Mülheim. Absehbar wird Mülheims Stadtverwaltung 400 Bewohnern der Campingplatzanlage am Entenfang Ordnungsverfügungen zustellen. Was der Inhalt sein wird.

Rund fünfeinhalb Jahre sind ins Land gezogen, nachdem Mülheims Stadtverwaltung den Bewohnern der Entenfangsiedlung in einer Bürgerversammlung deutlich gemacht hatte, dass sie Erstwohnsitze und Dauerwohnen in der Camping- und Freizeitanlage nicht länger tolerieren werde. Nun trommelte die Verwaltung erneut alle Bewohner zusammen, um ihnen zu erläutern, was nun geschieht.

Gar nichts Schlimmes drohe den allermeisten, gab sich Axel Booß als Leiter der Bauaufsicht mehrfach am Infoabend in der Aula des Gymnasiums Broich erleichtert, dass er nicht länger als böser Bube einer Verwaltung vor die Entenfang-Siedler treten müsse, wie er in der langwierigen Auseinandersetzung um das Dauerwohnen und den mangelhaften Brandschutz auf dem Areal wahrgenommen worden war.

Gerichtsurteile brachten die Lösung für die Dauercamper an Mülheims Entenfang

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Gerichtsurteile aus diesem Jahr, auch die mit Betreiber Dietmar Harsveldt vertraglich fixierte Umsetzung eines Brandschutzkonzeptes, hätten der Stadtverwaltung letztlich erst den Spielraum für eine Lösung verschafft, so Booß. Eine verträgliche Lösung für fast alle der 400 Bewohner am Entenfang, die schon vor dem 1. April 2014 mit Erstwohnsitz auf der Anlage an der Stadtgrenze zu Duisburg gemeldet sind. Weil das Oberverwaltungsgericht erklärt hatte, dass durch jahrelanges Wegschauen der Stadt am Entenfang entgegen baurechtlicher Festsetzung faktisch ein Wochenendhausgebiet entstanden ist, besteht nun die Möglichkeit, dass Bewohner dort in ihren Mobilheimen wohnen bleiben dürfen.

Axel Booß als Leiter der Mülheimer Bauaufsicht erläuterte am Donnerstagabend in der Aula im Gymnasium Broich, wie es nun weitergeht für die Bewohner der Entenfang-Siedlung.
Axel Booß als Leiter der Mülheimer Bauaufsicht erläuterte am Donnerstagabend in der Aula im Gymnasium Broich, wie es nun weitergeht für die Bewohner der Entenfang-Siedlung. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Rund 390 Menschen können laut Booß die Sozialklauseln für besagte „Altfälle“ für sich geltend machen. Die Stadtverwaltung duldet deren Erstwohnsitz am Entenfang auf Lebenszeit, wenn sie entweder mittlerweile zehn Jahre dort mit Erstwohnsitz gemeldet sind, ein Alter von über 60 Jahren erreicht haben oder durch Attest nachweisen können, dass ihnen ein Umzug aus gesundheitlichen Gründen nicht zuzumuten wäre.

Für nur noch neun Bewohner ist die Zukunft am Entenfang ungewiss

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Lediglich für neun Bewohner nach Altfall-Regelung sei aktuell festzustellen, dass sie keine der drei Voraussetzungen für eine dauerhafte Duldung erfüllten, kündigte Booß an, dass noch am Freitag Briefe der Behörde an sie herausgehen sollten, um sie auf die drohende Konsequenz, ihr Mobilheim als Erstwohnsitz räumen zu müssen, aufmerksam zu machen. Booß kündigte aber auch hier Entgegenkommen der Stadt an. Man wolle die Vollstreckung in solchen Fällen zehn Jahre aussetzen.

Ob man nicht solidarisch oder sozial handeln könne als Behörde und auch diesen wenigen Menschen ihr Heim am Entenfang lassen könne, kamen Fragen aus dem Publikum. Nein, das könne die Verwaltung nicht tun, so Booß, „wir haben alles für sie rausgeholt, was ging“. Jahrelang hätten Ministerium und Aufsichtsbehörde der Stadt Druck gemacht, am Entenfang gegen die illegalen Zustände vorzugehen. Die Härtefall-Kriterien seien in enger Abstimmung mit dem Bauministerium festgezurrt worden und unverrückbar. Mehr als deutlich kam aber der Ratschlag von Booß an die Betroffenen, mal bei einem Arzt ihres Vertrauens vorzusprechen, ob ein medizinisches Attest ein möglicher Ausweg wäre.

