Mülheim. Mülheim rutscht am Freitag souverän in die Inzidenzstufe 0. Doch das Freizeitleben kann nicht über Nacht hochgefahren werden. Eine Übersicht.

Bislang waren die minimalen Inzidenzwerte in Mülheim noch kein Türöffner in die Freiheit. Nun hat NRW-Gesundheitsminister Laumann spektakuläre Lockerungen verkündet, die ab 9. Juli greifen. Nach der dann geltenden Coronaschutzverordnung des Landes rutscht Mülheim souverän in die neue Inzidenzstufe 0, für Kommunen mit einstelligen Inzidenzwerten.

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Ab Freitag entfallen die privaten Kontaktbeschränkungen, Musikfestivals, Märkte, Volksfeste dürfen wieder stattfinden. Auch Clubs und Discos können wieder öffnen - eigentlich hätte es erst Ende August so weit sein sollen. Steht der Stadt jetzt, ganz überraschend, doch ein ausgelassener Partysommer bevor?

Mülheimer Gastronomen rufen beim Ordnungsamt an: Service ohne Maske?

Viele Mülheimer konnten die guten Nachrichten zunächst kaum glauben. Im städtischen Ordnungsamt klingeln die Telefone. Christa Bargatzky, Abteilungsleiterin für Gewerbe, berichtet am Donnerstagmorgen: „Ich hatte schon zehn Anrufe von Gastronomen, die wissen wollen, ob die Kontaktnachverfolgung wirklich nicht mehr nötig ist und ihr Personal ohne Maske arbeiten darf.“ Pünktlich zum Wochenende lautet die Antwort auf beide Fragen: Ja.

Inzidenzstufe 0 - die wichtigsten Lockerungen

Ab Freitag gilt die Maskenpflicht nur noch im ÖPNV, im Einzelhandel, in Arztpraxen und bei medizinischen Dienstleistungen. Anderswo werden Masken lediglich empfohlen.

Clubs und Discos dürfen wieder öffnen - mit Hygienekonzept und Testpflicht.

Musikfestivals, Messen, Märkte und Volksfeste sind wieder erlaubt.

In Geschäften gibt es keine Flächenbegrenzung mehr, sofern die Inzidenz auch NRW-weit unter 10 bleibt.

Sport ist wieder ohne Beschränkungen möglich.

Bei Veranstaltungen mit maximal 500 Teilnehmenden entfällt die Kontaktnachverfolgung, ebenso in der Gastronomie.

In der Gastronomie gibt es keine Einschränkungen mehr, weiterhin muss aber Abstand zwischen den Tischen bestehen. Das Servicepersonal darf ohne Maske arbeiten, muss aber alle zwei Tage einen Corona-Selbsttest machen.

Spontane Anträge auf Groß-Events lagen beim Ordnungsamt zunächst nicht auf dem Tisch. „Wir müssen jetzt aber einige Veranstaltungen, die schon beantragt wurden, neu bewerten“, berichten Christa Bargatzky und ihre Kollegin Petra Hasenjäger, etwa geplante Tanzparties im Außenbereich. Das Ordnungsamt erwartet jetzt auch Anfragen für sommerliche Straßenfeste. „Die Leute wollen die neuen Lockerungen sicher ausnutzen, auch im privaten Bereich.“

MST: „Können nicht mal eben eine Kirmes aus dem Boden stampfen“

Öffentliche Großveranstaltungen in Mülheim organisiert federführend die MST. Gemeinsam mit örtlichen Kulturschaffenden und erheblichem planerischen Aufwand wurde gerade erst ein Sommer-Open-Air-Programm auf die Beine gestellt. Maßgabe bisher: maximal 250 Zuschauer. Alles kurzfristig zu erweitern, kann sich Marc Baloniak, Abteilungsleiter bei der MST, nicht vorstellen. Schon aus praktischen Gründen: „Wir können nicht mal eben eine mölmsche Kirmes aus dem Boden stampfen.“

