Mülheim. Pietro Bazzoli, langjähriger Betriebsratsvorsitzender bei Siemens in Mülheim und 1. Bevollmächtigter der IG Metall Bocholt, ist verstorben.
Über 20 Jahre war er Betriebsratsvorsitzender bei Siemens in Mülheim, war dort nach Aussage seiner Kollegen richtungsweisend und hatte sich vor rund drei Jahren mit dem Wechsel zur IG Metall in Bocholt, deren 1. Bevollmächtigter er war, einer neue Herausforderung gestellt. Nun ist Pietro Bazzoli überraschend gestorben – mit 53 Jahren.
Pietro Bazzoli hatte vor Kurzem einen Herzinfarkt erlitten, sich davon aber nach Aussagen langjähriger Weggefährten zunächst gut erholt, er sollte in Kürze eine Reha antreten. Schließlich aber war er am vergangenen Samstag verstorben. Mitte Februar hatte der Mülheimer seinen 53. Geburtstag begangen.
„Er war ein Denker und Lenker, ein prägender Charakter des Standortes, den er mit entwickelt hat“, sagt der heutige Betriebsratsvorsitzende am Siemens-Standort Mülheim Jens Rotthäuser über Pietro Bazzoli, dem er vor rund vier Jahren im Amt gefolgt war. „Das Thema Entwicklung bezog sich für Bazzoli nie nur auf den Standort, sondern auch auf den Betriebsrat als Gremium“, erklärt der amtierende Betriebsratsvorsitzende und sagt: „Ein Großteil meiner Entwicklung habe ich ihm zu verdanken, er war ein Förderer von mir.“
Siemens Energy in Mülheim: Der ganze Standort ist in Trauerstimmung
Rotthäuser schildert Bazzoli als weitsichtigen Planer, der bewusst darauf geachtet hat, Nachwuchs für den Betriebsrat heranzuziehen. „Pietro Bazzoli war eine der beständigsten Personen bei Siemens in Mülheim“, sagt Rotthäuser. Untrennbar verbunden bleibe mit ihm der Slogan „Mensch vor Marge“, der während Bazzolis Amtszeit aufkam, als es um den Kampf gegen Stellenabbau bei Siemens ging.
Der Schock über den plötzlichen Tod des langjährigen Kollegen und Betriebsratsvorsitzenden sei groß gewesen in der Belegschaft, beschreibt Rotthäuser die Lage am Montag. Auch Nevzat Özcan, Standortleiter von Siemens Energy in Mülheim, zeigt sich schockiert: „Der plötzlicher Tod von Herrn Bazzoli hat uns alle fassungslos gemacht, der ganze Standort ist in Trauerstimmung.“
Gewerkschaftskollegen schätzten Pietro Bazzolis Persönlichkeit
„Pietro war immer ganz gerade heraus und ungeduldig im positiven Sinne“, blickt Jörg Schlüter, 1. Bevollmächtigter und Geschäftsführer der IG Metall Mülheim, Essen und Oberhausen auf die langjährige Zusammenarbeit mit Bazzoli zurück. „Er wollte immer was bewegen und hat da viel Energie reingesteckt – das war bezeichnend für ihn.“
Vor der Fusion der Bezirke Mülheim, Essen und Oberhausen war der Mülheimer Bazzoli zweiter, ehrenamtlicher, Bevollmächtigter der IG Metall in Mülheim. „Er ist in Bocholt gut eingestiegen und hatte da noch viel vor“, berichtet Jörg Schlüter.
Geschäftsstelle der Bocholter IG Metall bleibt nach der Todesnachricht geschlossen
Dort, in der Geschäftsstelle der Bocholter IG Metall, ist man am Montagmorgen fassungslos über den plötzlichen Tod des Chefs. „Wir wussten, dass er beliebt war, aber die Anteilnahme, die wir nun zu spüren bekommen, ist überwältigend“, sagt eine Mitarbeiterin. Jürgen Bosse, der zweite Bevollmächtigter der IG Metall Bocholt, formuliert sein Andenken an seinen Kollegen so: „Mit Pietro Bazzoli verlieren wir einen sehr guten Freund und einen herausragenden Gewerkschafter. Seine Menschlichkeit, sein Gerechtigkeitssinn und seine Klugheit werden uns immer unvergessen bleiben.“
Unvergessen bleiben wird Pietro Bazzoli auch zahlreichen Siemens-Mitarbeitern aus Mülheim und aus den umliegenden Städten. Schon sein Vater, ein gebürtiger Römer, der mit dem Opa zum Aufbau von Raffinerien nach Deutschland gekommen war, war bei Siemens beschäftigt. 1985 begann Pietro Bazzoli seine Ausbildung zum Maschinenschlosser bei der damaligen Kraftwerk Union AG, ein ehemaliges Tochterunternehmen von Siemens und AEG. Ein Jahr später war er schon in der Jugendvertretung aktiv – von da an hat Bazzoli sich beständig für Mitarbeiterinteressen eingesetzt. 1998 wurde der engagierte Mülheimer Betriebsratsvorsitzender bei Siemens in Mülheim. Mit gerade einmal 29 Jahren.
„Damit war er einer der jüngsten Betriebsratsvorsitzenden überhaupt“, erinnert sich Dirk Horstkamp, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Mülheim, Essen und Oberhausen, der Pietro Bazzoli auch noch aus seiner eigenen Siemens-Vergangenheit kennt, wie er erzählt. Erst vergangene Woche habe er noch per WhatsApp Kontakt mit ihm gehabt, sagt Horstkamp. Bazzoli habe berichtet, dass er sich gut von der OP erholt habe, bei der ihm Stents eingesetzt worden waren. „Er sei stabil, schrieb er“, so Horstkamp.
Auch Sportler sind fassungslos über den plötzlichen Tod Bazzolis
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Auch die Sportvereinigung Siemens trauert um Pietro Bazzoli. Über 30 Jahre war er Mitglied in dem Verein, in dem er auch lange Jahre als stellvertretender Vorsitzender tätig war. „Pietro hat sich immer für die Belange der Vereinsmitglieder eingesetzt“, schreiben die Vereinsmitglieder in Gedenken an Bazzoli.
Horst Mölders, ehemaliger Siemens-Betriebsrat und – neben Bazzoli – langjähriger stellvertretender Vorsitzender der Sportvereinigung Siemens, kannte Pietro Bazzoli schon seit dessen Ausbildung. „Ich hab ihn quasi mit groß gezogen, in die Jugendvertretung und schließlich in den Betriebsrat gelotst“, blickt der 74-Jährige zurück. Mölders war Ende der 90er Jahre Bazzolis Stellvertreter im Betriebsrat, gemeinsam haben sie gegen den Stellenabbau bei Siemens gekämpft: „Pietro hatte immer seinen eigenen Kopf, aber es ging ihm immer um die Sache.“