Mülheim. Acht Jahre lang war Arno Klare (SPD) für den Wahlkreis Mülheim-Essen I im Bundestag. Jetzt nimmt er Abschied von der großen politischen Bühne.

Denkste! Auch der Junior-Partner einer Großen Koalition in Berlin kann Wahlen gewinnen, stellt Mülheims Bundestagsabgeordneter Arno Klare zu seinem Abschied aus dem Bundestag mit Genugtuung fest. Überhaupt, so der 69-jährige Sozialdemokrat, könne er für sich und seine SPD gute acht Jahre in Berlin verbuchen.

Klare hat zwei Legislaturperioden lang als Direktkandidat den heimischen Wahlkreis im Bundestag vertreten. Er war zuletzt Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie im Untersuchungsausschuss zum Diesel-Skandal, zudem stellvertretendes Mitglied im Europa-Ausschuss. Auch die Klimapolitik sollte nicht unerwähnt bleiben; auch sie war – Stichwort Mobilitätswende – ein Thema, das Klare stets wichtig war.

Klare: Klimaschutzgesetz war die herausragende Errungenschaft in acht Jahren Berlin

Auch interessant

So wundert es kaum, dass auch hier für Klare „das Highlight“ seiner Berliner Abgeordneten-Zeit verortet ist. Das Klimaschutzgesetz sei für ihn die herausragende Errungenschaft der acht Jahre, sagt er. In der Legislaturperiode ab 2013 habe die CDU als Koalitionspartnerin ein solches Vorhaben der SPD noch blockiert, erst nach ihren hohen Verlusten bei der Wahl 2017 habe die Union ihre Widerstände dagegen aufgegeben. „Wir haben es dann ohne Kompromisse so hinbekommen, wie wir es haben wollten“, ist Klare stolz.

Zum ersten Mal habe die Republik sich mit dem Gesetz klare Klimaschutzziele für alle maßgeblichen Sektoren gesetzt, mitsamt der Zielmarke, das Land bis 2050 klimaneutral zu machen (aktuell: bis 2045). Auch wenn die Vorgaben heute nachzubessern seien, sei damit doch die Transformation zur Klimaneutralität erst eingeläutet worden.

Klimaschutz: „Wir können nicht von heute auf morgen alles aberwitzig teuer machen“

Auch interessant

SPD-Mann Sebastian Fiedler wird von seiner Frau Sina zum Einzug in den Bundestag beglückwünscht. Er hat sich bei der Bundestagswahl gegen die Kandidatinnen von CDU und Grünen durchgesetzt.
Von Katja Bauer, Marcel Dronia, Deike Frey, Anna Pahl und Mirco Stodollick

Nun, sagt Klare, müsse nachgelegt werden, müsse aufgezeigt werden, wie etwa Stahl- oder Autoindustrie zum Ziel gelangen könnten. Keine leichte Aufgabe sei dies, nennt Klare die 100 Millionen Tonnen CO2, die allein in der Autoindustrie auf Null zu bringen seien. SPD, Grüne und FDP seien in ihren Koalitionsverhandlungen nun aufgefordert, hierfür Kompromisslösungen zu finden, die den Industriestandort D nicht überfordern.

Arno Klare (vorne rechts) 2015 beim Verdi-Aktionstag „Rettet Bus und Bahn“ in Mülheims Innenstadt.
Arno Klare (vorne rechts) 2015 beim Verdi-Aktionstag „Rettet Bus und Bahn“ in Mülheims Innenstadt. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

In diesem Zusammenhang nennt Klare einen weiteren Meilenstein, den er wesentlich durch die SPD in der Großen Koalition gesetzt sieht, sperrig dazu der Gesetzesname: Brennstoffemissionshandelsgesetz. Dahinter verbirgt sich die CO2-Besteuerung, die klimaschädliches Handeln schrittweise verteuern soll. Nicht jeder kann sich aus dem Stegreif einen Tesla kaufen“, mahnt Klare aber zu bedachten Schritten, um Wirtschaft und Bürger nicht zu überfordern. Der SPD-Politiker stellt mit Genugtuung fest, dass die EU-Kommission genau diesen deutschen Weg nun in der Konkretisierung ihres Green Deal auch beschreiten will.

2013: „Warum kandidierst du eigentlich nicht? Du kannst es doch“

Auch interessant

Von 2013 bis zuletzt wirkte Klare in Berlin. Sein Büro ist ausgeräumt, seine zwei Mitarbeiterinnen werden künftig für Nachfolger Sebastian Fiedler weiterarbeiten. Dass Klare 2013 überhaupt zur Wahl stand, sei gar nicht mal seine eigene Laufbahnplanung gewesen, erzählt er: „Ich selbst habe das nicht vorgehabt, auch nicht als Möglichkeit in Erwägung gezogen.“ Als der damalige Bundestagsabgeordnete Anton Schaaf nach drei Legislaturperioden aufhören wollte, habe er als Geschäftsführer mit der Vorstandsspitze um Frank Esser und Matthias Kocks beraten, wer als Nachfolger infrage komme. „Warum kandidierst du eigentlich nicht? Du kannst es doch“, habe Kocks dann gefragt. Klare sagte zu.

