Mülheim. Das Kassensystem bei Edeka im Mülheimer Hafencenter soll besonders schnell und bequem sein. Doch viele Neu-Kunden sind erst einmal irritiert.

Vor knapp zwei Wochen hat an der Weseler Straße das neue Hafencenter eröffnet, im Mittelpunkt: eine Vorzeige-Filiale von Edeka-Paschmann, momentan Mülheims größter Supermarkt.

Alles in diesem Markt wirkt maximiert und hochmodern, auch der Kassenbereich. Hier wurden acht SB-Kassen installiert, doch der Großteil des Geschäftes spielt sich weiterhin an den neun Kassen ab, die mit Personal besetzt wird. Hier erwartet Neu-Kundinnen und -Kunden eine Überraschung: Sonst sind sie es gewohnt, ihre Waren selber auf das Band zu legen, hinter dem eine Kassiererin sitzt. Doch bei Edeka im Hafencenter wird ihnen der gefüllte Korb oder Einkaufswagen abgenommen.

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Bei Edeka im Mülheimer Hafencenter legen Kassiererinnen die Waren aufs Band

Die Kassiererin - oder der Kassierer - steht bereit, hebt jedes einzelne Teil aufs Band, scannt die Waren und nennt den Gesamtpreis. Bezahlt wird an einem sogenannten „Paytower“, gleich zwei solcher Stationen gibt es am Ende jeder Kasse. Viele Kundinnen und Kunden, das verraten irritierte Blicke, haben solch ein System noch nie gesehen.

Dabei wird in der Filiale von Edeka Paschmann an der Mannesmannallee schon seit fast sechs Jahren so gearbeitet, erklärt Junior-Geschäftsführer Falk Paschmann. Zuvor hatten sie dort das übliche System: Jeder legt seine Waren eigenhändig auf das Band und wartet, bis der vorherige Kunde fertig ist, bis alles eingescannt ist, Geldbörse oder Karte hervorgekramt wurden, der Bezahlvorgang abgeschlossen.

Ziel: Lange Schlangen an den Kassen vermeiden

An der Mannesmannallee führte dies - so Paschmann - besonders an Wochenenden zu immens langen Schlangen. Teils mussten die Kundinnen und Kunden eine Viertelstunde lang warten. „Manche haben sich direkt am Eingang umgedreht und sind wieder gegangen“ - abgeschreckt vom Stau an den Kassen.

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Diesen Effekt wünscht sich kein Händler, darum, so Falk Paschmann, habe man die Zahl der Kassen verdoppelt und zugleich ein neues System eingeführt, das jetzt auch im Hafencenter läuft. „Dabei trennt man den Scanvorgang vom Bezahlvorgang und erhöht das Tempo. So ersparen wir unseren Kunden das Warten.“ Denn am Ende eines jeden Bandes stehen zwei Bezahlstationen. Neun Kassen gibt es, 18 Paytower.

Paschmann will erhöhten Service bieten - Kunden müssen schwere Sachen nicht heben

Zugleich will Paschmann auf diesem Wege „den Servicelevel erhöhen“. Er ist überzeugt: „Vor allem ältere Leute freuen sich, wenn sie schwere Sachen nicht ein zweites Mal heben müssen.“ Dass dafür die Rücken der Beschäftigten stärker belastet werden, glaubt der Jung-Geschäftsführer nicht. Schwere Ware könne mit kabellosen Scanpistolen registriert werden und im Einkaufswagen liegen bleiben.

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Das neue System ist also nicht mühsam für die Beschäftigten? „Man gewöhnt sich daran“, sagt eine erfahrene Edeka-Verkäuferin, die jetzt im Hafencenter eingesetzt ist, die Methode aber schon aus der Filiale an der Mannesmannallee kennt.

Mülheimer Supermarktkunde nennt die Methode „mittelalterlich“

Zumindest ein Supermarktkunde bezweifelt diesen Gewöhnungseffekt. Der Mülheimer Werner Müller, der erstmals im neuen Hafencenter einkaufte, findet die Methode „mittelalterlich“ und glaubt sich zu erinnern, dass es Ähnliches vor zwei Jahrzehnten schon gab. „Dann haben die Gewerkschaften sich im Interesse der Verkäuferinnen dafür eingesetzt, dass der Kunde die Ware aufs Band legt.“ Müller ist regelrecht verärgert über das Kassensystem und fragt: „Wo waren die Gewerkschaften bei der Mitbestimmung?“ Wer sich für Frauenrechte ernsthaft einsetze, müsse diesen Supermarkt eher meiden, schimpft Werner Müller.

Kein Betriebsrat bei Paschmann

Im Mülheimer Familienunternehmen Edeka Paschmann, das 1961 gegründet wurde und mittlerweile elf Standorte hat, gibt es keinen Betriebsrat.

„Wenn die Mitarbeitenden sich aufgehoben und repräsentiert fühlen, braucht man keinen Betriebsrat“, meint Junior-Geschäftsführer Falk Paschmann. Wichtiger als eine Institution sei, sich mit gegenseitigem Respekt zu begegnen.

Bislang habe es auch noch keine entsprechende Initiative gegeben, heißt es aus der Chefetage.

Die Gewerkschaft Verdi bestätigt das. Der für Handel zuständige Verdi-Sekretär Kay Lipka sagt: „Wenn die Beschäftigten sich auf den Weg machen, um einen Betriebsrat zu gründen, helfe ich gerne. Noch gab es aber keine Anfrage.“

Bei der zuständigen Gewerkschaft Verdi reagiert man deutlich entspannter. Gewerkschaftssekretär Kay Lipka, erfahrener Fachmann im Bereich Handel, kann sich an keine Debatte um Kassensysteme erinnern und kennt auch die Arbeitsabläufe bei Paschmann im Hafencenter noch nicht aus eigener Anschauung. Er werde sich das System aber zeitnah anschauen, kündigt Lipka an.

Junior-Chef: Vorschläge der Mitarbeitenden wurden eingearbeitet

Das Argument mangelnder Mitbestimmung dürfte in der Chefetage nicht verfangen. Zwar gibt es im Hause Paschmann keinen Betriebsrat, doch der Junior-Chef versichert: „Wir haben die Entscheidung nicht alleine getroffen, sondern allen Mitarbeitenden unsere Ideen präsentiert und ihre Vorschläge eingearbeitet.“

Auch mit der Berufsgenossenschaft habe man sich abgestimmt. Falk Paschmann nennt ein konkretes Beispiel: Unter den Füßen des Kassenpersonals liegen spezielle Matten, für eine ergonomisch bessere Stehposition. „Es gab mehrere zur Auswahl, unsere Beschäftigten haben sich für eine entschieden.“