Mülheim. Das zweite Jahr unter schweren Corona-Bedingungen zerrt an den Nerven der Mülheimer Gastronomiebetriebe. Welche Bilanz sie ziehen für 2021.

In der Gastwirtschaft wird nicht nur gegessen, getrunken und gefeiert, sondern auch gearbeitet und der Lebensunterhalt für Familien verdient. Folgt man der städtischen Internetseite, gibt es in Mülheim zurzeit etwa 120 gastronomische Betriebe. In diesen Betrieben arbeiten nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit 1153 sozialversicherungspflichtig und 1055 geringfügig Beschäftigte. Doch die Corona-Pandemie hat vielen Gastronomien einen Strich durch die Rechnung gemacht. Deshalb fragte diese Zeitung Mülheimer Gastronominnen und Gastronomen danach, wie sie das Corona-Jahr 2021 erlebt und überlebt haben.

„Wenn ich meine aktuellen Umsätze mit denen des Vor-Corona-Jahres 2019 vergleiche, liege ich derzeit bei knapp 50 Prozent. Die Leute kommen zwar, sind aber sehr zögerlich und verunsichert. Manche reagieren auch verärgert, wenn wir die Auflagen des Ordnungsamtes erfüllen und sie nach ihrem Impfzertifikat und ihrem Personalausweis fragen“, berichtet Gabriele Thomas.

Mülheimer Gastronomin: „Wir müssen durchhalten, weil wir lieben, was wir tun“

Auch interessant

Die Inhaberin des Gesellenhauses an der Pastor-Jakobs-Straße rechnet am Anfang des neuen Jahres mit einem dritten Lockdown. „Wir müssen durchhalten, weil wir lieben, was wir tun und weil wir unsere Gäste ins Herz geschlossen haben“, spricht sich Gabriele Thomas selbst Mut zu. Ihrem Vermieter ist sie „sehr dankbar dafür, dass er mir während der Lockdowns entgegengekommen ist.“

Jörg Thon, der mit seiner Frau Janette den Bürgergarten an der Aktienstraße und den Ratskeller am Löhberg betreibt, sagt: „2021 war für uns noch schwieriger als 2020, weil uns in diesem Jahr das gesamte Karnevalsgeschäft weggebrochen ist!“ Wenn er die Jahre 2019 und 2021 miteinander vergleicht, prognostiziert er, „dass wir in diesem Jahr vielleicht 45 bis 50 Prozent unseres Vor-Corona-Umsatzes erwirtschaften werden.“

Ratskeller-Chef hofft auf Absenkung der Mehrwertsteuer

Auch interessant

Politisch hofft Thon darauf, „dass die Gebühren für die Außengastronomie halbiert und die Mehrwertsteuer für Getränke, wie die für Speisen, von 19 auf sieben Prozent abgesenkt wird.“ Thon freut sich, „dass die Familien und unsere einzelnen Stammgäste weiter kommen“. Doch die Firmen hätten ihre Weihnachtsfeiern storniert, „weil keiner dort die Verantwortung dafür übernehmen will“.

Mila Medic vom Löhberg-Restaurant Medici sagt im Rückblick auf das Jahr 2021: „Nach dem zweiten Corona-Lockdown hatten wir einen guten Sommer, weil die Leute sich gefreut haben, dass sie wieder zu uns kommen können. Aber die letzten beiden Monate waren nicht so besonders. Unsere Stammgäste kommen zwar weiterhin. Aber alle Gruppen und Firmen, die bei uns ihre Weihnachtsfeier machen wollten, haben abgesagt.“ Für die Gastronomin steht fest: „Wir würden schneller wieder aus der Krise kommen, wenn alle vernünftig und sich gegen das Corona-Virus impfen lassen würden.“

