Mülheim. Die Stadt Mülheim wird im nächsten Bundestag mindestens von zwei Abgeordneten vertreten sein. Über ein Comeback und ein mögliches drittes Mandat.

SPD-Kandidat Sebastian Fiedler (SPD) konnte sich relativ schnell am Wahlabend gewiss sein, dass er mit gutem Abstand auf die Konkurrenz den Fahrschein für die Direktverbindung nach Berlin lösen würde. Da zauderte CDU-Kandidatin Astrid Timmermann-Fechter noch, ob ihr Comeback im Bundestag gelingen könnte. Und dann war da noch Franziska Krumwiede-Steiner, die trotz Mülheimer Rekordergebnis ihrer Partei am Wahlabend doch etwas enttäuscht abwinkte: Das werde nichts mit Berlin. Doch das Blatt könnte sich auch für die Grüne wenden. Eine Wahl-Nachlese.

Am Morgen war es spätestens der Landeswahlleiter, der die Zweifel von CDU-Kandidatin Astrid Timmermann-Fechter zerstreute. Sogar ganz sicher reichte es diesmal für die 58-Jährige, um im kommenden Deutschen Bundestag Platz zu nehmen.

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2017 war Timmermann-Fechter (CDU) knapp am Mandat vorbeigeschrammt

Wenn auch die Umstände für die NRW-CDU doch keine erfreulichen sind. Die Partei verlor zahlreiche ihrer 2017 noch gewonnenen Direktmandate. So zog die Landesliste bis Platz 21 – da reichte Platz 10 für Timmermann-Fechter locker. Zum zweiten Mal nach der Wahlperiode 2013-17 wird die Familien- und Gesundheitspolitikerin für die CDU im Bundestag aktiv. 2017 war sie eben daran gescheitert, dass die Landesliste der CDU wegen der vielen direkt gewonnenen Wahlkreise kaum zog.

Und doch hat auch Mülheims CDU einiges aufzubereiten. Mit 23,8 Prozent fuhr die Partei auch in der Ruhrstadt ihr historisch schlechtestes Ergebnis ein, wenn die Verluste (minus 4,6 Prozentpunkte) auch unter dem Bundesdurschnitt blieben (minus 8,8). Ebenso konnte Timmermann-Fechter Wahlsieger Sebastian Fiedler im Duell nicht im Ansatz die Stirn bieten. Sie büßte acht Prozentpunkte bei den Erststimmen ein, lag am Ende mit einem Wahlkreis-Ergebnis von 23,9 Prozent überdeutlich hinter dem SPD-Mann (35,2 Prozent).

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Am Tag nach der Wahl wollte die dann doch zur Abgeordneten aufgerufene Timmermann-Fechter, gleichzeitig CDU-Parteivorsitzende in Mülheim, noch keine Analyse der Wahlniederlage wagen. Das werde man in Ruhe tun. Auf jeden Fall werde sie keine Schuldzuweisungen machen, „wir gewinnen im Team und wir verlieren im Team“. Das Ende von 16 Jahren Kanzlerschaft Angela Merkels sei eine Zäsur, „wir müssen nun schauen, wie wir den Neuanfang gestalten können“. Natürlich ei man nicht glücklich über das Mülheimer Ergebnis.

Für die SPD freute sich am Montag der scheidende, acht Jahre im Bundestag vertretene Abgeordnete Arno Klare (69) über den Wahlsieg seiner Mülheimer Genossen, die am Ende 32,5 Prozent erreichten und damit mit fast zehn Prozentpunkten mehr als die CDU ins Ziel kam. „Es ist eine Leistung der Partei, die die Widersprüche, die wir in uns trugen, hinter sich gelassen hat“, so Klare mit Blick auf die Turbulenzen rund um die OB-Affäre um Ulrich Scholten und die Kommunalwahlen 2020. Klare hofft, dass das Ergebnis von Sonntag seine SPD in Mülheim „weiter nach vorne trägt“.

