Mülheim. Der jahrelange Streit um das Dauerwohnen auf der Camping-Anlage am Mülheim-Duisburger Entenfang ist beigelegt: Was das für die Bewohner bedeutet.
Die jüngsten Gerichtsurteile gegen die Stadt Mülheim und das endlich vorliegende Brandschutzkonzept für die Dauercamping-Anlage lassen die meisten der gut 500 Bewohner der Entenfang-Siedlung an der Stadtgrenze von Mülheim zu Duisburg aufatmen: Sie müssen nicht länger fürchten, ihr trautes Heim räumen zu müssen.
Gerichte hatten einer Räumung der Anlage wegen illegalen Dauerwohnens auf einer Campingplatzanlage einen Riegel vorgeschoben und zuletzt gar festgestellt, dass die Stadt Mülheim wegen jahrelanger Duldung der Entwicklungen vor Ort mittlerweile gezwungen wäre, das faktisch längst vorhandene Wochenendhausgebiet nachträglich zu genehmigen.
Mülheimer Campingplatz-Betreiber erstritt bundesweit viel beachtete Gerichtsurteile
Das haben die Gerichte geurteilt
Schon im März hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster eine Ordnungsverfügung der Stadtverwaltung einkassiert. Mit dieser hatte die städtische Bauaufsicht im Herbst 2020 dem Platzbetreiber eine Räumung der Anlage angedroht, um dem vor Jahren festgestellten Missstand Herr zu werden, dass auf dem baurechtlich als Campingplatz festgesetzten Areal Menschen dauerhaft wohnen.
Schon in erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf ein rechtswidriges Vorgehen der Stadt festgestellt, weil die Stadt der Campinggesellschaft am Entenfangsee den Betrieb von Anlagen untersagen wollte, für die sie selbst eine Baugenehmigung erteilt habe. Das OVG setzte im März noch einen drauf: Die Ordnungsverfügung sei auch rechtswidrig, weil sie nicht nur an den Platzbetreiber, sondern an jeden einzelnen Pächter zu richten gewesen wäre.
Platzbetreiber Dietmar Harsveldt ließ sich denn auch noch erfolgreich vom Verwaltungsgericht Düsseldorf attestieren, dass die Stadt auch nicht länger den Standpunkt vertreten darf, die Siedlung mit fest errichteten Wochenendhäusern entspreche nicht dem alten Bebauungsplan, der lediglich einen Campingplatzbetrieb erlaubt. Weil die Stadt dieser Entwicklung jahrzehntelang offenen Auges nicht entgegengewirkt habe, seien mittlerweile Fakten geschaffen, so das Gericht. Das zweifellos illegal entstandene Wochenendhausgebiet sei nun faktisch da, von der Stadt zu dulden und bei einem entsprechenden Antrag nachträglich zu genehmigen.
Platzbetreiber Dietmar Harsveldt kann sich, da er sich zudem mit der städtischen Bauaufsicht auf umfangreiche Brandschutzmaßnahmen verständigt hat, entspannt zurücklehnen. Womöglich hat er mit seinen juristischen Schritten wegweisende Urteile für quer durch die Republik verteilte Platzbetreiber erzwungen, die ähnliche Anlagen im Besitz haben. Anlagen, die längst mehr sind als reine Campingplätze, wo Dauerwohnen über die Jahrzehnte zum Standard geworden ist, obwohl baurechtlich eigentlich nicht zulässig.
„Alle sind hier glücklich, die baurechtliche Illegalität nun endlich beendet zu haben“, sagte der Platzbetreiber dieser Tage im Gespräch mit dieser Redaktion. Harsveldt sieht sich als „Vorreiter“ seiner Branche, die die gerichtlichen Auseinandersetzungen um das Dauerwohnen am Entenfangsee im vergangenen Jahr aufmerksam beobachtet hatte. Er schätzt, dass ein sehr großer Teil, er spricht gar von 95 Prozent, der deutschen Campingplätze nicht den baurechtlichen Festsetzungen entsprechen.