Das war nicht automatisch der Sieg. Gar eine Kampfkandidatur in den eigenen Reihen hatte Klare zu überstehen, mit Ex-Siemens-Betriebsratschef Pietro Bazzoli, Daniel Mühlenfeld, Johannes Terkatz und Alexander Stock gingen gleich vier weitere Bewerber in das Rennen um die SPD-Kandidatur. Schließlich setzte sich Klare in zwei Wahlgängen deutlich durch.

Erinnerung an die erste Plenarsitzung: „Ein erhabenes Gefühl, fürs Land zu arbeiten“

Der 69-Jährige erzählt die Geschichte gern: 2013 war es schon weit mehr als die halbe Miete, sich parteiintern als Kandidat in Stellung zu bringen. Das sei „die größte Hürde gewesen, ansonsten war alles entschieden“, denkt Klare an die Zeit zurück, in der es undenkbar schien, dass ein Kandidat fernab der SPD am Wahltag das Mülheimer Ticket nach Berlin lösen würde. 42,2 Prozent der Erstimmen holte Klare seinerzeit und distanzierte CDU-Kontrahentin Astrid Timmermann-Fechter (35,6 Prozent) damit um Längen. An die konstituierende Sitzung des Bundestages erinnert sich Klare gerne, an das „erhabene Gefühl zu wissen, dass man nicht mehr für sich selbst arbeitet, sondern fürs Land“.

Wahlkampf 2017: Bei allem politischem Wettbewerb pflegten CDU-Kandidatin Astrid Timmermann-Fechter und Arno Klare (SPD) stets einen fairen Umgang miteinander.
Wahlkampf 2017: Bei allem politischem Wettbewerb pflegten CDU-Kandidatin Astrid Timmermann-Fechter und Arno Klare (SPD) stets einen fairen Umgang miteinander. © FUNKE Foto Services

Vier Jahre später gab es auch innerhalb der SPD nur noch den Bewerber Klare. Allerdings fiel diesem der Sieg bei der Wahl, bei der die CDU in Mülheim erstmals seit 1957 ein besseres Zweitstimmen-Ergebnis als die SPD einfuhr, schon schwerer. Klare holte das Direktmandat nur noch mit 34,9 Prozent, Timmermann-Fechter lag nur 3,6 Prozentpunkte hinter ihm.

Acht Jahre Bundestag: „Es war das Beste, was ich je gemacht habe“

Biografisches zu Arno Klare

Arno Klare wurde am 1. Februar 1952 in Oberhausen geboren. Er stammt aus einer Arbeiterfamilie, der Vater war gelernter Maurer. Klare ist in Oberhausen aufgewachsen, hat dort die Volksschule und über den Umweg Realschule das Heinrich-Heine-Gymnasium besucht. Die SPD habe ihm diesen Weg, habe die Durchlässigkeit im Schulsystem erst unter Ministerpräsident Heinz Kühn möglich gemacht, betont Klare.

In Bochum und Duisburg studierte Klare später Germanistik und Philosophie auf Lehramt. Trotz zweitem Staatsexamen landete er aber nie als Lehrer an einer Schule. Weil es seinerzeit ein Überangebot insbesondere an Deutschlehrern gab, habe er zunächst als Lkw-Fahrer angeheuert. Später war Klare als Deutschlehrer für die VHS Moers und die Awo in Wesel tätig.

Am 15. März 1998 war Klares erster Arbeitstag als Geschäftsführer des Mülheimer SPD-Unterbezirks. Später wirkte er in Doppelfunktion auch für den Essener Bezirk. Er blieb SPD-Geschäftsführer, bis er 2013 in den Bundestag gewählt wurde.

Acht Jahre Groko liegen hinter Klare, ebenso eine arbeitsintensive Zeit mit 70 bis 80 Wochenstunden. „Es ist gut, wie es gewesen ist, es hat sich gelohnt“, bilanziert er sein politisches Wirken in Berlin, das als eine herausragende Errungenschaft den Mindestlohn gebracht habe. Auch das Corona-Management der Bundesregierung wertet Klare als Erfolg, habe es doch etwa mit der Ausweitung der Kurzarbeit-Möglichkeiten die Arbeitslosigkeit im Zaum gehalten. Acht Jahre Bundestag: „Es war das Beste, was ich je gemacht habe“, sagt Klare zu seinem Abschied aus dem Bundestag.

Seine Berliner Mission ist wohl aber nicht ganz vorbei. Klare hat seine Wohnung in Berlin nicht nur aus privaten Gründen behalten. Er ist in Gesprächen mit Verbänden aus dem Verkehrssektor über eine Beratertätigkeit, die auch die Klimafrage abdeckt. Das klimaneutrale Fliegen ist da so ein Thema von Klare. Womöglich kann er es alsbald schon am Mülheimer Flughafen erleben.

Arno Klares Wahlprogramm 2017 auf einem Mölmschen Bierdeckel.
Arno Klares Wahlprogramm 2017 auf einem Mölmschen Bierdeckel. © FUNKE Foto Services | WAZ