Mülheim. Ab Montag können alle Kinder ab zwölf Jahren geimpft werden. Leider wird es nur schleppend vorangehen. Was Mülheimer Ärzte den Familien raten.

Auf die Nachricht hatten etliche Eltern, Jugendliche und Kinder gelauert: Der Impfstoff von Biontech ist für alle ab zwölf Jahren zugelassen, wenn auch nicht offiziell empfohlen. Ab 7. Juni, also kommendem Montag, reiht sich der Nachwuchs ein in die lange Schlange der Impfwilligen. Fakt ist aber auch, dies hat die KV Nordrhein gerade noch einmal betont: Es gibt kein Sonderkontingent an Impfstoff für Kinder und Jugendliche. Es wird eng. Noch enger.

Telefone der Mülheimer Kinderärzte überlastet - Impfanfragen nur noch per Mail

Der Druck auf die Kinderärzte erhöht sich. Viele Mülheimer Familien hatten es in dieser Woche eilig, wollen ganz oben stehen auf den Wartelisten. Für die Ärztegemeinschaft Kids 4.0 mit Praxen in Dümpten, Speldorf, Heißen und Saarn berichtet Dr. Martin Knorr: „Täglich kommen in jedem unserer Standorte mindestens 30 bis 40 Impfanfragen an.“ Eine Warteliste für Patientinnen und Patienten ab zwölf sei eingerichtet. Anfragen würden nur noch per Mail angenommen, „da unsere Telefone sehr stark belastet sind und die akut Erkrankten nicht mehr durchkommen“.

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Knorr ist ein klarer Befürworter von Coronaschutzimpfungen für Kinder, auch angesichts der Öffnungen von Kitas und Schulen. Er sagt, dass Impfungen für alle Kinder „dringend gebraucht“ werden und hofft, dass spätestens im Herbst auch Studien für jüngere Kinder ab sechs vorliegen.

Schwer vorerkrankte Kinder und ihre Familien wurden schon geimpft

In der Praxis impfen viele Kinderärzte ja schon längst. Nach Angaben der KV Nordrhein sind 55 Prozent von ihnen schon eingestiegen. Auch Mülheimer Kinderärzte immunisieren bereits, um besonders gefährdete Patientinnen und Patienten zu schützen.

So berichtet Dr. Martin Knorr, der in einer Gemeinschaftspraxis in Dümpten tätig ist, sie hätten schon Angehörige von Kindern mit schweren chronischen Erkrankungen geimpft. „In dieser Woche haben wir auch erstmalig Jugendliche mit sehr schweren Vorerkrankungen geimpft.“

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Dr. Olaf Kaiser, der in Speldorf praktiziert und zugleich als Obmann für die Mülheimer Kinderärzte spricht, sagt: „Wir haben schon früh angefangen, schwer vorerkrankte Jugendliche ab 16 und ihre Familien zu impfen. Wir sind froh, dass wir diese Patienten - beispielsweise junge Leute, die im Rollstuhl sitzen - schon versorgen konnten.“ Er möchte auch weiterhin kranke Kinder bevorzugt impfen, werde aber keine gesunden Kinder abweisen.

Einige Ärzte und Eltern warten ab, was die Impfkommission empfiehlt

Nach seiner Kenntnis verfahren die insgesamt 13 Mülheimer Kinderärzte unterschiedlich, teils sehr zurückhaltend. „Einige warten noch ab, was die Stiko dazu sagt.“ Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat bisher keine Empfehlung zur Coronaschutzimpfung abgegeben. Ihr Vorsitzender ließ jetzt allerdings durchblicken, dass es wohl keine generelle Empfehlung für alle gesunden Kinder geben wird. Die Daten reichten noch nicht aus. Auch viele Mülheimer Eltern sind nach Beobachtung des Kinderarztsprechers Olaf Kaiser trotz Impfstoff-Freigabe verhalten und vorsichtig.

Impf-Fahrplan bis zum Ferienende

Nach Einschätzung der KV Nordrhein liegt die Impfbereitschaft der Zwölf- bis 15-Jährigen derzeit bei 50 Prozent.

Die KV erwartet, dass sich 80 Prozent der kinderärztlichen Praxen an der Impfkampagne beteiligen werden.

Um allen impfwilligen Jugendlichen in den nächsten zehn Wochen - bis zum Ende der Sommerferien - wenigstens eine Dosis verabreichen zu können, sind laut KV-Berechnung im Schnitt 45 Impfungen pro Woche und Praxis nötig.

Dafür hat er großes Verständnis, „ich weiß, dass die Meinungen da sehr weit auseinandergehen“, so Kaiser. Er will niemanden zur Impfung überreden, obwohl er persönlich sie befürwortet, „ganz besonders für Kinder mit Vorerkrankungen der Atemwege“.

Nur zwölf Dosen pro Woche - „so kommen wir nicht richtig vom Fleck“

Dass etliche Familien noch zögern, macht ihm und seinem Team die Arbeit ein kleines bisschen leichter. Denn ohnehin brauchen alle Beteiligten viel Geduld. Laut KV wären durchschnittlich 45 Impfungen pro Praxis vonnöten, um alle Über-Zwölfjährigen, die das möchten, bis zum Ende der Sommerferien zu impfen. Olaf Kaiser hat für seine Praxis bisher immer 18 Impfdosen pro Woche verlässlich bekommen und hofft, dass es zügig mehr wird: „Bis Ende Juni soll die Verfügbarkeit deutlich höher sein.“

Noch merkt er davon nichts, im Gegenteil. Für die nächste Woche wird er nur zwölf Dosen erhalten, zwei Drittel der bisherigen Menge. Der Kinderarzt klingt wenig begeistert: „So kommen wir natürlich nicht richtig vom Fleck.“ Auch sein Kollege Martin Knorr dämpft die Erwartungen: „In den nächsten Wochen wird nur wenig Impfstoff kommen. Die Familien müssen sich noch etwas gedulden.“