Mülheim. Gastronomen oder Friseure müssen seit vielen Monaten sorgfältig Kontaktlisten führen. Doch die Stadt Mülheim hat noch nie danach gefragt. Warum?

Die Corona-Pandemie geht seit nunmehr über einem Jahr mit einer gigantischen Zettelwirtschaft einher. In Restaurants, Geschäften, Friseursalons, überall werden - oder wurden lange Zeit - die Kontaktdaten der Kundinnen und Kunden schriftlich erfasst. Die Formulare müssen vier Wochen lang aufbewahrt und dann sorgfältig geschreddert werden. Während dieser Frist stehen sie dem Gesundheitsamt zur Verfügung, um bei Infektionsfällen Kontakte nachzuverfolgen. Die Mülheimer Behörden haben allerdings noch nie danach gefragt.

Stadt Mülheim hat erst drei Mal Kontaktlisten angefordert - nach privaten Feiern

Jedenfalls nicht im gewerblichen Bereich. Wie Stadtsprecher Volker Wiebels auf Anfrage mitteilte, wurden seit Beginn der Pandemie erst drei Mal Kontaktlisten angefordert, ausnahmslos bei privaten Feierlichkeiten. Zur Erklärung, warum es nicht häufiger passiert ist, als die Infektionszahlen noch dramatisch höher waren, sagt Wiebels, die Listen würden „nicht prophylaktisch eingesammelt“, sondern nur zur Kontaktnachverfolgung benötigt, wenn Personen positiv getestet waren.

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Die Betroffenen müssen gegenüber dem Gesundheitsamt Auskunft geben, wo sie gewesen sind, „und wenn sie beispielsweise im Restaurant an einem Vierertisch mit dem notwendigen Abstand gesessen haben, dann müssen wir die Kontakte dort nicht nachverfolgen“. Ohnehin sei das Ansteckungsrisiko in der Gastronomie bekanntlich sehr gering, so Wiebels.

Auch andere Gesundheitsämter fragen kaum nach

Die Listen, die von Gastronomiebetrieben, Friseuren oder Kultureinrichtungen mit großem Aufwand geführt werden, will also letztlich niemand mehr sehen. Das gilt beileibe nicht nur für Mülheim, wie kürzlich eine Umfrage des WDR bei 29 Gesundheitsämtern ergeben hat: Dortmund beispielsweise hat demnach noch keine einzige Liste angefordert, auch die meisten anderen Städte nutzen sie kaum. In der Landeshauptstadt Düsseldorf wurde immerhin 30 Mal nachgefragt. In Köln dagegen seien allein im Oktober 2020 etwa 850 Kontaktbögen geprüft worden.

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Apps wie Luca machen den Papierkram überflüssig, da sich die Nutzer dort online registrieren. Auch Mülheim hat sich jetzt entschieden, Luca einzusetzen. Dies geschieht zunächst im Rahmen eines dreimonatigen Probevertrags, wie Stadtsprecher Volker Wiebels erläutert. Die Nutzer werden aufgefordert, ihre Daten mit dem Gesundheitsamt zu teilen. Freiwillig. „Wenn sie es nicht tun, ist das System genau so gut wie ein Blatt Papier.“ Oder so nutzlos.