Mülheim. Zwischen Lockdown und 2G-Regel haben viele neue Läden in Mülheim mutig eröffnet. „Wir bleiben“, sagt eine Geschäftsfrau. Was sagen die anderen?
Für die meisten Ladeninhaber war auch 2021 ein Krisenjahr, doch Geschäftsideen und Wagemut gibt es offenbar auch in Mülheim reichlich.
Vor allem im Herbst erlebte die Stadt eine Reihe von Neueröffnungen, wenig später wurde die 2G-Regelung ausgerufen - kontrolliertes Shopping eingeführt.
Mülheimer Möbel- und Dekoladen vom Lockdown ausgebremst
Das „Ideewerk“ von Ralf Dangelus und Benedikt Pietruszka war schon im Dezember 2020 startklar, doch dann mussten die beiden den langen, nervenzehrenden Lockdown aussitzen. Erst Mitte Mai ging der Verkauf los in ihrem Möbel- und Dekoladen an der Althofstraße, wo früher die Buchbinderei Brings ihren Sitz hatte. Hier haben sie nicht nur Dekoartikel aus aller Welt im Sortiment sowie Ledertaschen und Silberschmuck, sondern nehmen auch Möbelstücke entgegen, um sie umzuarbeiten.
Viele solcher Aufträge hätten sie in jüngster Zeit bekommen, berichtet Ralf Dangelus, und zeigt sich generell mit der Nachfrage zufrieden: „Der Laden wird gut angenommen. Es ist noch ausbaufähig, aber wir wollen uns nicht beklagen und sind überzeugt, dass unser Konzept funktioniert.“ Viele Kunden seien dankbar für das Angebot - „eine von wenigen Möglichkeiten, in Mülheim ausgefallene Sachen zu shoppen“.
Broicher Boutique startet mit „super Weihnachtsgeschäft“
Um Shopping spannender zu machen, ist einige Kilometer entfernt, an der Ulmenstraße in Broich, auch Alexandra Scholz angetreten. In ihrem Geschäft „Frau Scholz - herzverpackt“ verkauft sie seit Oktober Mode mit Schwerpunkt auf dänischen Labels, ergänzt um ausgewählte Dekoartikel und Schmuck - wobei die Geschäftsfrau schon Jahre vorher auf Instagram sehr aktiv war.
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Ihr erster stationärer Shop sei „super gestartet“, sagt die Modeexpertin, „ich bin sehr zufrieden, super war auch das Weihnachtsgeschäft“. Aus dem Onlinegeschäft habe sie schon viele Stammkundinnen, die ihr folgen, „aber auch hier in Broich wird der Laden von der Nachbarschaft gut angenommen, ich kann mich nicht beschweren“. Hauptsächlich wird Kleidung gekauft, „Lederleggings und Strickpullis liefen ganz gut, aber auch Geschenkartikel“.
Bis zum 9. Januar macht „Frau Scholz“ Weihnachtsferien, danach soll es hoch motiviert weitergehen. Die Ladeninhaberin denkt sogar schon über personelle Verstärkung nach - sie könnte Hilfe beim Verpacken und Versand gebrauchen, denn das Onlinegeschäft lässt sie keineswegs ruhen.
Wallviertel soll Menschen in die Mülheimer City ziehen
Eine Reihe von Neueröffnungen hat es 2021 im Wallviertel gegeben, das zu einer neuen Marke in Mülheim geformt werden und Menschen in die Innenstadt ziehen soll. Gründer können mehrere Monate lang städtische Mietzuschüsse bekommen. Auf dieser Basis hat sich beispielsweise im September die Fotografin Jill Diefenbach mit ihrem Shop „Jill Abanico – Photography“ am Kohlenkamp niedergelassen.
„Villa Smilla“ geschlossen
Kaum ein Jahr durchgehalten hat dagegen „Villa Smilla“ am Löhberg, ein Shop unter anderem für hochwertige Wohnaccessoires.
Zur Eröffnung Ende Oktober 2020 hatte Inhaberin Christine Stein auf ihrer Website hoffnungsfroh geschrieben: „Schöne Dinge ziehen Menschen an.“
Inzwischen ist der Mülheimer Store der Geschäftsfrau schon wieder geschlossen. Das Ladenlokal steht momentan leer.
Wenig später startete am Löhberg das Geschäft „Handgemacht & more“: In einer Art Regalshop für Kunsthandwerk, Upcycling- und Vintage-Artikel verkauft Inhaber Achim Wolf nicht nur eigene Arbeiten, sondern auch Produkte von etwa zehn anderen Kreativen. Angemietet hat er das Ladenlokal zunächst nur bis März.
