Mülheim. Bienen schon im Januar? Diese ungewöhnliche Entdeckung hat eine Leserin gemacht. Wir haben nachgeforscht wie sich das Phänomen erklären lässt.

Nach draußen geht man zurzeit meist bewaffnet mit Handschuhen, die Sonne zeigt sich selten, die Temperaturen sind eher niedrig: In Mülheim herrscht definitiv noch Winter, wenn auch ohne Schnee. Manche machen sich warme Gedanken und träumen sich hoffnungsvoll in die Frühlings- und Sommermonate. Was unsere Leserin Matilda Bauerdiek aber Anfang des Jahres bei sich auf der Terrasse entdeckte, war kein Wunschdenken, sondern tatsächlich Realität: Am Neujahrstag beobachtete sie auf den Blumen ihrer Terrasse vier Bienen. Überraschung machte sich bei ihr breit – die typischen Sommertiere bereits im Januar?

Das hielt sie für sehr ungewöhnlich, denn schließlich seien die Bienen über zwei Monate zu früh, dachte sie sich und schrieb uns eine E-Mail. Wir haben nachgeforscht und versucht, dem ungewöhnlich erscheinenden Phänomen auf die Schliche zu kommen.

Mülheims Imker haben Bienenkisten noch nicht geöffnet

Wildbienen müssen geschützt werden

Imkerin Nicola Fiß weiß, wie wichtig es ist, die Biene zu schützen. Doch sie macht sich Sorgen: Immer wieder kommen Leute und sagen, sie wollen gerne etwas für die Bienen tun. Was ja auch an sich sehr gut und richtig sei.

Das Problem: „Jahrelang haben die Medien propagiert, dass es sich beim Bienenschutz um Honigbienen handelt. Der Sturm auf die Imkerschulungen war kaum noch zu bewältigen.“ Was viele aber nicht wissen: „80 Prozent unserer Blühpflanzen werden von Wildbienen bestäubt.“

Durch die vielen Jungimker und Bienenvölker komme es allerdings zur Nahrungskonkurrenz, zumal Wildbienen einen deutlich kleineren Flugradius haben. Dadurch wird es für die Wildbiene immer schwieriger, Nahrung zu finden. Man habe also so genau das Gegenteil erreicht.

Das Beste, was man für den Bienenschutz also tun könne, so Fiß, sei, eine Stelle im Garten einfach wild wuchern zu lassen, sodass heimische Blüten wachsen können. „Wenn sich dort dann Wildbienen ansiedeln, kann man davon ausgehen, dass die ökologische Nische im Garten intakt ist.“

Imker Matthias Hahn betreibt seit 2019 die „Imkerei an der Ruhr“. Er verfügt über drei Bienenstände, sechs Wirtschaftsvölker und etwa 180.000 Bienen. Hat er dieses Jahr auch schon Bienen gesehen? „Nein, aber ich war bisher auch noch nicht an den Bienenständen nachgucken“, erzählt er. Und das aus einem einfachen Grund: „Wenn ich jetzt die Kisten aufmache, um reinzugucken, schlägt die kalte Luft rein“, weiß Hahn. Er will noch den Frost abwarten und dann in den nächsten Wochen mal nachschauen.

Um der Antwort auf die Frage, wieso unsere Leserin im Januar schon Bienen begegnet ist, ein Stück näher zu kommen, ist es sinnvoll, sich erst mal anzuschauen, wie Bienen überhaupt überwintern. Dazu ist die Unterscheidung zwischen Wildbienen und Honigbienen wichtig. „Wildbienen sind Solitärbienen“, erklärt Matthias Hahn, und somit Einzelgänger. Der Großteil der Wildbienen legt im Sommer ihre Eier im Boden oder in Pflanzenstängeln ab. Nur der Nachwuchs überwintert dann als Puppe im Nest und schlüpft im folgenden Frühjahr.

Honigbienen überwintern in einer fußballgroßen Wintertraube

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Bei den Mauerbienen passiert dies etwa im März – dass es sich bei der Entdeckung unserer Leserin also um eine solche gehandelt hat, sei sehr unwahrscheinlich, mutmaßt Nicola Fiß. Sie ist ebenfalls Imkerin und kümmert sich um die Klosterbienen im Kloster Saarn. Bienen sind zu ihrer großen Leidenschaft geworden, der Schutz dieser Tierart steht für sie an erster Stelle.

Sie erklärt, wie die Honigbiene überwintert: Denn anders als die Wildbiene lebt diese im Volk. Während die Bienen im Sommer nur drei bis sechs Wochen auf der Erde weilen, leben sie im Winter bis zu sechs Monaten. „Diese bilden dann die sogenannte Wintertraube. In der Mitte von dieser sitzt die Königin“, erklärt Fiß. Die äußeren Bienen halten so die Königin warm und geschützt. Die Traube bestehe aus dem nur noch relativ kleinen Volk, das sich in Form eines Fußballs zusammengetan hat. „So müssen sie durchhalten bis zum Frühjahr“, erklärt Fiß, denn Honigbienen fangen erst ab etwa zehn Grad wieder an zu fliegen.

Bienen im Januar: „In erster Linie geht es jetzt einfach um den Toilettengang“

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Und wie kommt es nun, dass unsere Leserin schon Anfang Januar Bienen gesehen hat? Matthias Hahn erinnert sich: „Um Neujahr rum waren die Tage ungewöhnlich warm.“ Und dies führe, wie Nicola Fiß weiß, dazu, dass sich manche Bienen bereits dann erstmalig aus dem Bienenstock wagen – wenn auch nur kurzzeitig. „Die Bienen nutzen die wärmeren Stunden gerne, um sich einfach mal die Blase zu entleeren“, erklärt Fiß. Denn dazu hatten sie den ganzen Winter über keine Gelegenheit, die Bienen verharren geduldig im Stock und sammeln die Exkremente in der Kotblase.

„Wir haben bei uns auch schon Bienen beobachtet, die rausgekommen sind. In erster Linie geht es jetzt einfach um den Toilettengang“, so Fiß. Keine Sammelflüge also, sondern Entleerungsflüge! „An den ersten sonnigen Tagen ärgern sich Frauen häufig über gelbe Flecken auf der draußen getrockneten Bettwäsche. Es gibt dann oft Ärger, weil die weißen Laken voll sind mit gelbem Bienenkot“, so Fiß.

Dass eine Biene beim Toilettenflug die ein oder andere Gelegenheit wahrnimmt, um an den wenigen schon blühenden Pflanzen bereits etwas Nektar zu verspeisen, könne dabei schon mal vorkommen. Wer also im Januar oder Anfang Februar eine Biene umherschwirren sieht, der kann sich ziemlich sicher sein: Mit großer Wahrscheinlichkeit musste diese Biene schlichtweg einfach mal aufs Klo.