Im Februar sollen 400 Ordnungsverfügungen Rechtssicherheit schaffen

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Einen Monat lang sollen die neun Entenfang-Bewohner nun Zeit haben, um womöglich ein stichhaltiges Attest vorzulegen. Erst wenn die Rückmeldungen bei der Bauaufsicht vorliegen, will sich die Behörde daran machen, allen 400 Entenfang-Bewohnern mit Altfall-Status eine notwendige Ordnungsverfügung zuzustellen. Diese wird ihnen zwar formalrechtlich das Dauerwohnen am Entenfang untersagen, aber eben auch eine Duldung bis zum Lebensende aussprechen, sollte mindestens eines der drei Härtefall-Kriterien greifen. Im Februar sollen die Betroffenen ein solches Schreiben in ihren Händen halten. Booß machte aber darauf aufmerksam, dass die Stadt ihre Duldung daran knüpfe, dass nicht gegen die Verfügung geklagt werde.

Etwas Unmut äußerte sich, dass die Stadt, wozu sie rechtlich verpflichtet ist, mit der Ordnungsverfügung auch eine Verwaltungsgebühr von 182 Euro erhebt. Booß verwies aber darauf, dass das langwierige Verfahren deutlich mehr Kosten verursacht habe, als man nun umlege. Allein die Vermessung von Anlage und Gebäuden habe seinerzeit 100.000 Euro gekostet.

Mülheimer Verwaltung erntet von den meisten Entenfang-Siedlern warmen Applaus

Stadt geht rigoros gegen Erstwohnsitze ab 1.4.2014 vor

Axel Booß als Leiter der städtischen Bauaufsicht stellt klar, dass die Stadt Mülheim Zuzüge in die Entenfang-Siedlung ab dem 1. April 2014 grundsätzlich anders bewertet. „Dagegen gehen wir rigoros vor“, so Booß. Das Bürgeramt habe die Situation vor Ort zuletzt noch einmal abgefragt.

Allen betroffenen Bewohnern sei bereits eine Ordnungsverfügung zugestellt, mit der ihnen der Dauerwohnsitz am Entenfang ohne Ausnahme und unter Zwangsgeldandrohung untersagt werde. In diesen Fällen werde die Vollstreckung maximal drei Jahre ausgesetzt.

Ausnahmen gelten für Kinder von Bewohnern mit Altfall-Regelung. Sie dürfen, bis sie volljährig sind, mit Erstwohnsitz angemeldet werden, und ihr Verbleib wird maximal bis zum 28. Lebensjahr geduldet. Auch die Liebe kann laut Verwaltung Erleichterung bringen: Heiratet jemand in die Entenfang-Siedlung ein, darf er auch dort wohnen.

Im Großen und Ganzen zeigten sich die Bewohner während der Infoveranstaltung zufrieden mit dem Erreichten, immer wieder gab es warmen Applaus für die Verantwortlichen der Verwaltung, die neben Booß mit Baudezernent Peter Vermeulen und OB Marc Buchholz vertreten war. Nur vereinzelt gab es Unmut. Kritische Stimmen wurden laut zu der Notwendigkeit, für die Mobilheime und sonstigen Aufbauten in der Entenfang-Siedlung nachträglich Bauanträge stellen zu müssen.

Einerseits machen die Kosten für ein solches Verfahren Sorgen, andererseits tauchte die Frage auf, wie viele Kosten eventuell noch auf die Pächter zukommen, sollte die Stadt Umbauten oder gar einen Abriss für notwendig erachten? Booß versuchte zu beschwichtigen: „Ich glaube nicht, dass wir für Bestandsgebäude, die Teil des Brandschutzkonzeptes sind, bauliche Maßnahmen verlangen werden, die viel Geld kosten.“ Nicht jeder, aber der überwiegende Teil der Bürger ging ob dieser Aussage sorgenfrei nach Hause. Zum geliebten Entenfang.