Vor allem Katzenfans haben „Faunawelten“ entdeckt
Einen Probelauf wagt am Löhberg auch Thomas Gansberg, der in seinen „Faunawelten“ auf kleinsten Raum vielfältiges Tierzubehör anbietet und nicht vorhandene Ware gerne für die Kundschaft bestellt. Die ersten beiden Monate vor Ort seien „ganz okay“ gelaufen, berichtet Gansberg. Vorrangig Katzenfreundinnen und -freunde hätten bisher bei ihm gekauft - froh, nach Jahren wieder ein Tierfachgeschäft in der Mülheimer Innenstadt zu finden. „Und von denen, die meinen Laden gefunden haben, sind einige schon Stammkunden geworden“, sagt der Inhaber.
Schräg gegenüber hat Tupperware-Fachfrau Astrid Knöller im Spätsommer ein recht geräumiges Geschäft eröffnet, in dem auch eine Showküche nicht fehlt. „Wir haben hier alles, was im Katalog steht“, sagt sie - bunte Kunststoff-Küchenutensilien jeglicher Art. Im Mülheimer Laden, stellt Astrid Knöller nach nunmehr vier Monaten fest, laufen nicht die aktuellen Monatsaktionen besonders gut, sondern die regulären Produkte zum Lagern, Einfrieren, Frischhalten.
Im Tupperware-Geschäft ist es ruhiger geworden
Der Laden sei gut gestartet, berichtet die Tupper-Expertin, „danach ist es ruhiger geworden“. Im neuen Jahr seien einige Veränderungen geplant, aber noch nichts Spruchreifes. Jedenfalls: „Wir bleiben.“
Neue Apotheke auf der Schloßstraße beunruhigt die Konkurrenz
Auf der Schloßstraße hat die Eröffnung einer weiteren Apotheke Ende Oktober viel Aufmerksamkeit erregt. Inhaber Alexander Bonmann hat sich im ehemaligen Woolworth-Gebäude („The O.“) mit seiner „Easy Apotheke“ niedergelassen, deren Schwerpunkt weniger auf Medikamenten, sondern mehr auf Kosmetik- und Körperpflegeprodukten liegt. Zwei Geschäfte betreibt er bereits in seiner Heimatstadt Essen.
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Während der 34-Jährige überzeugt ist, mit seinem Modell einer „Apotheke im Drogeriemarkt“ in Mülheim eine Lücke zu füllen, reagierte die Konkurrenz in der Innenstadt wenig begeistert. Dort spürt man die Sorgen, die Neueröffnung könnte einen Verdrängungswettbewerb auslösen.
Bewegung auch bei Mülheims Lebensmittelgeschäften
Von Existenzsorgen wenig belastet dürften die großen Supermärkte sein, und auch in diesem Bereich gab es in Mülheim 2021 Bewegung. Vor allem das Familienunternehmen Paschmann hat kräftig investiert und expandiert, musste aber auch Hindernisse überwinden.
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Ende April eröffnete zunächst der neue Edeka-Markt von Paschmann im Saarn-Center, fast drei Jahre nach Schließung von Tengelmann an selber Stelle. SWB als Eigentümerin des Einkaufszentrums im Dorf Saarn hatte die Verzögerungen mit dem aufwändigen Planungsverfahren begründet. Rund fünf Millionen Euro hat Paschmann nach eigenen Angaben investiert, um den Saarnern wieder einen Nahversorger zu bieten.
Größter Mülheimer Supermarkt im Hafencenter
Das zweite große Paschmann-Projekt im neuen Hafencenter wäre durch den Großbrand im Februar fast in Schutt und Asche gelegt worden. Zum Glück trotzte eine Brandschutzmauer den Flammen, und mit nur einem Vierteljahr Verspätung ging Ende Oktober Mülheims größter Supermarkt an den Start. Das Geschäft, hergerichtet für rund neun Millionen Euro, will in puncto Angebot und Ausstattung stadtweit Maßstäbe setzen. Auch dm und Lidl sind im Hafencenter mit neuen Filialen vertreten.
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Gewöhnen müssen sich die Mülheimerinnen und Mülheimer noch an den Wechsel von Real zu Kaufland am Heifeskamp, der Ende Oktober innerhalb weniger Tage vollzogen wurde. Real hat sich damit vollständig aus der Stadt zurückgezogen, Kaufland ist erstmalig vertreten. Bei mehr als 35.000 Artikeln aus dem Lebensmittel- wie Non-Food-Bereich sollten Stammkunden fast alles wiederfinden - so das Versprechen. Die Beschäftigten durften bleiben.