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Direktmandat in Mülheim geht nun schon seit 60 Jahren in Folge an die SPD

Die SPD-Tradition, im Mülheimer Wahlkreis ununterbrochen das Direktmandat zu erringen, währt nun schon 60 Jahre, „das erfüllt uns mit großer Freude und Genugtuung“, so Klare. Sebastian Fiedler als seinem Nachfolger im Bundestag gab Klare noch am Sonntagabend halbernst seine Erwartungshaltung mit auf den Weg, dass dieser doch gerne den Mülheimer Rekord von Willi Müller mindestens einstellen dürfe. Müller war zwischen 1965 und 1980 vier Wahlperioden lang SPD-Bundestagsabgeordneter mit Mülheimer Direktmandat.

Fiedler sei mit seinen 48 Jahren ja noch jung genug, den Rekord zu knacken, so Klare. In dem Vorsitzenden des Bundes Deutscher Kriminalbeamter sieht Klare eine echte Verstärkung für die SPD-Bundestagsfraktion. Er sei „ein fantastischer Kandidat“ gewesen, der nach Berlin auf seinem Spezialfeld der Sicherheitspolitik „unglaublich viel Expertise“ mitbringe.

Grüne Krumwiede-Steiner überraschend doch kurz vor dem Sprung in den Bundestag

14,6 Prozent: Grüne mit historischem Ergebnis

Ihre für Mülheim historischen 14,6 Prozent feierten die Grünen am Montag noch einmal mit einer öffentlichen Stellungnahme. „Wir liegen mit dem Mülheimer Ergebnis sogar leicht über dem Bundesdurchschnitt und danken allen Menschen, die sich für Veränderung, Klimaschutz und sozialen Zusammenhalt entschieden haben“, erklärte Vorstandssprecher Fabian Jaskolla.

Doch bleibe ein Wermutstropfen, man habe sich „gewünscht, dass das Wahlergebnis ein noch deutlicheres Signal in Richtung Klimaschutz wird“. Jaskolla kündigte an, in dieser Sache nicht lockerlassen zu wollen, „um zukünftig noch mehr Menschen von unseren Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit zu überzeugen“. Vorstandssprecherin Kathrin Rose dankte den grünen Wahlkämpfern, „ohne die dieses phänomenale Ergebnis nicht möglich gewesen wäre“.

Und was wird nun in Berlin? Für Klare ist die Sachlage klar: Es werde bis Weihnachten eine SPD-geführte Ampelkoalition geben. Eben diese verspricht auch Franziska Krumwiede-Steiner von den Grünen überraschend doch noch Berliner Luft. Noch am Sonntag war die Grünen-Kandidatin trotz der Verdopplung der Stimmenanteile ihrer Mülheimer Grünen (14,6 Prozent) enttäuscht darüber, dass ihr Listenplatz 29 nicht reichen würde für ein Mandat im Bundestag.

Einen Tag später witterte Krumwiede-Steiner (Jahrgang 1985) doch Morgenluft. Sie wäre erste Nachrückerin für den Bundestag, weil die Grünen in NRW überdurchschnittlich abgeschnitten und gar einige Direktmandate gewonnen haben. Ihr Nachrücken könnte schon anstehen, wenn die NRW-Grünen bei einer Regierungsbeteiligung einen Minister aus ihren Reihen stellen. Krumwiede-Steiner traut sowohl dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Oliver Krischer als auch der parlamentarischen Geschäftsführerin Britta Haßelmann zu, ein künftiges Klima- und Umweltministerium zu verantworten.

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Krumwiede-Steiner favorisiert Ampel in Berlin: „Mehr Schnittmengen mit der SPD“

Krumwiede-Steiner favorisiert wie Arno Klare die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen für Berlin. „Gerade beim Klimaschutz gibt es viel mehr Schnittmengen mit der SPD“, so die Grünen-Politikerin, die CDU habe „gar keinen Klimaschutz in ihrem Programm. Wenn wir hoch pokern und Benchmarks setzen, dann können wir in der Ampelkoalition viel durchsetzen“, glaubt die Lehramtsanwärterin.

Leider sei die Wahl am Sonntag „keine Klimawahl“ gewesen, hatte sich Krumwiede-Steiner durchaus noch mehr Zuspruch der Wähler gewünscht. Dann hätte sie sich auch nicht gedulden müssen mit einem möglichen Einzug in den Bundestag.