Essen. Der Großteil der 128 Beratungsstellen und -zentren für Arbeitslose in NRW steht vor dem Aus. Zum Ende dieses Monats stellt das Arbeitsministerium die Zahlung von Fördermitteln ein. Die Träger der Einrichtungen müssen sich Alternativen suchen. Vielen wird es nicht gelingen.

Am 20. August dieses Jahres ist es Gewissheit gewesen, im Landtags-Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat sich die Regierungsmehrheit gegen die SPD durchgesetzt: Die 4,6 Millionen Euro, die das Land aus EU-Mitteln für die Förderung von Arbeitslosenzentren und -beratungsstellen jährlich gezahlt hat, wird es ab Ende September nicht mehr geben. Für Arbeitsminister Karl-Josef Laumann ist der 20. August dieses Jahres kein schlechter: "Bereits bei einem Drittel aller 128 Arbeitslosenzentren und -beratungsstellen sind nach einer Befragung schon Nachfolgevereinbarungen zur Finanzierung abgeschlossen worden." Allein: Es bleiben zwei Drittel übrig - und bei denen wird es jetzt, wo der Stichtag stetig näher rückt, immer düsterer. Und der Alarm wird lauter.

"Hilfe gut, sinnvoll und auch effektiv"

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Aus für viele Arbeitslosenberatungsstellen:Wird an der falschen Stelle gespart?
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"Auf der Strecke bleiben die Arbeitslosen", kritisiert nicht nur Nikolaus Immer vom Verband der Freien Wohlfahrtspflege NRW. Die Kirchen sind dem Verband bereits beigesprungen: "Hier wird eine Hilfe für die betroffenen Menschen eingestellt, obwohl alle davon überzeugt sind, dass diese Hilfe gut und sinnvoll und auch effektiv ist", kritisierte der Präses der westfälischen Landeskirche, Alfred Buß. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Rainer Schmeltzer, sieht "einen weiteren sozialen Kahlschlag" der Landesregierung.

Beratungsthema Arbeitslosengeld II:
Beratungsthema Arbeitslosengeld II: "Bei der Antragstellung müssen Sie sich komplett ausziehen. Sie werden Sachen gefragt, da rechnen Sie gar nicht mit", sagt Gabi Spitmann, Beraterin im Arbeitslosenzentrum Mülheim. Foto: Insa Moog © WAZ | WAZ





Bislang profitieren Arbeitslose noch von Einrichtungen wie dem Mülheimer Arbeitslosenzentrum MALZ. "Es geht bei uns nicht nur um das Überprüfen von Bescheiden", sagt MALZ-Beraterin Gabriele Spitmann: "Wenn Sie von 351 Euro im Monat leben müssen, dann ist vieles nicht mehr möglich." Da gelte es ein anderes Einkaufsverhalten zu üben, da müssten Versicherungen ruhend gestellt werden, da gelte es auch, Existenzängste zu beruhigen, psychosozial zu beraten. Ins MALZ kommen die Menschen auch, bevor es soweit ist, dass sie Arbeitslosengeld II beziehen. Und sie tun gut daran, sagt die Beraterin: "Bei der Antragstellung müssen Sie sich komplett ausziehen. Sie werden Sachen gefragt, da rechnen Sie gar nicht mit." Da bleibt es nicht dabei, dass aus der Familie auf einmal eine Bedarfsgemeinschaft wird.

"Klinkenputzen"

2000 Menschen, schätzt Spitmann, nehmen jährlich und teils mehrfach die kostenlosen Leistungen des MALZ in Anspruch. Angesichts von rund 5000 Bedarfsgemeinschaften in Mülheim, also Haushalten mit einem Alg-II-Bezieher, durchaus eine hohe Abdeckungsquote. Und es kommen nicht nur Menschen ohne Job, sondern auch welche, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind, oder alte Menschen mit Existenzängsten. Für das MALZ, das 1985 ins Leben gerufen wurde, wird am 1. Oktober noch nicht Schluss sein. Die Stadt springt ein - bis Ende des Jahres. "Wo wir Geld für 2009 herbekommen, wissen wir noch nicht", sagt Spitmann, "wir sind gerade am Klinkenputzen." Manchmal enden Beratungsgespräche derzeit auch mit der Frage, ob es denn helfen könnte, wenn die Alg-II-Bezieher Mitglied im MALZ-Trägerverein werden.

