Mülheim. Die Markuskirchengemeinde in Mülheim feiert Jubiläum – zehn Jahre nach der Protestbewegung „Winkhausen 24“. Wie die Gemeinde bestehen konnte.
„Totgesagte leben länger!“ Diese Volksweisheit haben die heute 4000 Mitglieder der evangelischen Markuskirchengemeinde in Winkhausen erlebt. Vor zehn Jahren stand die Gemeinde auf der Kippe. Sie sollte in der Lukasgemeinde aufgehen und ihr Gemeindezentrum am Knappenweg verkauft werden. Doch die Gemeindemitglieder stellten sich quer und bewahrten mit ihrer Protestbewegung Winkhausen 24 die Eigenständigkeit ihrer Gemeinde.
Auch interessant
Am Reformationstag (31. Oktober) feierte man in der Markuskirche am Springweg und im Gemeindezentrum am Knappenweg das goldene Gemeindejubiläum.
Eigentlich hätte das 50-jährige Bestehen schon 2020 gefeiert werden sollen. Denn die Markusgemeinde ging 1970 als Neugründung der damals zu groß gewordenen Johanniskirchengemeinde hervor. Anfang der 1970er Jahre erreichte Mülheim mit 193.000 Einwohnern seinen Bevölkerungshöchststand. 105.000 der damals 193.000 Mülheimer gehörten der Evangelischen Kirche an.
„Wir sind als Gemeindemitglieder gewachsen und zusammengerückt.“
Nach dem Jubiläums-Gottesdienst in der Markuskirche sind sich die Gemeindemitglieder Ursula Messmann, Heike Angenendt, Dirk Biesgen und Sandra Schmidt-Biesgen im Gespräch mit dieser Zeitung einig: „Wir sind als Gemeindemitglieder gewachsen und zusammengerückt. Es gibt viel Energie und Engagement in der Gemeinde, die sich nicht nur in gut gestalteten Gottesdiensten, sondern auch im Gemeindecafé, beim Frauenfrühstück, im Gemeindekindergarten oder bei Kulturveranstaltungen im Gemeindezentrum zeigen.“
Dirk Biesgen, der mit seiner Frau Sandra an der musikalischen Gestaltung des Jubiläumsgottesdienstes mitgewirkt hat, sagt: „Ich bin durch die Bewegung Winkhausen 24 „Lasst die Kirche im Dorf“ wieder in die Kirche eingetreten, weil ich hier ein niederschwelliges und inspirierendes Gemeindeleben erlebt habe, dass Menschen anspricht und anzieht.“
Mülheimer Bezirksbürgermeister lobt soziales und seelsorgerisches Engagement
Auch für den sozialdemokratischen Nord-Bezirksbürgermeister Heinz-Werner Czeczatka-Simon ist die Teilnahme am Jubiläumsgottesdienst und dem anschließenden Symposium „Gemeinde der Zukunft“ ein Herzensanliegen, „weil auch die Markuskirchengemeinde mit ihrem sozialen und seelsorgerischen Engagement hier in Winkhausen einen wichtigen Beitrag zum sozialen Zusammenhalt und damit zum sozialen Frieden leistet.“
Zukunft der Gemeinde
Aktuell hat die Markuskirchengemeinde 14 hauptamtliche Mitarbeitende. Nach der Eröffnung der neuen Gemeinde-Kita kommen zehn hinzu. Eine Küsterin wird in Kürze in Pension gehen. Pfarrer Hans-Joachim Nordens Berufsleben endet am 31. März 2022. Dann hofft Pfarrerin Petra Jäger, die 2026 pensioniert wird, „dass ich in meinem pfarramtlichen Alltag von einem neuen Pfarramtskollegen unterstützt werde. Damit wir nah bei den Menschen bleiben und unser Gemeindeleben erhalten können.“ Langfristig geht Jäger aber aufgrund der sinkenden Gemeindemitgliederzahlen davon aus, dass die Markuskirchengemeinde nach ihrer Pensionierung nur noch einen Pfarrer oder eine Pfarrerin haben wird.
Für Pfarrer Hans-Joachim Norden, der 36 von 51 Markusgemeindejahren aktiv mitgestaltet hat, steht fest: „Im Rückblick kann man sagen, dass wir hier eine Menge auf die Reihe bekommen haben und das uns die Existenzkrise der Jahre 2010/2011 gut getan hat, weil wir dadurch viele neue und ehrenamtlich aktive Gemeindemitglieder dazu bekommen haben.“
Für Nordens Pfarrkollegin Petra Jäger, die unter anderem in Markus die Gehörlosenseelsorge verantwortet, hat die Winkhausen-24-Bewegung dazu geführt, „dass wir neue Wege zueinander gefunden haben und eine lebendige Gemeinde geworden sind.“
Religion ist für viele Jugendliche kein Thema – doch in Winkhausen erleben sie Gemeinschaft
Ihren Wunsch, „unsere lebendige Gemeinde zu erhalten“, teil Jäger auch mit den Presbytern Dominik Messink und Marcus Wiebecke, die am Jubiläumstag für die technische Unterstützung sorgten. „Religion ist für viele Jugendliche heute kein Thema mehr. Aber in unserer Gemeinde erleben sie, dass man nirgendwo so gut Gemeinschaft erleben kann, wie in einer aktiven Kirchengemeinde“, betont der 29-jährige Religionslehrer Dominik Messink.
„Hier Gemeinschaft und Solidarität zu erleben, ist auch ein Mehrwert für unsere gesamte Gesellschaft. Und ich möchte meinen Kindern diese Möglichkeit erhalten und weitergeben, die ich hier selbst in meiner Persönlichkeitsentwicklung hatte“, sagt Messink.
Dabei machen sich Messink und sein Prebyteriums-Kollege Marcus Wiebecke keine Illusionen über die Herausforderungen, vor denen auch die Markuskirchen-Gemeinde angesichts des demografischen und gesellschaftlichen Wandels, der die Gemeindemitgliederzahlen weiter sinken lässt. „Alles, was über die kommenden zwei Jahre hinausgeht, kann man heute noch gar nicht absehen. Jetzt geht es erst mal darum, die Herausforderungen zu meistern, die mit dem Neubau unserer für 90 Kinder ausgelegten Kindertagesstätte und mit dem Generationswechsel innerhalb des Gemeindepersonals auf uns zukommen“, sagt Wiebecke, der die Markuskirchengemeinde als seinen „Lebensmittelpunkt“ und als sein „Hobby“ bezeichnet.