Stadt Mülheim: Fast alle der 400 Menschen dürfen am Entenfang wohnen bleiben
Harsveldt sieht sich nun am Ende eines jahrelangen zähen Ringens um Anerkennung dessen, was faktisch vor Ort zu erleben ist: ein abgeschirmtes, kleines Wohnquartier, in dem nach Umsetzung der vereinbarten Brandschutzmaßnahmen fast alle der rund 400 Menschen dauerhaft wohnen bleiben dürfen. So lautet das Versprechen der Stadt, die die Bewohner für den 18. November um 18 Uhr zu einer Versammlung in der Aula des Gymnasiums Broich eingeladen hat, um über den Stand der Dinge zu informieren.
Der Leiter der Bauaufsicht, Axel Booß, hatte angekündigt, dass die Stadt das Dauerwohnen am Entenfang für alle Pächter dulden werde, die entweder länger als zehn Jahre dort wohnen, älter als 60 Jahre alt sind oder per Attest nachweisen, dass ihnen ein Umzug aus gesundheitlichen Gründen nicht zuzumuten wäre.
Platzbetreiber: „Es ist jetzt an mir, das Brandschutzkonzept umzusetzen“
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„Es ist jetzt an mir, das Brandschutzkonzept umzusetzen“, sagt Harsveldt. Um maximal 1600 Quadratmeter große Brandabschnitte mit dichter Mobilheim-Bebauung zu schaffen, die von einem zehn Meter breiten Brandschutzstreifen umgeben sind, müssen nun einige Mobilheime abgerissen werden. Einige seien schon verschwunden, sagt Harsveldt, für Oktober sei der Abriss weiterer acht Mobilheime angesetzt; die meisten von ihnen seien ohnehin Schrottimmobilien gewesen.
Harsveldt gibt sich sicher, dass es ihm gelingt, allen betroffenen Pächtern alternative Standorte auf der Anlage anbieten zu können. Etwa an Stellen, wo er Pächtern fristgerecht gekündigt habe, die entweder mit schlechter Zahlungsmoral oder dadurch aufgefallen seien, dass sie sich nicht in die Gemeinschaft hätten integrieren lassen. Laut Harsveldt räumen nicht alle Betroffenen freiwillig das Feld, es laufen hierzu aktuell sechs Räumungsklagen. Insgesamt geht der Platzbetreiber davon aus, dass er keinem der anderen Pächter kündigen muss, ohne ihnen nicht einen alternativen Standort auf der Anlage anbieten zu können.
Interessengemeinschaft der Bewohner: „Noch sind nicht alle glücklich“
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Dunja Schultheiß und Andreas Baldus von der Interessengemeinschaft der Entenfang-Bewohner zeigen sich erleichtert ob der Entwicklungen zuletzt. Auch wenn sie selbst nicht mit dem Schlimmsten, der Räumung, gerechnet hätten: Eine „unterschwellige Angst“ und das Gefühl der Machtlosigkeit seien in den vergangenen Jahren stete Begleiter der Entenfang-Bewohner gewesen, insbesondere nach der Androhung der Stadt aus Herbst 2020, die Anlage räumen zu lassen. Teilweise, so berichtet Baldus, hätten Bewohner wegen der ungewissen Zukunft ihre Mobilheime in den Vorjahren „mit großem Verlust verkauft, um im Zweifel überhaupt etwas Geld dafür zu bekommen“.
Nach Aussage von Schultheiß und Baldus werden von circa 400 eingetragenen Erstwohnsitzen nach aktuellem Stand von der Stadtverwaltung in Zukunft 390 geduldet. „Noch sind nicht alle glücklich“, sagt Schultheiß. Man wolle versuchen zu ergründen, ob die Stadt für die restlichen zehn Bewohner ihre Härtefallregeln nicht entsprechend ausweiten könne, so die Sprecher der Interessengemeinschaft. Dafür sehen sie mittlerweile im Zusammenspiel mit der Verwaltung eine entsprechende Gesprächskultur gegeben.