Mülheim. Ab September darf wohl wieder getanzt werden. Doch noch ist völlig unklar, unter welchen Auflagen. Wie sich Mülheims Clubbetreiber vorbereiten.
Wenn alles gut geht, dürfen die Tanzflächen der Mülheimer Diskotheken im September wieder öffnen. Die Betonung liegt auf „wenn“. Denn Vieles ist noch unklar: Wenn die Inzidenzen stimmen, wenn die Auflagen feststehen, wenn die Landesregierung das „Go“ zum Feiern gibt. „Bislang haben wir noch nicht einmal ein Konzept, an dem wir uns orientieren könnten“, sagt Tanja Franz, die zusammen mit ihren Freunden ehrenamtlich den Phönix Club an der Sandstraße betreibt.
Etwa anderthalb Jahre mussten die beiden Diskotheken an der Sandstraße, der Phönix Club mit Gothic-Rock und Alternative sowie der Ballermann 6 mit Charts- und Schlagermusik, den Betrieb in der Pandemie einstellen. Sie werden die Letzten sein, die wieder öffnen dürfen. Zumindest gibt es mit dem 1. September eine vage Perspektive. „Jedoch laufen dann auch die Hilfsgelder der Bundesregierung aus“, sagt Tanja Franz. Ihre Befürchtung: „Dass es danach erst einmal keine finanzielle Unterstützung mehr gibt.“ Schwierig sei es dann für die Clubbetreiber, eine Wiedereröffnung mit all den Kosten zu stemmen. Zumal unsicher sei, ob die Gäste so zahlreich wie zuvor kommen wollen – und dürfen.
Der Wunsch von Mülheims Clubbetreibern: Die Vergnügungssteuer senken
Online-Partys auf Facebook
Im vergangenen Jahr hatte sich der Mülheimer Stadtrat nach der Initiative mehrerer Fraktionen auf kurzfristige Hilfen für die Gastronomie und Tanzbetriebe verständigt. Demnach hatte die Stadt im Sommer die Gebühren für Außengastronomie um 50 Prozent reduziert, ab September verringerte sich der Vergnügungssteuersatz für Tanzveranstaltungen ebenso um die Hälfte. Beide Hilfen waren zunächst bis zum 31. März 2021 befristet.
Um den Kontakt zu Gästen zu halten, veranstaltet der Phönix Club regelmäßig Online-Partys auf seinem Facebook-Kanal, bei denen DJs Synthie- und Future-Pop, Wave, Dark-Electro oder Gothic-Rock auflegen. Das Zuhören ist kostenlos, der virtuelle Spenden-Hut geht herum.
Daher wünschen sich die Betreiber erneut Unterstützung aus der Mülheimer Politik, etwa was die Vergnügungssteuer angeht. „Die ist in Mülheim um ein Vielfaches höher als in anderen Städten, sogar höher als in der Düsseldorfer Altstadt“, ärgert sich Tanja Franz. Um den Betreibern den Start zu erleichtern, könnte die Steuer entsprechend gesenkt werden. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Politik beschlossen, den Vergnügungssteuersatz für Tanzveranstaltungen um die Hälfte zu reduzieren. Doch die Hilfe war nur bis Frühjahr 2021 befristet. Und hatte keinen Effekt: Denn es gab ja keine Veranstaltungen, an denen sich die Berechnung der Steuer unter anderem orientiert.
„Nun müssen wir unsere komplette Infrastruktur wieder hochfahren, die Lager füllen und unsere Mitarbeiter, die loyal die Zeit überbrückt haben, aus dem Standby einsammeln“, erklärt Tanja Franz. Unklar sei, „wie der Genehmigungsprozess ablaufen soll“. Sprich: Welche Auflagen werden zu erfüllen sein? Lohnt es sich am Ende überhaupt, den Laden wieder zu öffnen? Da die Freunde das Phönix ohne Gewinn neben ihren normalen Jobs betreiben, bedeute das ein hohes finanzielles Risiko. Damit der Phönix nicht zum Ikarus wird, müssen sich die Veranstaltungen tragen. Dennoch: „Wir haben Hoffnung und tun alles, damit es weitergehen kann.“
Zwangspause genutzt, um Lichtanlage zu erneuern und Luftreiniger zu installieren
Nebenan im Ballermann 6 versucht sich Betreiber Lee-Marc Sommer ebenfalls auf eine Wiedereröffnung vorzubereiten. „Einige unserer Betriebsgesellschaften mussten in die Insolvenz gehen“, bedauert Sommer, der noch Gewerbe in anderen Städten betreibt, etwa einen Gastro-Betrieb in einem Schwimmbad und ein Bowlingcenter in Dinslaken. Der Ballermann sei von der Insolvenz nicht betroffen. https://www.waz.de/staedte/muelheim/article229252254.ece
Jetzt erst seien Fördermittel der Bundesregierung geflossen, bis dahin habe er sich mit Rücklagen über Wasser gehalten. „Das hat viel zu lange gedauert.“ Sommer und sein Team haben die Zwangspause genutzt, um die Lichtanlage zu erneuern, zu streichen und in Luftreiniger zu investieren. „Der Laden hat so lange zugehabt, dass jetzt erst wieder eine Bauabnahme stattfinden muss.“
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„Das größte Problem ist nun für uns, Personal zu finden.“ Die meisten jungen Aushilfen seien abgewandert und hätten sich andere Jobs gesucht, mit Arbeitszeiten, die nicht bis tief in die Nacht dauern. „Gute Leute zu finden, wird jetzt schwierig, schließlich suchen allen Gastronomen momentan händeringend“, weiß Sommer. Er ist sicher: „Wenn es wieder losgeht, werden die jungen Leute sicher zum Feiern kommen.“