„Meine Frau bekommt hier und da schon einmal zu viel“, lacht Horst Mölders. Mölders sitzt am Schreibtisch im ersten Stock seines Reihenhauses am Marsweg in Speldorf. Von dort lenkt er die Geschicke der Sportvereinigung (SV) Siemens, ehrenamtlich versteht sich. Im Schnitt bis zu fünf Stunden täglich. Ganz schön viel Zeit, findet seine Frau, aber die nimmt er sich gern.
Der 66-jährige Rentner ist Geschäftsführer des Vereins und hält den Betrieb von 22 Sportarten mit unermüdlichen Engagement in Gang. „Ohne die einzelnen Abteilungsleiter wäre der Verein nicht zu steuern“, erklärt Mölders jedoch. Er gibt den roten Faden in der SV Siemens vor, lässt die Abteilungsleiter ihre Sportarten aber eigenverantwortlich lenken. Der Verein besteht seit nunmehr 49 Jahren. 1965 wurde er auf Initiative des damaligen Werksleiters Karl Schultes und des Werkspsychologen gegründet, die schon damals den Mehrwert von Sport im Betrieb erkannten. „Die Kommunikation und das Miteinander kommen heutzutage zu kurz“, bedauert Mölders. Wo früher noch durch den Büroraum zur Sitzung gerufen wurde und Informationen persönlich weitergegeben wurden, greift man heute auf den PC und die E-Mail zurück.
Sportvereinigung mit Mehrwert
Die Idee, Sport zum Austausch und als Ausgleich zu nutzen, war 1965 ebenso einleuchtend wie heute. Der Geschäftsführer glaubt, dass gerade die Verbreitung des Computers und die damit einergehenden Anonymisierung am Arbeitsplatz die SV Siemens noch sinn- und wertvoller gemacht haben. 1997 wurde der Startschuss für ein großes Wachstum des Vereins gegeben. Den Stein ins Rollen brachte, wen wundert es, Horst Mölders. Zur 150-Jahr-Feier des Konzerns wurde nach einer geeigneten Veranstaltungsidee gesucht. Mölders warf die Ausrichtung eines Drachenbootrennens in den Ring. Als damaliger Vorsitzender der DJK Ruhrwacht Mülheim hatte er ein Jahr zuvor erstmalig ein Drachenboot angeschafft. Als Novizen im exotischen Sport, hatten Mölders und die Mitorganisatoren nicht mit einem derartigen Andrang beim ersten Mülheimer Drachenbootrennen gerechnet. „Es traten 62 Teams aus Mülheim an. 26 aus dem Betrieb, der Rest waren Mannschaften von Zulieferern und Partnern“, erzählt der Rentner mit einem gewissen Stolz in der Stimme.
Der Rest ist Geschichte. Das alljährliche Rennen ist seither Institution in Mülheim. In Mölders und seinen Kollegen im Betriebsrat, dessen Mitglied er seit 1984 war und dem er ab 1998 stellvertretend vorsaß, keimte nach der erfolgreichen Veranstaltung der Gedanke, die SV Siemens zu vergrößern. Bis dato hatte der Verein 106 Mitglieder, die in sechs Sportarten aktiv waren. Gemeinsam mit dem Betriebsratsvorsitzenden Pietro Bazzoli setzte sich Mölders ein Ziel: „Jede Woche ein neues Mitglied war unsere Vorgabe“, so Mölders. Mit aktuell 1250 aktiven Sportlern übertrafen sie diese deutlich. 85 Prozent der Mitglieder sind Siemens-Leute.
Ein ausgefülltes Ehrenamt
Als Mölders 2002 in den Frühruhestand ging, verlagerte sich seine Haupttätigkeit auf den Verein. Er verfasst den 14-tägig erscheinenden Infobrief über Ergebnisse und Veranstaltungen der Abteilungen, pflegt die Inhalte der Homepage oder beantwortet E-Mails. „Nach jedem Infobrief habe ich innerhalb von einer Stunde 100 E-Mails mit Fragen im Postfach“, berichtet der Ehrenamtler von seiner täglichen Arbeit. Sportlich fühlt er sich selbst auf der Bowlingbahn, dem Tennisplatz oder Wanderwegen im Wald zu Hause. Seit letzten Jahr auch beim Boule, das er als Aushängeschild der SV Siemens beschreibt.
Bei aller Vereinsarbeit, leuchtende Augen bekommt er aber vor allem mit Blick auf zwei kleine Hausschuhe an der Wohnzimmertür. Die gehören seiner zweijährigen Enkelin Julia. „Die schießt den Fußball schon rechts wie links“, ist der Großvater stolz. Die Familie darf bei der guten Seele des SV Siemens nicht zu kurz kommen. So kann seine Frau sicher auch einmal ein Auge zu drücken, wenn es wieder länger dauert im ersten Stock am Marsweg in Speldorf.