Mülheim. Die Zahl der E-Autos in Mülheim hat sich in nur einem Jahr auf 559 verdoppelt. Wo die Stadt aufholen muss, um für E-Mobilität attraktiv zu sein.

Während im Zuge der Klimaziele die Elektromobilität bundesweit das Pedal durchzutreten scheint, fährt Mülheim offenbar mit angezogener Handbremse: „Da die Nachfrage derzeit gering ist, gibt es seitens der Stadt derzeit keine konkreten Planzahlen zum Ausbau eine Ladesäulen-Infrastruktur im öffentlichen Raum für bestimmte Zeiträume“, erklärt die Stadt auf Anfrage der Redaktion. Dabei wäre sie in der Lage, zeitnah noch mehr öffentliche Ladesäulen zu genehmigen.

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Nutzer von E-Autos beklagen, dass es zu wenige Tanksäulen in Mülheim gebe

Wo also ist der Knoten im Kabel? Seinem Ärger macht der Leser und überzeugte E-Auto-Fahrer Jan Dwornig Luft: „In Mülheim werden die Vorteile der Elektromobilität sehr beworben. Wie es tatsächlich darum steht, erfährt man, wenn man ein E-Auto hat.“ Seine knappe Formel: Es gibt zu wenig Säulen und diese funktionieren zum Teil nicht, wenn man sie braucht.

Nicht funktionierende Säulen in Dümpten etwa oder im Forum, zählt Dwornig auf. Die Discounter, die ebenfalls die Werbetrommel rühren und das schnelle Laden während des Einkaufens preisen, kommen bislang nur auf gerade einmal zwei – an der Mannesmannallee und an der Essener Straße.

Mülheim hat 16 öffentliche Stationen und etwa 18 private, die zum Teil zugänglich sind

Dabei klingt die Zahl der vorhandenen Säulen in der Stadt erst einmal nicht schlecht: 16 öffentliche Stationen bietet die Stadt gemeinsam mit Medl an. Weitere 18 private kommen hinzu, die auf Firmenflächen liegen wie Aldi, ADAC, BMW Philipp oder Harbecke Baustoffe und nur zum Teil öffentlich genutzt werden können.

Die Verteilung auf der Stadtkarte aber zeigt Ballungen etwa in der Stadtmitte sowie Lücken in Stadtteilen wie Menden, Selbeck, Winkhausen oder Holthausen. Nachbar Oberhausen etwa kommt laut verschiedener Stromtankstellenverzeichnisse auf rund 42 – jedoch: Allein 13 Säulen trägt die Neue Mitte dazu bei.

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Im Ladenetz-Ranking des VDA rutscht Mülheim auf Platz 354 von 400

Im aktuellen Ladenetz-Ranking des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) belegt Mülheim damit Platz 354 – von 400. Das Ranking bildet die Attraktivität für den Umstieg auf E-Mobilität und die Dichte des öffentlich zugänglichen Ladenetzes für E-Autos ab. Mülheim hat sich hier im Vergleich zu 2020 um 39 Plätze nach unten bewegt.

Schlechter schneiden unter den Ruhrgebietsstädten eigentlich nur noch Gelsenkirchen (358), Bochum (378) und – überraschenderweise – die „Innovation City“ Bottrop (387) ab. Alle drei jedoch haben im vergangenen Jahr weniger an Elektro-Attraktivität verloren als die Ruhrstadt. Zumindest in diesem Ranking. Top übrigens ist Wolfsburg mit satten 739 Ladepunkten. Nachbar Essen liegt immerhin auf Platz 29 mit 420 Ladepunkten.

Es gilt also eine Menge aufzuholen für die nicht ganz so strom-sympathische Stadt an der Ruhr. „Wer ein E-Auto hat, kann ja nicht mit dem Kanister zur Tanke laufen“, fordern Nutzer wie Dwornig, dass mehr für die elektrische Fortbewegung getan werden müsse.

Die Stadt Mülheim setzt auf einen nachfrageorientierten Ausbau der Ladesäulen

Die Stadt will den Ausbau der Ladesäulen im öffentlichen Raum jedoch nachfrageorientiert vorantreiben. Das Argument der Stadt: „Viele E-Fahrzeuge sind - außer auf langen Strecken über die Autobahn - nicht auf öffentliche Ladesäulen im Stadtgebiet angewiesen, sondern laden nahezu ausschließlich im privaten Raum bzw. auf Firmengeländen“, erläutert Umweltdezernent Peter Vermeulen.

Stadt erstellt Prognose zum Ladesäulen-Bedarf

Wie hoch wird der Bedarf an Ladestationen zukünftig sein? Die Stadt aktualisiert gerade ihr Klimaschutzkonzept, in dem Handlungsoptionen und Maßnahmen mit dem Ziel der Klimaneutralität 2035 aufgezeigt werden sollen. Dabei werde auch eine Prognose zum Ladesäulen-Bedarf erarbeitet, heißt es.

Die Stadt bietet eine Übersicht der Ladepunkte für das Stadtgebiet unter https://geo.muelheim-ruhr.de/ladepunkte.

Aus seiner Sicht mache der Ausbau zu Hause und an den Arbeitsstätten auch den meisten Sinn, denn hier verweilen die Menschen über viele Stunden, die es aktuell noch für das Aufladen benötigt. Die weitere Entwicklung könne man daher nicht eindeutig quantifizieren.

Die Zahl der E-Autos in Mülheim hat sich innerhalb eines Jahres auf 559 verdoppelt

Doch hapert es bei der „Nachfrage“? Laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gibt es derzeit gerade einmal 559 Elektro-Fahrzeuge unter den 95.332 zugelassenen Fahrzeugen. Doch 2020 registrierte das KBA nicht einmal die Hälfte: 270. Demnach hat sich die Zahl der E-Autos in der Stadt in nur einem Jahr verdoppelt. Die Nachfrage nach Säulen also steigt. 2016 bangte man dagegen um die Auslastung der Infrastruktur bei 17 Säulen und 232 E-Autos.

Was muss daher zuerst da sein: die Infrastruktur der Ladestationen oder genügend E-Autos? Die Frage der Elektromobilität und damit verbunden das Ziel der Klimaneutralität bleibt damit aber weiterhin eine von Henne und Ei.