Und was passiert, wenn die Infektionszahlen wieder steigen, unvorhersehbare Einschränkungen kommen, die Regeln erneut geändert werden? „Was heute erlaubt ist, kann in drei bis vier Wochen wieder unmöglich sein“, gibt Baloniak zu bedenken. Sollen dann Veranstaltungen abgesagt werden, Zuschauer draußen bleiben? Die neue Freiheit der Inzidenzstufe 0 sieht er grundsätzlich kritisch: „Das ist nett gedacht, aber für Veranstalter ein Desaster.“

Freilichtbühne: „Nicht auf Teufel komm raus alles ausschöpfen“

Entspannt reagiert das Team der Freilichtbühne auf die überraschenden Möglichkeiten. Hans-Uwe Koch, Vorsitzender der Regler-Produktion, will an der bestehenden Planung festhalten: „Trotz Corona werden wir rund 50 Veranstaltungen haben.“ Gestrichen habe man lediglich das Familienfest „Freilichtbühne tobt“, terminlich ausgedünnt wurde die Mittwochsreihe, bei der aktuell auch nur 150 Gäste erlaubt sind.

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Die Lockerungen betrachte er „sehr skeptisch“, sagt Koch. „Wir werden jetzt nicht auf Teufel komm raus alles ausschöpfen und aufstocken. Besucher und Mitarbeiter sollen sich bei uns sicher fühlen.“ Allenfalls könne man darüber nachdenken, Platz für 400 statt 200 Zuschauer zu schaffen. „Das ist aber dann wirklich die Grenze.“ Nach Ansicht der Regler soll 2021 „ein Übergangsjahr“ bleiben, danach könne man weitersehen.

Clubs: Tanzflächen können so spontan nicht wieder öffnen

Die beiden Club-Betreiber der Stadt freuen sich zwar über das „Go“, können die Tanzflächen so spontan aber nicht wieder öffnen: „Wir suchen noch ganz dringend Personal für die Wiedereröffnung“, sagt Marc-Lee Sommer, Betreiber des Ballermann 6 an der Sandstraße. Während die DJs bereit stehen, fehle es an Aushilfen für den Barbereich.

Sommer freut sich über die „vielen Anfragen“ der Gäste, bleibt aber realistisch: „Wir wollen keinen Schnellschuss und dann wieder eine Schließung riskieren.“ Daher sei die Wiedereröffnung erst nach den Ferien für das Wochenende am 27./28. August geplant. „Dann mit großem Knall.“

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Nebenan im Phönix Club braucht das Team ebenso noch Zeit, um den Disko-Betrieb wieder hochzufahren. „Obwohl wir schon angefangen haben, den Club aus dem Standby zu holen, lässt sich der Zeitplan leider nicht so spontan beschleunigen“, heißt es auf der Facebookseite. Mitarbeiter müssten zurückgeholt werden, behördlicher Papierwust an die neuesten Vorgaben angepasst werden. „Mal schnell öffnen und Party machen“ falle daher rein formal schon aus. „Zumal die Öffnung verlässlich sein muss, denn eine kurzfristige, erneute Schließung können wir uns schlicht nicht leisten.“ Nun hat der Phönix Club aber einen Termin zu Wiedereröffnung bekannt gegeben – nach einer Nachtschicht, in der das Hygienekonzept auf die Inzidenzstufe 0 angepasst wurde, wie die Betreiber berichten. Am 14. August soll es soweit sein – unter dem Motto „The Dark Insanity Returns“ will der Club seinen Besuchern nach eigener Aussage ein „nahezu normales wie sicheres Disco-Erlebnis“ ermöglichen. Das Phönix-Club-Radio bleibe zumindest bis zum Tag des Wiedersehens – und vielleicht darüber hinaus – bestehen, kündigen die Veranstalter an.

Hallenbäder: Schwimmen ohne Test wieder möglich

Schwimmer dürfen ab Freitag wieder ohne Testnachweis in Mülheims Hallenbädern ihre Bahnen ziehen. „Die Personendeckelung von einer Person pro sieben Quadratmetern entfällt, genau wie die Testpflicht und die Kontaktnachverfolgung“, erklärt Martina Ellerwald, Leiterin des Mülheimer Sportservice. „Wir empfehlen allerdings das Tragen einer Maske außerhalb der Becken.“ Mittlerweile sei auch das Dach im Friedrich-Wennmann-Bad repariert, so dass es bei Sonnenschein wieder geöffnet werden kann.

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