Gäste sind verunsichert: Pizzeria in der Innenstadt fehlt die Laufkundschaft

Auch interessant

„2021 war für uns ein sehr hartes Jahr, zumal wir nur während des Lockdowns staatliche Hilfen bekommen haben. Die Gäste bleiben aus und sind verunsichert, weil sie keine Planungssicherheit haben“, bilanziert der Inhaber der Trattoria Bella Toscana an der Leineweberstraße, Ulash Bozdag. Von der Politik wünscht er sich „klare Aussagen“ zur Bewältigung der Corona-Krise und eine Senkung der kommunalen Gewerbesteuer. Deren jüngsten Erhöhungen empfindet er als „wirtschaftlich kontraproduktiv, weil sich viele Gewerbetreibende fragen, ob es sich überhaupt noch lohnt, in Mülheim ein Geschäft oder ein Restaurant zu eröffnen.“

„Nach dem zweiten Lockdown wurden wir im Frühjahr und Sommer sehr gut besucht. Man hat gemerkt, dass die Leute mal wieder rausgehen wollten und sich zu Hause etwas gegönnt haben, statt in Ferien zu fahren“, blickt Benedikt Pitruszka-Dangelus von der Kaufbar am Dickswall auf die umsatzstärksten Monate des Jahres zurück.

Ein schleppendes Weihnachtsgeschäft: Viele beklagen kräftige Umsatzeinbußen

[+++ Gastronomie in Mülheim - Hier finden Sie unsere Extra-Seite dazu +++]

„Das Weihnachtsgeschäft läuft leider sehr schleppend an. Viele Firmen- und Geburtstagsfeiern werden abgesagt oder nur zu Hause gefeiert. Die häufig wechselnden Bestimmungen der Corona-Schutzverordnungen haben die Leute verunsichert“, beschreibt er die aktuelle Lage. „Wir werden 2021 mit einem Minus abschließen, haben aber so viel verdient, dass wir unsere Miete und unsere Mitarbeiter bezahlen können, ohne auf staatliche Hilfen zurückgreifen zu müssen“, resümiert Pitruszka-Dangelus.

Claudia Thiesmann vom gleichnamigen Hotel und Restaurant an der Dimbeck geht davon aus, dass sie ihr gastronomisches Jahr 2021 „trotz eines normalen Junis“ und eines zusätzlichen „Außer-Haus-Liefergeschäftes“ mit einem Umsatz-Minus von rund 40 Prozent beschließen muss. „Wenn wir während der Lockdowns keine staatlichen Corona-Hilfen gehabt hätten, wären wir schon weg“, sagt die Gastronomin, die den Gastbetrieb in der vierten Familiengeneration führt.

Gastronom am Schemelsbruch bietet Catering, um Verluste zu mindern

Auch interessant

Für Falk Sassenhof vom gleichnamigen Restaurant und Hotel am Schemelsbruch in Speldorf war der Sommer die gastronomisch beste Zeit des zu Ende gehenden Jahres. „Wir haben einfach keine Planungssicherheit“, beschreibt er das wichtigste Gefühl der Corona-Zeit, in der er nicht nur im À-la-Card-, sondern auch im Catering-Geschäft Corona-bedingte Umsatzeinbußen von 30 bis 50 Prozent und den Verlust von Mitarbeitenden hinnehmen musste, die im Gastgewerbe keine zukunftssichere Branche mehr sahen.

„Frühe konnte ich in meinem Restaurant bis zu 160 Gäste bewirten. Unter Corona-Bedingungen sind es nur noch maximal 100. Da ist auch unser neuer Catering-Service nur ein kleiner Ausgleich für unser unter Corona-Bedingungen sehr schwieriges À-la-Card-Geschäft, damit unsere roten Zahlen nicht zu rot werden“, beschreibt Sergio Sirik vom Walkmühlenrestaurant sein Corona-Gastro-Jahr 2021.

Obwohl ihm die steigenden Infektionszahlen das ansonsten immer gute Weihnachts- und Vorweihnachstgeschäft verhagelt haben und auch das Halten des Personals sich in Corona-Zeiten schwierig gestaltet, ist Hendrik Peek von der Mausefalle an der Bogenstraße zur Altstadt optimistisch, „dass wir 2021 vielleicht knapp die Umsätze des Vor-Corona-Jahres 2019 erwirtschaften können.“ Deshalb ist er auch mit Blick auf die Zukunft seines Betriebs „verhalten optimistisch“ und gleichermaßen dankbar für seine treuen Stammkunden und die staatlichen Corona-Hilfen.