötungsdelikts aufkam, richteten Polizei und Staatsanwaltschaft eine Mordkommission ein. Die Betroffenheit von Personal und Mitbewohnern ist riesig.

Gegen 1 Uhr nachts waren Feuerwehr und Polizei zu dem Haus für sucht- und psychisch erkrankte Menschen im Uhlenhorster Wald gerufen worden, berichtete Polizeisprecher Christoph Wickhorst am Mittwochmorgen auf Nachfrage. Per Rettungswagen kam die schwer verletzte Bewohnerin, die blutend im Treppenhaus aufgefunden worden war, auf die Intensivstation eines nahe gelegenen Krankenhauses. „Nach wie vor“, sagte Wickhorst am Nachmittag, „ist Lebensgefahr nicht auszuschließen.“

Nach Hinweisen von Bewohnern wurde ein Tatverdächtiger vorläufig festgenommen

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Nach Hinweisen von Zeugen hatten die Beamten einen Tatverdächtigen (35) auf dem Hinterhof entdeckt und vorläufig festgenommen – die Staatsanwaltschaft prüft, ob der Mann am Donnerstag dem Haftrichter vorgeführt werden kann. „Hintergründe sind bislang unbekannt“, so Wickhorst, man wisse weder Näheres über den Tathergang noch über ein mögliches Motiv.

Rolf Wöste, Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH Regenbogen Duisburg, die die Einrichtung betreibt, liefert mögliche Erklärungen: „In unserem Haus wohnen Menschen mit besonderem Hilfebedarf.“ Deren psychische Erkrankungen und Sucht-Biografien könnten „durchaus dazu führen, dass sie andere angreifen – insbesondere, wenn es um Suchtbefriedigung geht“. Er könne sich – „ohne den Ermittlungen vorgreifen zu wollen“ – vorstellen, dass so etwas auch im vorliegenden Fall eine Rolle gespielt habe.

Geschäftsführer des Hauses: „Die Bewohner müssen nicht rauschmittelabstinent sein“

In der vom Landschaftsverband Rheinland finanzierten Wohneinrichtung „arbeiten wir akzeptierend“, erklärt Wöste. Das heißt: „Die Bewohner müssen nicht rauschmittelabstinent sein.“ Konsum sei zwar auf dem Gelände und im Gebäude verboten, „aber die Bewohner können durchaus unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln oder anderer Substanzen stehen, weil sie diese anderswo konsumiert haben“. Das Konzept sei ein besonderes, sagt Wöste – „auch ein besonders anspruchsvolles“.

Laut Michael Bormke, Geschäftsfeldleitung für den Bereich Besondere Wohnformen, nimmt der 35-Jährige immer wieder mal harte Drogen wie Heroin. „Er hat eine Suchtkarriere mit dem typischen Auf und Ab.“ Zwischenzeitlich sei er durchaus in der Lage gewesen, arbeiten zu gehen, dann aber wieder rückfällig geworden. „Die Drogen machen aus ihm einen anderen Menschen“, so Bormke.

Möglicherweise sei die 43-Jährige „einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen“

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Möglicherweise sei die 43-Jährige, die in der Klinik um ihr Leben ringt, „einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen“. Es gab zwischen ihr und dem Beschuldigten keine über das Wohnverhältnis hinausgehende Beziehung, „sie sind nicht bekannt als die, die immer zusammenhocken“. Doch wenn der Tatverdächtige Drogen genommen hat, bestehe die Gefahr, dass er „impuls-durchbrüchig“ wird, die Kontrolle über sich verliert. „Dann wird er seiner Wut nicht anders Herr, als gewalttätig zu werden“, so Bormke.

Nach der blutigen Tat – „er soll mit der blanken Faust zugeschlagen haben“ – sei das Personal „in Schockstarre“; auch viele Mitbewohner seien betroffen, hätten sich zurückgezogen. „Auseinandersetzungen gehören bei unserem Klientel dazu – aber so heftig sind sie zum Glück ganz selten.“ Man müsse jetzt „Sicherheit für alle schaffen“ und jedem nach seinem Bedürfnis Hilfsangebote unterbreiten: Bormke spricht von Supervision, Beratungsgesprächen, fachärztlicher Begleitung. Die Gedanken kreisten vor allem ums Opfer: „Wir hoffen, dass sie alles gut übersteht und zurückkommen kann.“