Es sind nicht nur kleine Initiativen wie das MALZ, die betroffen sind. Allein 20 Arbeitslosenberatungsstellen und -zentren betreibt die Arbeiterwohlfahrt in NRW. Da werden die Zahlen auch gleich andere. Ein Beispiel: Allein 775.000 Widersprüche gegen Arbeitslosengeld-II-Bescheide haben die Berater der Awo im vergangenen Jahr betreut - bei einer Erfolgsquote von 50 Prozent. Nicht nur das belege den "zunehmenden Unterstützungsbedarf" von arbeitslosen Menschen, heißt es bei der Awo. Wo der Unterstützungsbedarf steigt, nehmen die Beratungsmöglichkeiten ab: Die 20 Awo-Zentren sind "stark gefährdet", sagt Michael Schöttle, Awo-Referent für Sozialpolitik. Bei vielen Einrichtungen werde noch verhandelt. Bereits klar ist dagegen, dass beispielsweise die vier Einrichtungen in Emmerich, Kleve und Kevelaer Ende September schließen werden, wie Awo-Kreisgeschäftsführer Viktor Kämmerer der NRZ sagte: "Leider mussten wir die Reißleine ziehen."

"Einschnitte in die Arbeitsmarktpolitik"

Derzeit greifen die Beratungsstellen Arbeitslosen auch bei der Jobsuche unter die Arme. Foto: ddp
Derzeit greifen die Beratungsstellen Arbeitslosen auch bei der Jobsuche unter die Arme. Foto: ddp © ddp | ddp





Das Aus für die Förderung hatte Arbeitsminister Laumann mit einer Reduzierung der EU-Fördermittel um 40 Prozent begründet. Diese habe "Einschnitte in der Arbeitsmarktpolitik des Landes" zur Folge gehabt. Das Ministerium setzte alternativ auf neue Finanzierungsmodelle, die Träger, Kommunen und die sogenannten Arges aus Stadt und der Bundesagentur für Arbeit untereinander aushandeln sollten. Eine Hoffnung, die sich bislang nur in wenigen Fällen erfüllt hat. Kein Wunder, sagen die Berater an der Basis wie Uwe Cotta von der Oberhausener Einrichtung Starthilfe e.V.: "Gehen Sie mal zur Stadt und sagen, Sie wollen Geld..." Cotta sieht außerdem rechtliche Schwierigkeiten bei alternativen Finanzierungsmodellen. Für ihn und die Starthilfe geht es bei einem reduzierten Beratungsangebot erstmal drei Monate weiter, weil noch etwas Geld aus einem anderen Fördertopf da ist. Aber dann? "Nach jetzigem Stand wird die Einrichtung am 31.12. geschlossen", glaubt Cotta, "es sei denn, Laumann hätte noch eine wunderbare Idee."

Bis dahin schieben alle Beteiligten die Verantwortung hin und her. Das Ministerium sieht Kommunen und Argen bei der Finanzierung in der Pflicht und glaubt, dass die in die Bresche springen werden. Dass die Zeit für die Beratungsstellen nun knapp wird, ist für das Ministerium nur bedingt nachvollziehbar: "Bereits im März 2007" sei die Beendigung der Förderung angekündigt worden. Für die Träger der Beratungsstellen, Kommunen und Argen ein langer Übergangszeitraum, um "sich neu zu orientieren und andere Finanzierungswege zu finden".

Druck vor Ort

"Das Ministerium könnte nochmals vor Ort Druck machen, damit es weitere Gespräche gibt", entgegnet Wohlfahrtspfleger Nikolaus Immer. Berater wie Uwe Cotta können da nur noch den Kopf schütteln: "Alle sagen immer, wie toll das ist, was wir machen - aber keiner hat Geld dafür."


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